Dicke Luft zwischen ORF-Betriebsrat und Gesch...
 

Dicke Luft zwischen ORF-Betriebsrat und Geschäftsführung

Kündigungen als Plan B bei Scheitern der KV-Verhandlungen

Im Finanzausschuss des ORF-Stiftungsrates könnte am späten Montagnachmittag das Ende der Umzugsambitionen nach St. Marx eingeläutet werden. Dem Vernehmen nach könnte eine Empfehlung verabschiedet werden, die der ORF-Geschäftsführung nahelegt, von einem Neubau abzusehen und sich stattdessen auf die zwei Standorte Küniglberg und Argentinierstraße zu konzentrieren. Heißes Thema der laufenden Sitzung ist außerdem Plan B der Geschäftsführung in Sachen Einsparungen, der Ausgliederungen, ein Aussetzen der Lohnrunde und Personalabbau bis hin zu Kündigungen vorsieht. Der Zentralbetriebsrat sprach am Rande der Sitzung von einem "Drohbrief".

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hatte vor der Sitzung des Finanzausschusses zu einer Sitzung der erweiterten Geschäftsführung geladen, um über Sparmaßnahmen zu beraten, sollte der Zentralbetriebsrat sich weiter weigern, über Einsparungen im ORF-Kollektivvertrag zu verhandeln. Drei Minuten vor der Sitzung des Finanzausschusses hat Wrabetz den Betriebsrat über die Szenarien informiert, so Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser.

"War Plan A so etwas wie ein Diktat, ist Plan B nichts anderes als ein Drohbrief", so Moser empört. Demnach hat die Geschäftsführung erstmals betriebsbedingte Kündigungen in Aussicht gestellt, eine Nulllohnrunde, Auslagerungen sowie den Abbau von Leiharbeitskräften und freien Mitarbeitern. Wrabetz und der Kaufmännische Direktor Richard Grasl wollten sich vor Sitzungsbeginn auf APA-Anfrage dazu nicht äußern, sondern dies zunächst vor dem Finanzausschuss diskutieren. Diese Diskussion dürfte dem Vernehmen nach heftig ausgefallen sein. Während die Belegschaftsvertreter naturgemäß empört waren, sollen einzelne Stiftungsräte den Betriebsrat aufgefordert haben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Notwendig sind die Sparüberlegungen, nachdem dem ORF in der Bilanz 2012 etwa 15 Millionen Euro Einsparungen im Personalbereich fehlen. Diese muss der Sender laut Gesetz erbringen, um im Gegenzug die jährliche Gebührenrefundierung zu erhalten. Dem ORF stehen dieses Jahr grundsätzlich 30 Millionen Euro an Gebührenrefundierung zu. Kommt es aber zu keinen Einschnitten und dadurch zum Verlust der Refundierung, droht dem ORF dadurch in der Bilanz 2012 eine Lücke von 45 Millionen.

Auf der Tagesordnung stand außerdem der endgültige Jahresabschluss 2011. Hier konnten ORF-Generaldirektor Wrabetz und Finanzdirektor Grasl 9,1 Millionen Euro Gewinn (EGT) vermelden. Die ORF-Mutter war im Vorjahr laut Jahresbilanz in den schwarzen Zahlen und bilanzierte mit 3,8 Millionen Euro im Plus. In der vorläufigen Bilanz war das EGT noch mit 11,4 Millionen Euro und die Bilanz der ORF-Mutter mit 6,4 Millionen Euro plus angegeben. Die Verschiebungen erklären sich durch Rückstellungen für sogenannte Korridorpensionen.

Weiteres Thema der Sitzung ist der ORF-Standort. Die Arbeitsgruppe Immobilien dürfte ihren jüngsten Befund wiederholen, dass die durch die Geschäftsführung vorgelegten Berechnungen und Unterlagen in der Standortfrage weder schlüssig noch vergleichbar sind. Daran dürfte sich dem Vernehmen nach auch durch Wrabetz' Erläuterungen, die er Anfang letzter Woche im Vorfeld der Gremiensitzungen verschickt hatte, nichts geändert haben.

Vielmehr dürfte sich innerhalb des Finanzausschusses eine mehrheitsfähige Gruppe formieren, die St. Marx nun endgültig abdrehen und auch die von Wrabetz eingerufene Abkühlphase über den Sommer nicht abwarten will. Alternativ könnte sie dem ORF-Chef die Erarbeitung eines Konzepts auf Basis der bisherigen Standorte empfehlen. Sollte es am Montag zu so einer Empfehlung kommen, müsste darüber im Plenum am Donnerstag diskutiert werden. Für Wrabetz wäre eine solche Empfehlung des Stiftungsrats freilich nicht bindend, eine Mehrheit für St. Marx wäre damit aber auch so gut wie ausgeschlossen.

(APA)
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