Eröffnungsrede der 21. Österreichischen Medientage von Initiator Hans-Jörgen Manstein:
Den wirtschaftlichen Erfolg haben sie selbst ermöglicht – unter Zwangsverpflichtung des österreichischen Steuerzahlers, der selbstverständlich nicht gefragt wurde.
Verzeihen Sie, sehr geehrte Damen und Herren, diesen kleinen Umweg, aber ich bin schon wieder beim Thema. Die Politik wollte ich also auffordern, etwas in Sachen Medienförderung zu tun. Wegen des, und das muss jetzt auch noch kommen, Meinungs-Pluralismus. Der ist nämlich wichtig für die Demokratie.
Am Anfang war also der Meinungs-Pluralismus. Hier stock‘ ich schon, wenn sie mir diese plumpe Anspielung auf Goethe gestatten. Ja, was denn eigentlich für einen Meinungs-Pluralismus? Dieser Frage versuchte ich in den letzten Wochen nachzugehen. Und ich suchte ihn. Ich suchte ihn am Boulevard, ich suchte ihn in den Qualitätsmedien, allein – ich fand ihn nicht.
Allein der zur Beschreibung des Obmannwechsels in der ÖVP gefühlte 20.000 mal verwendete Terminus „Neustart“, der in manchen Medien sicherheitshalber gleich mehrmals pro Seite zitiert wurde, lässt eher auf die Gleichschaltung der Meinung schließen als auf Vielfalt. Dazu passen dann auch noch die nahezu wortgleichen Interviews mit einem ehemaligen ÖVP-Chef in Tageszeitungen und Magazinen.
Wenige Tage später: Dasselbe Spiel rund um die Ernennung des neuen Finanzministers. Alle Medien voll mit dem Begriff „Baustellen“, die zu bewältigen seien. Die Geschichten: austauschbar. Ach ja, Hans-Jörg Schelling ist Millionär, durften wir – ebenfalls aus den Medien – erfahren. Nur über die absolute Höhe eines wohlerworbenen Reichtums konnten sie sich nicht einigen. Meinungs-Pluralismus?
In den außenpolitischen Ressorts ist es nicht viel anders. Ukraine? Genaues weiß man nicht, und das auf vielen Seiten. Naher Osten? Genau dasselbe. Meinungs-Pluralismus.
Einzige rühmliche Ausnahme: Der ORF mit seinem Korrespondenten Christian Wehrschütz vor Ort, führte uns vor, wie es gehen könnte.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – und sie ist brandgefährlich. Denn sie beweist die Austauschbarkeit. Und mehr noch. Sie beweist, dass, wenn man nicht gewillt ist, daran etwas zu ändern, das Argument Meinungs-Pluralismus als Geldhahn-Öffner nicht mehr einzusetzen ist.
Denn es kommt ja noch ein zweites dazu. Gefährlicher noch als die vorhin beschriebene Malaise. Alle diese Nachrichten sind für den interessierten Rezepienten auch noch veraltert, weil er sie bereits einen Tag oder zumindest Stunden früher über das Web erhält. Und das kostenlos. Das ist unsere Malaise.
Man darf sich also nicht wundern, wenn die Printmedien mangels Werbung immer dünner werden und immer mehr Mitarbeiter abbauen müssen. Der "Standard" steht hier als Menetekel für die gesamte Branche.
Der Ruf nach Qualitätsjournalismus ist jedoch nicht nur ein Appell an uns Medienverantwortliche und an die Medienpolitik.
Auch der hochverehrte Medienkonsument – vulgo besser gebildeter und besser verdienender Leser – muss wissen: Vom Journalismus stets Qualität einzufordern, gar nicht mehr so klammheimlich jedoch zur Boulevardgazette zu greifen, das kann nicht funktionieren. Die Formalqualifikation der Gesamtbevölkerung steigt seit Jahrzehnten stetig an. Die Zahl der Akademiker steigt ebenso wie die Zahl jener Österreicher, die über eine AHS oder BHS – Matura verfügen. Unzählige , berufsbegleitende Bildungseinrichtungen vermelden jährlich zehntausende Absolventen.
Das „lebenslange Lernen“ ist in aller Munde. Da müsste doch – zumindest bei den Entscheidungsträgern der ersten und zweiten Ebene – auch der Bedarf nach profundem Informationsangebot steigen. Wo bleibt das „lebenslange Lesen“ von Inhalten, die man nicht nur beruflich, sondern als mündiger, politisch wacher Bürger braucht?
Versagt hier vielleicht die mediale Sozialisierung schon im jugendlichen Alter? Führt die Schule an kritischen Medienkonsum heran? Gibt es noch die Beispielswirkung im Elternhaus?
