Wer sieht wie viel fern auf der Welt? Welche Genres boomen im internationalen TV-Geschäft? Und wer zahlt eigentlich noch für Zeitungen? HORIZONT zeigt, wie sich Bewegtbild- und Print-Konsum im weltweiten Maßstab verändern.
Dieser Artikel ist zuerst in Ausgabe Nr. 50/2019 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
"Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält" – es gibt wohl keinen Bereich, auf den das Dichterwort von Friedrich Hebbel weniger zutrifft als auf jenen der Medien. Die "Alpenrepublik", sie nimmt hier globale Veränderungen jeweils mit großer Verzögerung wahr – Stichwort hohe Werbevolumina für Printmedien, Entwicklung des Privatfernsehens oder aktuell in der Entwicklung von Streaming im Verhältnis zu jener des linearen Fernsehens.
HORIZONT wirft einen Blick über den österreichischen Tellerrand hinaus und zeigt globale Entwicklungen des zu Ende gehenden Jahres auf – unter Berücksichtigung jenes Marktes, der die Welt und ihre Medien künftig (weiter) massiv prägen werden: jener der USA.
TV global gesehen
Eine Einordnung zu Beginn: Wie stellt sich zum Beispiel das Fernsehverhalten auf den verschiedenen Kontinenten dar, wie wird im gobalen Maßstab Bewegtbild konsumiert? Darüber gibt der eben erschienene Trendbericht "TV Key Facts 2019" von RTL/AdConnect Auskunft, der das vergangene TV-Jahr in 94 Ländern analysiert. So wird weltweit im Schnitt (bei 4,1 Milliarden Konsumenten) zwei Stunden und 55 Minuten ferngesehen, im kontinentalen Direktvergleich liegt dabei noch immer Nordamerika mit drei Stunden 54 Minuten in Front, gefolgt vom gesamteuropäischen TV-Markt, auf dem täglich drei Stunden und 45 Minuten Bewegtbild konsumiert wird. Asien ist führend bei der Zahl der TV-Konsumenten, 2,6 Milliarden Menschen sehen dort im Schnitt zwei Stunden und 28 Minuten fern.
Stellt man die Nutzungszeiten in den USA jenen in China gegenüber, zeigt sich, dass in den USA mit im Schnitt vier Stunden und zwei Minuten doppelt so viel TV konsumiert wird wie in China (zwei Stunden und vier Minuten). In den USA dominieren dabei Sportprogramme (die Super Bowl mit zuletzt knapp 100 Millionen US-Sehern), in China erreichte das traditionelle "Frühlingsfest" 155 Millionen Zuschauer auf insgesamt vier Sendern.
Die Sehgewohnheiten haben sich in den vergangenen 25 Jahren jedenfalls stark geändert. In den USA und Europa stieg der TV-Konsum um 33 beziehungsweise 53 Minuten. Und: Der Konsum von SVoD-Services (Subscription-Video-on-Demand) steigt ebenso rasant an.
3,4 SVoD pro US-Haushalt
In den USA haben etwa 70 Prozent der Haushalte wenigstens einen SVoD-Zugang – der durchschnittliche Subscriber verfügt über 3,4 Zugänge. Die Auswahl der Programme wird dabei immer komplizierter: Junge Seher bis 34 Jahre verbringen laut "Key Facts"-Studie etwa schon fast zehn Minuten damit, ihre Sendungen auszuwählen.
Auf der Produktionsseite wiederum ist sogenannter lokaler Content Trumpf. So waren drei Viertel aller Top-Serien in 21 TV-Märkten lokale Produktionen, wobei unter den erfolgreichen Genres Drama mit 47,2 Prozent klar dominiert. Crime-Stoffe machen knapp 20 Prozent dieser internationalen Top-Serien aus. Der globale Megatrend zur Produktion von TV-Serien spiegelt sich auch in einer anderen Zahl wider. Der Bericht zählt den Launch beziehungsweise die Ausstrahlung von 7.400 Serienprogrammen in 48 TV-Territorien, 3.164 waren "Exportprodukte", wobei 988 davon aus den USA stammen und 923 aus Großbritannien. Weltweit verteilt sich klassisches TV-Programm zu 40 Prozent auf Fiktionales, zu 15 Prozent auf Unterhaltungsformate und zu 44 Prozent auf "Factual", also im weitesten Sinn Informationssendungen.
640 Millionen zahlende Leser
Während die TV-Industrie – angetrieben von den neuen und alten Streaming-Diensten – weltweit boomt, tut sich Print weiter schwer im digitalen Wandel. Aktuelle Zahlen dazu liefert etwa der Weltverband der Zeitungen und Nachrichtenverlage WAN-IFRA in seinen "World Press Trends 2019". Demnach betrugen die gesamten Umsätze der Printbranche 2018 in 50 untersuchten Ländern und unter Miteinbeziehung von Daten globaler Partner wie ZenithOptimedia 123 Milliarden US-Dollar (in Print und Digital), die im Vergleich zum Jahr davor aber um drei Prozent zurückgingen. Für einen Großteil dieses Rückgangs ist Printwerbung (minus sieben Prozent) verantwortlich. In Summe wurden weltweit, so die Schätzung, 44 Milliarden Dollar mit klassischer Werbung eingenommen. Die Einnahmen aus digitaler Werbung stiegen dagegen um fünf Prozent auf 12,9 Milliarden und werden sich, so die Prognose, auch heuer stark verbessern.
Erfreulich für die weltweiten Printmedien: Die Zahl der zahlenden Leser stieg um 0,5 Prozent auf 640 Millionen pro Tag, was primär der Umstellung auf digitale Abonnenten zu verdanken ist. Hier wurde im Vorjahresvergleich ein Plus von elf Prozent auf 5,2 Milliarden Dollar ausgemacht. Vorreiter: die US-amerikanischen Verlage wie jener der New York Times, die 709 Millionen Dollar mit ihrem Digitalgeschäft erzielt. Fast 54 Prozent des Gesamtumsatzes der weltweiten Zeitungen stammen aus dem Verkauf des Produktes an die Leserschaft, wobei 86 Prozent immer noch aus dem klassischen Druckprodukt kommen.
Konzentrationsprozesse
Die angespannte Lage bei traditionellen Nachrichtenvermittlern führt zu weiteren Konzentrationsbestrebungen, wie ebenfalls das Beispiel USA zeigt. Dort übernahm im Sommer die New Media Investment Group mit ihrem Zeitungsverlag GateHouse Media für fast 1,4 Milliarden Dollar den Gannett-Verlag, zu dem unter anderem die überregional erscheinende USA Today gehört. Durch die Fusion entsteht mit rund 270 Lokalblättern, die zusammen auf neun Millionen Leser kommen, ein neuer Marktführer, der zusammengerechnet ein Sechstel des Marktes abdeckt. Die Übernahme soll zu Einsparungen von 300 Millionen Dollar führen. Seit Beginn der 2000erJahre hat sich die Auflage der US-Zeitungen übrigens von 56 auf 29 Millionen halbiert, die Werbeeinnahmen sanken von 38 auf 14 Milliarden.
Die in den USA lehrende, österreichische Medienmanagerin Anita Zielina sieht die US-Printmedien denn auch unter Zugzwang. Die von ihr ausgemachten Trends: Es mehrten sich Initiativen zur Rettung des Lokaljournalismus, es gebe erste Überlegungen in Richtung staatlicher Förderungen – und das "Silo-Denken" der Verlage sei endgültig an sein Ende gelangt.