Der kaufmännische Direktor des ORF, Richard Grasl, im HORIZONT-Interview über Intrigen im ORF, seine neue Strategie bei Sparmaßnahmen und die Frage, warum er das Wort ‚ORF-Wahlkampf‘ nicht gerne hört.
Richard Grasl: Falsch. Die Refundierung der Gebührenbefreiungen ging ja in zahlreiche zusätzliche Leistungen. Hätten wir dieses Geld nicht bekommen, hätten wir vieles – wie das Fernsehfilmabkommen – nicht mehr weiterführen können. Aber wir hätten dennoch positiv abgeschlossen.
Grasl: Im Moment schaut es nach wie vor gut aus, sowohl Radio als auch TV und auch Online liegen im Plus.
HORIZONT: Was sind Ihre nächsten Brocken? Grasl: Das Wichtigste aus meiner Sicht ist, dass wir jetzt, da das Unternehmen finanziell stabil dasteht, nicht so tun, als wäre die Zeit des Sparkurses vorbei. Dem ist nämlich nicht so. Aber wir haben uns durch den Sanierungskurs wieder Spielräume geschaffen – wir werden dort investieren, wo es notwendig ist, und dort intelligent sparen, wo noch was drinnen ist. Das ist sicher neu, und das haben wir uns hart erarbeitet. Vor allem die TV-Produktionskosten schaue ich mir in den kommenden Wochen genau an. Sobald eine Vertragsperiode ausläuft, gibt es die Gelegenheit, Dinge zu hinterfragen, und diese Gelegenheit werde ich nutzen.
HORIZONT: Abgesehen von Nebensächlichkeiten aus der Society-Ecke ist es um den ORF sehr ruhig geworden. Ist das eine konstruktive Ruhe oder bereits eine wahlkampfbedingte Lähmung angesichts der Generaldirektorswahl im Sommer? Grasl: Mit gefällt der Begriff „Wahlkampf“ schon einmal überhaupt nicht. Im Sommer wird der Stiftungsrat turnusmäßig eine Geschäftsführung wählen, das hat mit Wahlkampf überhaupt nichts zu tun. Und zweitens: Nur, weil der ORF in der Wahrnehmung der Fachöffentlichkeit ruhig ist, heißt das nicht, dass nichts passiert. Im Gegenteil: Momentan passiert bei uns so viel wie schon lange nicht. Die Finanzen sind in Ordnung, und mit den Quoten geht es auch bergauf, wir starten neue Sendungsformate. Ich finde, die Stimmung ist derzeit viel besser.
HORIZONT: Woran liegt es, dass ORF-Interna mit großer Verlässlichkeit „geleakt“ werden? Grasl: Das ist wirklich eines der ganz großen Probleme dieses Hauses. Diese Unkultur muss endlich aufhören. Es kann nicht sein, dass jeder Konflikt nach außen getragen wird. Das hat doch noch nie eine Lösung gebracht, sondern macht vieles schwieriger. Das ist Gift für das Unternehmen und schadet auch dem Ansehen des ORF in der Öffentlichkeit. Wir sollten mehr über unsere Programme reden und nicht darüber, wer gerade mit wem nicht einer Meinung ist.
HORIZONT: Wie bekommt man das in den Griff? Grasl: Wir brauchen wieder ein stärkeres Wir-Gefühl im ORF. 99 Prozent fühlen das ohnehin. Und allen anderen muss klar sein, dass es als uncool angesehen wird, das Unternehmen anzuschütten. Diese Unternehmenskultur muss von allen vorgelebt werden.
HORIZONT: Jetzt muss ich Sie in Verlegenheit bringen. Trotz Ihrer umstrittenen Wahl zum kaufmännischen Direktor findet sich in dieser Schlangengrube irgendwie niemand, der schlecht über Sie spricht … Grasl: Ich kann nicht behaupten, dass mich Ihre Wahrnehmung nicht freut. Wenn ich das erklären muss, dann vielleicht am ehesten damit, dass ich vor Entscheidungen ein offenes Ohr für alle Betroffenen habe. Und, dass ich sie rasch und klar treffe und mit offenem Visier vertrete.
HORIZONT: Trotzdem ist es für ein Antreten zum Generaldirektor noch zu früh? Grasl: Erstens: Ich fühle mich im Finanzbereich außerordentlich wohl, und bin hier noch lange nicht fertig. Und ich habe gesagt, dass ich gegen Alexander Wrabetz nicht antreten werde.
HORIZONT: Unausweichliche Frage: Kommt Zeiler? Grasl: Unausweichliche Antwort: Ob er sich bewerben wird, müssen Sie schon ihn selbst fragen.
Interview: Sebastian Loudon