Vielleicht sollten wir diesen Aspekt in die jetzt in Schwung kommende Debatte über Bildungsreformen mutig einbringen….“
Wenn das so weiter geht, besteht die Gefahr, dass der bekannte Poster und Blogger mit den Pseudonym Terence Lennox mit seinem jahrelang verkündeten Mantra „Print ist tot“ recht bekommt.
Und das, sehr geehrte Damen und Herren, gilt es zu verhindern. In Tatunion zu verhindern. Gewiss, die Politik ist nicht aus der Pflicht zu nehmen.
Warum immer das Rad neu erfinden? Die Schweizer Medienbehörde sagte vorige Woche, das alte System der Medienförderung muss überarbeitet werden. Bitte, gute Ideen darf man doch stehlen, oder? Was heute geschieht, ist zu wenig und falsch.
Der – so, jetzt verwende ich es auch einmal – Neustart dieser Koalition wird nicht zuletzt daran gemessen werden müssen, was sich die evolutionäre ÖVP zu diesem Thema wird einfallen lassen. Wird einfallen lassen müssen. Die SPÖ sowieso.
Und die Verleger müssen neue Wege gehen. Öffnen sie ihre Redaktionsstuben, in denen ohnedies viel zu sehr im eigenen Saft gekocht wird. Lassen sie Leute von außen mitreden, hören sie ihnen zumindest zu. Denn das ist die ihre größte Schwachstelle, liebe Medienverantwortliche. Sie sind zu oft Boxer mit Glaskinn. Gut im Austeilen, dafür umso schlechter im Einstecken.
Die geringste Kritik erscheint ihnen viel zu oft als persönliche Beleidigung durch einen Inkompetenten. Nur – wohin hat sie denn die Kompetenz bisher gebracht? Eben.
Was ich damit sagen will: Es ist an der Zeit, damit aufzuhören, sich im Kreis zu drehen. Es ist Zeit, die geistigen Mauern niederzureißen.
Als Steve Jobs mit Apple in der Sackgasse war, holte er sich einen Pepsi-Manager. Die Folge davon erleben wir alljährlich, wenn sich hunderttausende Menschen zu nachtschlafener Zeit anstellen, um ein Produkt zu kaufen, dass sie erstens nicht wirklich brauchen und zweitens drei Tage später bequem zu Ladenöffnungszeiten erstehen könnten.
Einen solchen Geist müssen Sie zu generieren versuchen. Nicht die ewig selben, und ich möchte auch schon sagen, die ewig gestrigen Diskussionsrunden. Diese kleinen Foren, auf deren Podien die immer gleichen Leute immer das gleiche erzählen. Ich würde nicht einmal meine Medientage von dieser Kritik ausnehmen. Sich dabei selbst auf die Schulter zu klopfen, zur Bestätigung, wie gut man sei, und dass eh mehr oder weniger alles im Lot sei. Und dann daheim, in den Verlagen, wird weiter fröhlich verwaltet.
Daher haben wir die diesjährigen Medientage so ausgerichtet, dass ernsthafter Diskurs ermöglicht werden soll.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind an einer historischen Zeitenwende angelangt, in der sich entscheidet, ob Print in Österreich noch eine Chance hat, und wenn ja, welche. Oder ob Terence Lennox doch recht hat. Denn, man kann viele und lange Gespräche über Rahmenbedingungen, die durch die Politik zu schaffen sind, führen. Am Ende dieses Tages werden alle diese Einzelmaßnahmen verpuffen, und zwar aus zwei Gründen:
Erstens weil die Politik die Rahmenbedingungen, so wie sie sich die vorstellt, ja bereits geschaffen hat. Denken Sie an die Insertionen in den Boulevardmedien und die kulanten, nennen wir es „Distributionsverträge“ mit diesen. Die Politik hat sich also bereits entschieden.
Und zweitens, weil in einem marktwirtschaftlichen System eben der Markt entscheidet. Es müssen Medien produziert werden, die gekauft werden. Nicht Medien, die um Presseförderung ansuchen können. Das geht nicht mehr, weil die Medien austauschbar geworden sind. Und weil deshalb dem Steuerzahler nur bedingt zugemutet werden kann, dass er Medien am Leben erhält. Haben Sie das schon einmal aus diesem Blickwinkel betrachtet?
Daher, wenn Sie schon immer mit dem Meinungs-Pluralismus argumentierten: Dann machen Sie den Bauchaufschwung und sorgen selber einmal für mehr Vielfalt. Bevor es zu spät ist. Ich als Verleger weiß, dass ist leicht gesagt.
Dennoch, in diesem Sinne wünsche ich Ihnen gewinnbringende Medientage 2014.