‚Die Sehnsüchte verstehen lernen‘
 

‚Die Sehnsüchte verstehen lernen‘

Motivforscherin Helene Karmasin im Interview

Der Medien-Zukunftspreis ist eine Initiative des Manstein Verlages. Begleitet wird sie vom Zukunftsforum, dessen Teilnehmer in dieser Interviewserie zu Zukunftsthemen der Branche zu Wort kommen.

HORIZONT: Die Medienwelt ist einem tiefgreifenden Wandel unterworfen.  Was brauchen Medienmacher heute mehr denn je, um auch in Zukunft ­erfolgreich zu sein?


Helene Karmasin: Medienmacher sollten bei aller Beschäftigung mit technischen, ökonomischen und regulatorischen Fragen nicht vergessen, dass sie letztlich ein Produkt herstellen, das auf einem Markt Kunden finden muss. Dies ist der Markt der Mediennutzer, die mit Aufmerksamkeit, Zeit und Geld zahlen, und dies sind reale Menschen, die in spezifischen Lebenswelten leben. Was immer sich in der Medien-welt wandelt, bestimmte Strategien bleiben auf allen Märkten gleich: Es gilt zu verstehen, was Kunden motiviert, was ihre Sehnsüchte, Ängste, Wünsche sind, welche Funktionen ein Produkt für sie hat, ob es ihr Leben reicher macht oder nicht. Wie immer: Kunden zahlen für das, was ihnen emotional teuer ist. Dabei ist nicht zu vergessen, dass Wünsche nicht nur individuell geformt sind, sondern ebenso durch die soziokulturelle Gruppe, in der jemand lebt, und letztlich durch die Gesellschaft als Ganzes. Dies betrifft auch die Art von Medien, die genützt werden, ihre Inhalte, die spezifische Kommunikation, die in ihnen möglich ist. Diese Perspektive scheint mir bei vielen ­öffentlich geführten Diskussionen zu kurz zu kommen. Innovationen bestehen wohl vor allem darin, dass neue ­Finanzierungsmodelle überlegt werden müssen, die letztlich diese Perspektive des Kunden einbeziehen: Wofür sind Menschen bereit zu zahlen? Der Markt der Konsumgüter führt vor, dass dies keineswegs nur rationale Nutzen sind. Es ist auch der Wunsch nach Distinktion, nach Autonomie, nach Zugehörigkeit, nach ­Gegenwelten – der Boom der Land-Medien hat etwas damit zu tun. Hier sollte durchaus mehr in Forschung und Entwicklung investiert werden. Dies können Online- und Offline-Medien leisten, die ja in immer schnelleren Intervallen ­nebeneinander genutzt werden. Es gilt nur zu verstehen, in welcher Weise sie verzahnt werden sollen und was ihre spezifische Funktion sein soll. Die ­„alten“ Medien sind ja keineswegs tot, sie geraten aber in ein merkwürdiges Imageproblem, wenn sie als alte ­Medien, als Holzmedien, als „Tante Zeitung“ und Ähnliches bezeichnet werden, die den neuen, jungen und aufregenden Medien entgegengesetzt werden. Ähnliches gilt für die Opposition von journalistischen Leistungen und der Weisheit der Menge. Journalistische Fähigkeiten sind immer noch ­extrem wichtige Leistungen und der Nachwuchs sollte auch davon angezogen werden – allerdings bei angemessener Bezahlung, die nicht immer ­gewährleistet ist.


HORIZONT: Im Gefüge aus Auftraggeber, Agentur und Medium geht es vielfach nur mehr um die günstigsten Konditionen. Wie lassen sich qualitative Gesichtspunkte in der Mediaplanung in den Fokus rücken?


Karmasin: Wir sollten den Gesichtspunkt ernst nehmen, dass unsere Gesellschaft in viele Teilöffentlichkeiten zerfällt, die auch durch Medien geschaffen werden. Diese Medien unterscheiden sich sehr wohl durch ihre Qualität. Qualitätsanbieter, seien es Marken, seien es öffentliche Stellen, sollten sehr viel genauer ihre Öffentlichkeiten wählen, in der sie ihre Nachrichten und Werbungen platzieren. Dies mag naiv klingen, aber es leistet einen größeren Beitrag zu ihrer Reputation, als man glaubt.


HORIZONT: Welchen Beitrag kann eine Initiative wie der Medien-Zukunftspreis tatsächlich für die gesamte Branche leisten?


Karmasin: Dieser Preis kann in hohem Ausmaß zu der Sensibilisierung der Branche für Zukunftsfragen beitragen und spezifische Fragen auf die Agenda setzen.


HORIZONT: Wie definieren Sie die ­Zukunftsvision für Karmasin.Motivfor-schung?


Karmasin: Unser Unternehmen ist ja kein Medienunternehmen. Wir glauben aber, dass unsere spezifische Expertise in Zukunft immer stärker gefragt sein wird: Fokussierung auf den Kunden, Entwicklung spezifischer Codes, die Kunden ansprechen.

Die gesamte HORIZONT-Interviewserie mit Mitgliedern des Zukunftsforums finden Sie hier - sie wird laufend erweitert.



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