Die Mediengruppe Österreich will ihre Radiolizenzen national ausweiten und das Geschäft mit E-Commerce massiv vorantreiben.
Dieses Interview ist zuerst in Ausgabe Nr. 49 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
Horizont: Sie haben seit Mitte November eine eigene Sendung namens „Fellner Live“ am eigenen Sender. Könnte man nicht eigentlich gleich den ganzen Sender nach Ihnen benennen?
Wolfgang Fellner: Ich glaube, das wäre schwer übertrieben. Ich trete ja Gott sei Dank nur bei „Fellner Live“ auf – das ist für mich anstrengend genug, aber es hilft oe24.TV beim Start.
Aber Sie sind on air sehr präsent und stark mit der Marke verbunden.
Ich mache das ja nicht, weil ich jeden Abend eine Beschäftigung brauche – meine Eitelkeit, im TV zu sein, ist gleich Null. Aber ich verstehe mich als Verleger, der jedes seiner Vorhaben mit seinem gesamten Herzblut gründet: Da steckt mein kompletter Einsatz und mein komplettes Engagement drinnen – so wie früher bei News, bei Österreich, bei Woman. Ich habe sogar Woman ein Jahr selbst gemacht, um einen wirklich guten Start sicherzustellen.
War es immer Ihr Ziel als Verleger, auch Anchorman im eigenen Sender zu sein?
Nein, das war so nicht geplant. Aber offensichtlich ist es gut und richtig, um im Hauptabendprogramm die Quote in die Höhe zu bringen. „Fellner Live“ liegt an immer mehr Abenden unter den Top-15-Sendungen im Teletest in der Zeitschiene um 21 Uhr. Das ist bei 60 oder mehr Sendeangeboten nicht so schlecht. Ich erziele an guten Abenden schon Quoten in der Größenordnung von ATV2, und das mit der halben technischen Reichweite, wir erreichen ja erst 50 Prozent der Haushalte. Wenn ich mit einer simplen Talkshow mit null Aufwand, also mit absolut null Kosten und null Lizenzgebühren, an Abenden mit guten Gästen eine Quote wie ATV2 mit einem teuren Spielfilm erziele, dann ist es logisch, dass ich das zumindest als Starthilfe machen muss. Mein Sohn – der die Marke „Fellner“ ja noch besser rüberbringt als ich – hilft mir dabei sehr. Er ist großartig.
Was zeichnet das Format denn aus, wie würden Sie Ihren Fragestil bezeichnen?
Ich hab mir amerikanische Interviewer zum Vorbild genommen – mein Motto ist: Kritisch aber fair; und wenn es geht unterhaltend und spannend. Ich versuche möglichst wenig zu unterbrechen, bin möglichst locker und manchmal auch ein bisschen amüsant und nicht so verkrampft, nicht wie ein Tribunal oder ein Verhör – wie das manchmal im ORF rüberkommt – sondern fair aber auch ein bisschen frecher. Und ich versuche auf Augenhöhe zu fragen, so dass der Interviewte fair und gut aussteigt und nicht hingerichtet wird. Deswegen bekomme ich auch relativ viele Interviewgäste, die andere Sender mit der Reichweite nicht bekommen würden.
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Mit welchem Argument kommt denn ein Sebastian Kurz beispielsweise lieber zu Ihnen als zu anderen Sendern?
Da müssen Sie ihn selber fragen – aber es kommt ja nicht nur Kurz, sondern auch Strache, auch Pilz, auch Strolz, auch alle Minister – und hoffentlich bald auch wieder Kern. Jeder wird bei mir sehr fair und ordentlich behandelt, trotzdem kritisch. Dazu kommt der Reiz eines 360-Grad-Medienhauses: Wenn ein Gast bei mir auftritt, zieht das eine ganze Kette an Berichterstattung nach sich – von der Bewegtbild-Verbreitung mit bis zu 200.000 zusätzlichen Views im Internet, also per Stream und Videoon- Demand – was enorm ist – über zusätzlich noch 100.000 und mehr Seher bei Facebook. Dazu dann noch das gedruckte Interview in der Zeitung, oft auch am Sonntag, und Berichte online oder im Radio. Genau das war ja die Idee hinter der Mediengruppe; und ich bin der Erste, der es in Österreich geschafft hat, ein 360-Grad-Medienhaus aufzubauen: Neben der Zeitung (gratis, bezahlt und am Sonntag) gibt es sechs Magazine, ein führendes Online- und Digital-Angebot, das 24-Stunden- Live-Fernsehen und Radio. Das alles werden wir weiter ausbauen, weil das die Zukunft von Medienhäusern ist – wir hoffen etwa, dass wir möglichst bald auch eine österreichweite Radiolizenz bekommen.
Haben Sie sich zuletzt um dafür notwendige Übertragungslizenzen bemüht?
Wir sind gerade dabei, das anzugehen.
Aktuell ist von der RTR keine österreichweite Lizenz ausgeschrieben. Wie wollen Sie dieses Vorhaben denn realisieren?
