Ein gefährliches Spiel
 

Ein gefährliches Spiel

Editorial von Sebastian Loudon, Herausgeber (HORIZONT 19/2014)

Auditoren – die unbekannten Player im Mediabusiness“ – mit diesem Titel lud das Forum Mediaplanung zu einem Diskussionsabend (siehe HORIZONT 19/2014 - Seite 5). Auditoren? Das sind doch, so stöhnen die Mediaagenturen, jene Unruhestifter, die den Auftraggebern oftmals trotz Kompetenzmangels einreden, dass bei den Werbeausgaben noch viel Potenzial für Effizienzsteigerungen drin sei, und die damit mittelbar den Preisdruck auf Medien verstärken würden. Es sind jene, die für ihre Benchmarking-Datenbanken allerlei Details aus Verträgen zwischen Auftraggebern, Agen­turen und Medien sammeln wollen oder dies ­bereits tun und damit ein verzerrtes Abbild des Preisgefüges im Werbegeschäft erzeugen würden. Kurz: Sie sind die Störenfriede eines an sich perfekt harmonierenden Dreiklangs zwischen Kunde, Agentur und Medium. Aber sind sie das wirklich? Oder sind sie nicht vielmehr ein – zweifellos geschäftstüchtiges – Symptom dafür, dass dieser Dreiklang mittlerweile gehörige Dissonanzen erzeugt?

Zunächst hatte Philipp Nagel von Etat Control aus Deutschland, einer der drei großen Auditoren-Gesellschaften, die Gelegenheit, seine Welt zu erklären. Die Kurzfassung: Dass Auditoren so erfolgreich ins Mediageschäft einsteigen konnten, liegt im Wesentlichen daran, dass sich Mediaagenturen zunehmend von der Position des (medien)neutralen Beraters auf jene eines Großhändlers von Werbeinventar begeben würden. Dieses als Trading bezeichnete Geschäft würde in Deutschland bereits ein Drittel zum Profit der Mediaagenturen beitragen, war kürzlich in unserer deutschen Schwesternzeitung zu lesen. Dazu ­kämen Agency Volume Bonifications oder Kickbacks, so Nagel. Das sowie die nach wie vor sagenumwobenen Umsatzrenditen im Mediageschäft weit jenseits der 20 Prozent hätten ein Klima geschaffen, in dem das Vertrauen der Auftraggeber gegenüber den Mediaagenturen stark zurückgegangen sei. Die komplexer werdende Medienwelt habe zusätzlich dazu geführt, dass sich immer mehr Auftraggeber Auditoren bedienen, die ihnen den sachgerechten Einsatz ihrer Werbespendings untersuchen sollen – wobei sich „sachgerecht“ zwangsläufig meist auf Effizienz und kaum auf Effektivität bezieht.

Nach Nagels Ausführungen bemühte man sich am Podium wie im Publikum darum, klarzustellen, dass Österreich und Deutschland diesbezüglich nicht zu vergleichen seien. Das sei ein rein deutsches Thema, so der Tenor, hierzulande laufe alles transparent ab, es gebe keine Agentur-Bonifikationen, und den Kunden würden alle Rabatte, die die Agentur ausverhandelt, offengelegt.

Nun ist es zweifellos so, dass sich Deutschlands und Österreichs Mediamärkte in ihrer Mechanik nur bedingt vergleichen lassen und dass Trading in klassischen Medien hierzulande kaum beziehungsweise anders praktiziert wird. Wie aber, so drängt sich die Frage auf, sieht das im digitalen Werbegeschäft aus? Hinter vorgehaltener Hand beklagen sich Onlinemedien und ihre Vermarkter nämlich immer öfter darüber, dass Mediaagenturen – etwa unter Zuhilfenahme von Tochtergesellschaften oder Partnerfirmen – in zunehmendem Ausmaß relevante Teile der digitalen Werbeausgaben lukrieren würden. Und wer dieses Spiel nicht mitspiele, riskiere, kurzerhand aus dem Mediaplan zu fallen. Wie das etwa in Deutschland konkret funktioniert, beschrieb kürzlich „Mister Media“ Thomas Koch in seinem Blog auf W&V unter dem Titel „Media Kills The Web Star“ (Wuv.de/blogs/mrmedia).

Solange den Auftraggebern offengelegt ist, welcher Teil ihrer Werbeausgaben tatsächlich bei den Medien landet und wie viel davon bei den Agenturen, ist nichts weiter dazu zu sagen. Außer allenfalls, dass der Profit der Mediaagenturen auf dem Rücken der Medien erwirtschaftet wird. Aber zum Knechten gehören immer zwei. Einer, der Druck ausübt, und einer, der sich das auch gefallen lässt.
Jedenfalls ist es wohl an der Zeit, die vorgehaltene Hand beiseite zu geben und die Dinge beim Namen zu nennen. Letztlich auch, um damit den Agenturen die Gelegenheit zu geben, ihre Praxis zu erläutern und Misstrauen aus der Welt zu ­räumen. Die wenigen Mediaagenturen, die es gibt, stehen allesamt unter einem gewaltigen Ren­ditendruck – sie sind zumeist die großen ­verbleibenden Cashcows der börsenotierten Werbe-­Holdings und befinden sich in einem Kreislauf, der ihnen selbst Unbehagen bereitet. Sie können kein Interesse an einem schleichend zunehmenden Vertrauensverlust bei ihren ­Kunden haben.

Bei diesem gefährlichen Spiel geht es aber um weit mehr als um das Vertrauensverhältnis zwischen Agentur und Kunde, letztlich nämlich auch um Medienvielfalt. Und eines dürfen Mediaagenturen und ihre Eigentümer nicht vergessen: Eine lebendige eigenständige Medienlandschaft in Österreich ist letztlich auch die Grundlage ihres Geschäftes in diesem Markt. Daher tragen sie ursächlich auch Verantwortung dafür, auch wenn das nicht immer sehr angenehm ist.
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