Die Diskussion über Lobbying vs. Lobbyismus zeigte deutlich den Professionalisierungs-Nachholbedarf der Branche auf.
Mit dem aktuellen Thema „Lobbying vs. Lobbyismus - Es lebe der feine Unterschied!“ diskutierten unter der Moderation von Andreas Weber (Format), Helmut Schüller (Priester), Eva Geiblinger (TI-AC), Reinhard Göweil (Wiener Zeitung), Karl Krammer (Krammer Consultants), Georg Kreuzhuber (GPlus Europe) und Wolfgang Rosam (Change Communications) über die aktuelle Lage der Lobbyisten in Österreich.
Helmut Schüller, langjähriger Chef der Caritas und engagierter Priester des „Ungehorsams“, empfindet die ganze Lobbyingaffären nicht nur als einen schlechten Anschauungsunterricht für Jugendliche, sondern auch als „unappetitlich“. Schüller: „Es wird genommen, dass die Schwarte kracht.“ Auch Wolfgang Rosam, nach neuester Eigendefinition Netzwerker, ist nicht sehr glücklich. Rosam: „Ich verfalle in den Wunsch des Pöbels, der Blut sehen will. Lobbyist ist ein Schimpfwort geworden und das verzeihe ich manchen nicht. Die Branche hat keine Stimme. Die Lobbyisten haben kein Lobbying.“ Auch Karl Krammer ist über die hier herrschenden Bedingungen nicht sehr erfreut. Krammer: „ Es scheint, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Als ich vor dreizehn Jahren bei der Wirtschaftskammer einen Gewerbeschein für Lobbyisten lösen wollte, musste ich einen PR Berater-Schein lösen. Und heute sind wir immer noch kein Gewerbe. De facto gibt es uns also gar nicht.“ Dafür scheint es aber das „typisch Österreichische“ sehr wohl zu geben. NGO-Lobbyistin Eva Geiblinger: “In Österreich brodelt es schon ganz ordentlich. Zwischen Trinkgeldern und Bakschisch wird hier immer schon wenig Unterschied gemacht. Im internationalen Vergleich stehen wir eigentlich dort, wo Rumänien steht - nur das man dort die Preise kennt.“
Problem Transparenz Die Gründe dafür sind nicht nur in der Zeitkomponente des eher jungen Gewerbes zu sehen. Reinhard Göweil, der soeben von einer USA Reise zurück kam, erklärt grundsätzliche Unterschiede: „Das professionelle Lobbying wurde in den USA erfunden, und ist dort wirklich weiter. Ein weiterer wesentlicher Unterschied sind die Landesgrößen: Die USA ist verdammt groß, Österreich verdammt klein. Hier kennt jeder jeden. Es geht intransparenter zu. In Österreich rinnt alles zu einer komischen Soße zusammen.“ In großen Ländern oder politischen Apparaten wie z.B. auch in Brüssel braucht man strukturierte Abläufe und große Transparenz. Daher ist dort der Berufsstand der Lobbyisten nicht negativ konotiert. Krammer weißt darauf hin, dass am Ende des Tages die jeweiligen Politiker ihre Entscheidungen treffen. Der Politiker entscheidet, ob er mit dem Lobbyisten überhaupt redet, zuhört oder auch etwas annimmt. Dieser Ball bleibt aber in Österreich liegen. Die Politik nimmt ihre Verantwortung hier nicht auf.
Wenig Gesamtverantwortung
Georg Kreuzhuber verweist dabei auf den Zweck von Lobbying: „Es geht ja am Tagesende darum, sinnvolle Gesetze vorzuschlagen. In der Öffentlichkeit ist immer nur die Industrie am Pranger, nie das ganze System.“ Diese Scheinheiligkeit stört alle Diskutanten. Und auch, das es in Österreich eine Anlassgesetzgebung gibt und mit dem aktuellen Gesetzesentwurf schon die Wahl des Ministeriums symptomatisch für den Umgang mit der Materie ist. Rosam prognostiziert den weiteren Verlauf: „Das ist eine typisch österreichische Blamage. Die Kammern werden draußen bleiben, irgendwer wird das einklagen und dann wird das Gesetz wahrscheinlich wieder gekippt.“ Bei der Bitte des Moderators für eine Abschluss-Segnung hält „Unruhe“-Priester Schüller sich nicht zurück: „Wir haben ein Defizit in „Am Schluss entscheide ich“– Politikern. Sie sind von politischen Entscheidungen weit entfernt. Wo bleibt der persönliche Kompass? Und da ist die Frage, welches Standing ich selber habe. Ich wundere mich, dass Ethik als Gesamtverantwortung nicht existiert. Daher gibt es relativ wenig zu segnen.“