Ich will möglichst viele regionale oder lokale Lizenzen einsammeln, so dass das einer nationalen Frequenz gleichkommt. Ich versuche mir eine Frequenz nach der anderen zu holen, sobald sie verfügbar sind.
Existieren neben den skizzierten Radioplänen weitere Expansionsbestrebungen für nächstes Jahr?
Wir werden uns noch stärker auf das Digitalgeschäft in Österreich konzentrieren, vor allem im Bereich ECommerce. Das fängt bei unserem Shop an und wird bis in den Lieferund Servicebereich hineingehen. Wir sind neben der Styria, deren Erfolge ich sehr bewundere, sicher jenes Medienhaus in Österreich, das im digitalen Bereich am innovativsten ist. Und da werden wir 2018 Vollgas geben.
So ein Shop ist logistisch aufwändig und braucht Partner wie beispielsweise Amazon.
Es gibt ja auch Modelle und Überlegungen, nur Marktplatz zu sein, ohne die Logistik selbst zu übernehmen. Genau in dieses Segment müssen wir hinein, das gibt es derzeit in Österreich nicht, da ist niemand aktiv. willhaben.at ist das einzige positive Beispiel, wo Österreich auch wirklich international mitspielt. Wir haben bereits einen exzellenten Content-Bereich, da sind wir führend, auch in der Vermarktung, die jetzt mit Christopher Sima einen neuen, sehr innovativen Geschäftsführer hat, der unsere Werbeangebote vor allem gegenüber Agenturen und Direktkunden sehr professionalisieren wird, von der programmatischen Vermarktung bis zum Content-Werbeangebot. Und wir werden noch zwei bis drei weitere Leute zur Verstärkung unseres E-Commerce- Bereiches holen, unter anderem einen starken Geschäftsführer.
Welche Geschäftsbereiche soll dieser abdecken?
Wir brauchen einen zusätzlichen Geschäftsführer für Digital Commerce. Mein Ziel ist es, im Digital Commerce nächstes Jahr genauso aktiv zu werden, wie wir es jetzt bereits im digitalen Bewegtbild sind. Wir haben den Bereich des digitalen Bewegtbilds und der Pre-Roll-Angebote im abgelaufenen Jahr in Österreich in eine ganz neue Dimension gebracht. Das ist sogar im Europa-Vergleich beachtlich.
Sie haben im Oktober 20 Millionen Bruttoviews mit Onlinebewegtbild generiert und waren damit Nummer eins unter den Privatsendern. Ist damit der Plafond des Wachstums erreicht?
Nein – wir wollen diese Zahl mittelfristig sogar noch verdoppeln. Die digitale Bewegtbild-Werbung wird das große Geschäft der kommenden Jahre – und wir sind das erste Medienhaus in Österreich, das Bewegtbild- Werbung wirklich in großem Stil und bester Qualität anbietet. Das wird ein weltweiter Trend: Die Time- Magazingruppe in den USA hat gerade eine Videoabteilung aufgestellt mit 300 Journalisten, Vice macht es, die Huffington Post versucht es, sogar die New York Times steigt da groß ein. In Europa gibt es noch wenige Medienhäuser, die diesen Weg beschreiten, außer uns derzeit nur Expressen aus Schweden, auch in Kooperation mit CNN. Aber Blick war schon bei uns, auch Bild – die werden das sicher in Kürze starten. Alle versuchen, eine Art aktuelles 24-Stunden-News-Fernsehen aufzustellen. Du kannst digital ohne Bewegtbild weder im Content- Angebot noch im Werbeverkauf auf Dauer erfolgreich sein. Wir realisieren das als einer der Ersten in Europa – und das mit einem Gesamtbudget von weniger als fünf Millionen Euro.
Sie haben zum Senderstart von relativ geringen Kosten und Investments gesprochen. Wann werden Sie mit oe24.TV den Break- Even-Point erreichen?
Das Investment ist minimalst, die laufenden Kosten betragen fünf Millionen Euro. Das ist weniger als ein Zehntel vom kleinsten TV-Sender; aber wir haben unser News-TV bewusst als digitales Start-up aufgestellt. Das heißt: Sobald wir bei den Erlösen über diesen fünf Millionen Euro liegen, liegen wir in der Gewinnzone. Das ist sich im Startjahr noch nicht ganz ausgegangen – aber 2018 werden wir hoffentlich den Break-Even erreichen. Und das ist für so ein Vorhaben wirklich sehr, sehr beachtlich.
Wie viel Umsatz haben Sie mit oe24.TV heuer gemacht und wie gestaltet sich die Aufteilung zwischen linearen Erlösen und jenen aus Online-Bewegtbild?
