Ein Leben nach dem Journalismus
 

Ein Leben nach dem Journalismus

Privat
Ausstieg nicht bereut: Simon Moser betreibt das Café Trabant im 18. Wiener Gemeindebezirk.
Ausstieg nicht bereut: Simon Moser betreibt das Café Trabant im 18. Wiener Gemeindebezirk.

In Österreich gibt es immer weniger Journalisten. Wie ein Leben nach dem vermeintlichen Traumberuf aussieht und woran die Branche krankt.

Der Standard liegt im Café ­Trabant noch immer auf. Das ist aber der einzige Hinweis darauf, dass den Mann hinter der Theke eine gemeinsame Geschichte mit dem Blatt verbindet. Simon Moser, der das Lokal in Wien-Währing gemeinsam mit ­Magali Castan betreibt, war nämlich einst waschechter Redakteur der Tageszeitung. 2017 hat er sich entschieden, das Unternehmen zu verlassen – und schließlich auch dem Journalismus den Rücken zu kehren.

Damit gehört er zu einer wahrscheinlich kleinen Zahl an ehemaligen Journalisten, die ein Café gegründet haben, aber zu einer immer größeren Zahl an Journalisten, die den Beruf hinter sich lassen. 1.721 Journalisten weniger gibt es seit 2006 in heimischen Medien. Das erhob der Ende Jänner veröffentlichte österreichische „Journalismus-Report“. Für jene, die noch einen Job haben (insgesamt 5.346 im Erhebungszeitraum 2018/19) steigen indes der Druck und das Arbeitspensum.

"Wie in einem Hamsterrad"

Davon weiß auch Moser zu berichten. Dabei hatte er im Standard eigentlich so etwas wie seinen Traumjob ergattert, wie er im Gespräch mit HORIZONT erzählt: „Ich bin eigentlich dort gelandet, wo ich mich sehen wollte.” Nach einem Studium auf der FH und zahlreichen Praktika bei Medien klappte es schließlich mit einer Fixanstellung beim Standard. Dennoch entschloss er sich vor drei Jahren, den Job an den Nagel zu hängen. „Den Stress, den Zeitdruck und die Tatsache, dass es nie aufhört, wenn man mit einem Artikel fertig ist, vermisse ich nicht. Auch die Zeit, dass man durchschnauft, hat gefehlt. Es geht immer weiter, und man hat das Gefühl, es ist wie in einem Hamsterrad”, erklärt er seine Motive für seinen Abschied aus der Branche.

Das Förderwesen gehöre reformiert, fordert Daniela Kraus, Mitautorin des „Journalismus-Reports“ und Generalsekretärin des Presseclubs Concordia. (Foto: Luiza Ouiu)
Luiza Ouiu
Das Förderwesen gehöre reformiert, fordert Daniela Kraus, Mitautorin des „Journalismus-Reports“ und Generalsekretärin des Presseclubs Concordia. (Foto: Luiza Ouiu)

Ein Café zu gründen kam eher durch Zufall zustande und ist wohl auch die Ausnahme. Denn genaue Erhebungen, wohin all die Journalisten ­verschwunden sind, gibt es nicht. „Ein Teil ist schlicht und einfach und wenig dramatisch in Pension gegangen. Das Dramatische daran ist, dass sie nicht mit Jungen nachbesetzt wurden. Als Einzelpersonen sind sie pensioniert. Strukturell ist es ein Jammer, wie man an den Daten sieht. Denn der Beruf wird dadurch deutlich älter, was schwierig ist – gerade dann, wenn man junge Leute erreichen will”, sagt Daniela Kraus, Generalsekretärin des ­Presseclubs Concordia und Mitautorin des „Journalismus-Reports“. Andere Journalisten wiederum seien in angrenzende Bereiche der ­interessengeleiteten Kommunikation wie zum Beispiel Corporate Publishing gegangen. Ein weiterer Teil in andere Kommunikationsberufe, so Kraus: „Die Leute werden gerne genommen, weil sie gute Kontakte haben und wissen, wie die andere Seite funktioniert. Da hat man sehr gute Einstiegschancen.“

Abwärtsspirale

Ein Beispiel dafür ist Lukas Sustala, früher Journalist bei der NZZ, heute stellvertretender Direktor und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Thinktank Agenda Austria. Der Ausstieg aus dem Journalismus sei heutzutage insofern anders, meint Sustala im HORIZONT-Interview, „weil jede Institution anders kommunizieren muss als noch vor 30 Jahren”. Kommunikation sei heute viel mehr integraler Bestandteil der Arbeit, und daher sei eine journalistische Grunderfahrung durchaus nicht das Schlechteste.

Im Journalismus selbst hingegen entwickle sich in vielen Unternehmen eine gefährliche Abwärtsspirale: „Was ich nicht vermisse, ist dieses konstante Change-Management nach unten und mit immer weniger guten Köpfen immer mehr machen zu müssen ohne eine mittelfristige Perspektive, wo das Unternehmen hin will.”

Wachsendes Ungleichgewicht

Das wachsende Ungleichgewicht zwischen weniger werdenden Journalisten und mehr Mitarbeitern in der interessengeleiteten Kommunikation oder PR ist für Kraus ein Problem: „Die Frage ist, wer dominiert die öffentliche Meinung und den öffentlichen Raum mit welchen Themen und welchen Perspektiven. Der Anspruch des Journalismus ist, bei allen Schwierigkeiten doch ein ausgewogenes Bild zu schaffen und im Interesse des Publikums auszuwählen, was wie berichtet wird. Wenn der öffentliche Raum aber von einer interessengeleiteten Kommunikation dominiert wird, dann wird es schwieriger, sich zu ­orientieren.” ­

Dafür nimmt Kraus auch das Publikum in die Verantwortung, „nämlich das Verständnis, dass guter Journalismus auch etwas kostet”. Auch das Förderwesen müsse hierzulande aus- und umgebaut werden. Die Presseförderung sei nicht nur zu gering, sondern auch falsch strukturiert: „Das zentrale Merkmal einer Presseförderung müsste sein, dass es eine Qualitätsförderung ist.“ Positiver Nebeneffekt: Für Qualität brauche man mehr Journalisten.

Aber vor allem müssten sich auch die Medienunternehmen ändern, sagt Kraus: „Wenn die Unternehmen sicher sind, dass sie Journalismus verkaufen, dann sollten sie sich überlegen, die Redaktionen nicht auszudünnen, sondern dort zu investieren.”

In die Tiefe

Journalismus müsse sich in eine Richtung entwickeln, bei der Experten in den Redaktionen Zeit und Muße haben, in Themen tief einzutauchen, meint auch Sustala. In Zeiten, in denen Redaktionen manchmal eher kleiner als größer werden, sei das schwierig, aber er glaubt, „dass sich der Journalismus, wo er bezahlfähig sein möchte, dorthin entwickeln muss, wo es in die Tiefe und die Nische geht und der Vorsprung an Information ganz essentiell ist”.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Moser: „Ich hätte die Hoffnung, dass vor allem junge Leute eigene und neue Arten von Medien gründen und Journalismus so machen, wie man es sich wünscht und vorstellt – nämlich ein bisschen zurückgelehnter und mit mehr Zeit und weniger ­oberflächlich.“




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