Ein verflixter Medienmarkt
 

Ein verflixter Medienmarkt

Editorial von Rainer Seebacher, Chefredakteur HORIZONT (HORIZONT 46/2013)

ORF-General Alexander Wrabetz plant ein Videoportal, das über Werbung, Abon­nement und Abrufgebühren finanziert werden soll. Damit will er das riesige Film- und Fernseharchiv, auf dem der Öffentlich-Rechtliche sitzt, im Internet vermarkten. Die Zeit für ein ­solches Angebot sieht Wrabetz gekommen. „Wir wollen nicht warten, bis Netflix den österreichischen Markt aufrollt“, argumentierte Wrabetz jüngst gegenüber dem Handelsblatt.

Netflix scheint tatsächlich seine Fühler in Richtung Alpenrepublik auszustrecken. 2014 will der US-Konzern sein Angebot den deutschen Konsumenten schmackhaft machen. Wer ist Netflix? Das Unternehmen begann 1997 als Online-Videothek und verschickte DVDs an seine Abonnenten. ­Mittlerweile produziert Netflix selbst – etwa David Finchers Polit-Thriller-Serie „House of Cards“ – und bietet in 40 verschiedenen Ländern Filme, ­Serien und TV-Shows über Web-Streaming gegen eine ­geringe monatliche Gebühr. Bei Netflix ist der User selbst Programmchef und kann wählen, was er wann sehen will.

Das On-Demand-Streaming-Angebot, das laut Institut für Medien- und Kommunikationspolitik derzeit 37 Millionen Kunden nutzen, hat bereits die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland nervös gemacht. Sie zimmerten eine On-Demand-Plattform namens Germany’s Gold zusammen, die die Wettbewerbshüter heuer de facto verboten. In Deutschland obliegt es also den Privaten, Netflix das On-Demand-Feld nicht allein zu überlassen. Das geschieht bereits: Sky Deutschland arbeitet an Skyflix, andere Anbieter wie Watchever, Videoload, Lovefilm und maxdome sind schon aktiv.

Deutschlands Wettbewerbshüter haben sehr weise entschieden, und die österreichischen ­Behörden sollten sich daran ein Beispiel nehmen. Denn was hat ein Öffentlich-Rechtlicher auf ­diesem Markt zu suchen? Die Inhalte von Netflix sind quotenträchtige Kultserien und Blockbuster. Selbst ein ge­bührengestützter „ORFflix“ hätte wenig Chancen, in diesem Segment gegen einen US-Riesen zu bestehen. Wiewohl Wrabetz betont, für das On-Demand-Projekt keine Gebühren heranziehen zu wollen. Für einen öffentlich-rechtlichen Sender spielt die Musik ­woanders, nämlich in der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Dafür bekommt er Gebühren.

Für ein On-Demand-Angebot, gespeist aus Inhalten aus den ORF-Archiven, Inhalten, die also schon mit Gebührengeldern produziert worden sind, noch einmal vom Seher etwas verlangen zu wollen und dieses Angebot dann auch noch als Quelle für Werbeeinnahmen zu erschließen, ist ja fast schon … dreist. Bereits jetzt ist der heimische Medienmarkt in einer argen Schieflage. Es wäre besser, jedem das zu geben, was ihm gebührt: dem ORF die gesamten GIS-Gelder und den ­Privaten einen vom Öffentlich-Rechtlichen ­weitgehend ­bereinigten Werbemarkt.
stats