Genau Hälfte-Hälfte – zwischen eineinhalb und zwei Millionen Euro Umsatz haben wir im ersten Jahr jeweils pro Sparte erzielt. Im klassischen TV sind wir mit dieser Summe natürlich noch ein ganz kleines Mäuschen, während wir damit bei Pre-Rolls wahrscheinlich schon die Nummer eins in Österreich sind. Und für 2018 ist sowohl die Nachfrage nach den Pre-Rolls, die praktisch ausgebucht sein werden, wie auch die Sympathie für unser lineares News-TV, das 2018 hoffentlich der führende Nachrichtensender im Kabel-TV sein wird, enorm. Wir rechnen mit einer Verdoppelung unserer Werbeumsätze bei oe24.TV.
Fehlt Ihnen hier Satellitenreichweite, um linear besser vermarkten zu können?
An dem arbeiten wir. Wir haben nach einem Jahr mit oe24.TV bereits 50 Prozent technische Reichweite – das ist für ein Start-up beachtlich, das haben in einem Jahr nur wenige geschafft. Die Kabelnetze erreichen wir bereits zu 90 Prozent. Um die Verbreitung über Satellit zu verbessern, musst du in die Geräte hineinkommen. Das ist schon nicht mehr so leicht.
Gibt es Deals, die da laufen – also etwa mit großen Herstellern wie Samsung?
Ja, selbstverständlich.
Aber auch andere Sender wollen weit vorne gereiht sein. Wie viel lassen Sie sich das kosten?
Relativ wenig, aber natürlich kostet es Geld. Wir bieten aber auch Gegenleistungen, die andere nicht haben: zum Beispiel Werbung in der Zeitung und Werbeflächen im Online-Angebot. Das ist unser Vorteil – dieses Cross- Media-Portfolio hat in Österreich ja noch keiner.
Stichwort Print: Der Zeitungsmarkt steht unter Druck, wie stark spüren Sie diesen?
Derzeit gar nicht – wir legen in Print deutlich zu: Laut Focus haben wir 2017 ein zweistelliges Printwachstum bei Österreich – das ist vermutlich weltweit ziemlich einzigartig.
Printspendings sinken, wieso profitieren Sie mit Österreich?
Österreich ist sehr stark vom Handel geprägt und dieser verkauft nach wie vor über Print am besten. Bei Saturn stehen Massen vor der Tür aufgrund einer Österreich-Titelseite. Werbung in Print wirkt. Dazu kommen das Wirtschaftswachstum und eine neue Kauffreudigkeit, die hoffentlich durch eine Steuerreform weiter angekurbelt wird. Wir haben bei den Spendings in den Sommermonaten Juli und August laut Focus bereits zur Kronen Zeitung aufgeschlossen – machen ständig neue Märkte auf: regionalen Verkauf, Pharma, Auto, jetzt bucht sogar der Online-Handel immer stärker in Print. Wir leben aktuell – entgegen allen Wetten und Vorhersagen – in einer sehr erfreulichen Print-Ära. Es hat aber, und das möchte ich schon kritisch anmerken, auch mit der Digital- Schwäche in Österreich zu tun.
Wo orten Sie die?
Dieses Land ist unglaublich digitalund innovationsfeindlich. Wo anders hast du ganz andere Rahmenbedingungen, um etwas Neues zu starten, in Österreich hilft dir niemand. Das ganze Rundherum ist Start-up-feindlich. Ich verstehe letztendlich alle Mediengeschäftsführer in Österreich, die lieber das Print-Geld nehmen, als sich um ein paar Digitalcents zu kümmern. Damit fehlt uns aber die digitale Innovationskraft und damit wird der Medienstandort Österreich irgendwann fürchterlich unter Druck kommen – und ich hoffe, dass die neue Regierung das versteht.
Was erwarten Sie sich denn von einer neuen Regierung, vermutlich unter einem Bundeskanzler Sebastian Kurz?
Ich glaube, dass Sebastian Kurz jemand ist, der wirklich weiß, wie die digitale Zukunft aussehen wird und was das Silicon Valley ist. Es verlangt ja niemand, dass bei uns ein Silicon Valley entsteht – aber es braucht eine Landschaft, die es möglich macht, digitale Unternehmen zu führen und zu starten. Dafür braucht es unter anderem Investmentkapital und Bedingungen für Banken, die eine Digital- Finanzierung möglich machen. In Österreich ist das derzeit nicht gegeben – da sind wir die Wüste Gobi.
Apropos Beteiligungen und Investments: Wie ist es um die kolportierte Call-Option mit Jahresende für einzelne Titel in der Verlagsgruppe News bestellt, an der Sie ja beteiligt sind? Hätten Sie Interesse, einzelne Magazine zu Ihnen in die Mediengruppe Österreich zu holen?
Ich bin dort Minderheitseigentümer, der mit seiner Finanzbeteiligung dem Ganzen erste Reihe fußfrei zuschaut. Wenn man will, gebe ich ein paar nette Ratschläge und gehe gerne zu jedem Jubiläum des News-Verlags, das mir leider immer zeigt, wie rasch die Zeit vergeht. Aber ansonsten habe ich mit dem News-Verlag derzeit wenig zu tun – diese Beteiligung verwaltet mein Bruder.