Mit einer ernsten Mahnung von HORIZONT-Chefredakteur Jürgen Hofer und Social-Media-Geständnissen von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein haben am Mittwoch die Österreichischen Medientage 2019 begonnen. Auch in den weiteren Panels war getreu dem Event-Motto die "neue Medienrealität" das bestimmende Thema, von Insider-Kritk an Facebook über TV-Schlagabtäusche bis hin zur Frage der Unabhängigkeit von Journalismus selbst.
Das Motto der Medientage war offenbar genau auf dem Punkt gewählt, zog sich der Blick der unterschiedlichen Kommunikationsdisziplinen auf ihre persönliche "Stunde Null" doch durch alle Keynotes, Panels, Talks und Impulsreferate des ersten von zwei Tagen auf den Medientagen, beginnend bei der Eröffnungsrede von HORIZONT-Chefredakteur Jürgen Hofer, der zu einem "Call to Action" für die Medienbranche wurde. Medien und Kommunikatoren müssten sich zwar damit abfinden, dass nicht mehr nach ihren gut althergebrachten Regeln gespielt werde, so Hofer.
Umso mehr müssten Medien in ihrem Selbstverständnis jedoch an den neuen Regeln mitschreiben, so Hofer, und das nicht US-Digitalriesen überlassen. Denen spielt zumindest Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein nicht in die Hände, wie sie beim Talk mit HORIZONT-Herausgeberin Dagmar Lang bekannte: Sie nutzt weder Facebook noch Twitter, weiß aber über ihre Pressebetreuung freilich trotzdem über die Inhalte dort Bescheid und kritisierte dementsprechend überhand nehmende "Nachrichten", denen keine Recherche vorangehe.
Gekreuzte Klingen und Kooperation
Noch heftiger in seiner Kritik wurde Silicon-Valley-Mentor Roger McNamee in seiner Keynote, in der er meinte, Menschen würden zusehends zu "digitalen Voodoo-Puppen" von Facebook, Google und Amazon. Einen positiven Blick auf die Transformation der Medien an sich und seines eigenen Hauses im Speziellen warf hingegen P7S1-Vorstand Max Conze, der sein erstes Jahr im Job als "harte Arbeit, aber auch enormen Spaß" bilanzierte. Conze wie auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz nach ihm setzen vor allem auf ihre Streaming-Plattformen, um in der digitalen Disruption bestehen zu können. Wrabetz war auch Teil des folgenden TV-Gipfels, wo er vor allem mit P7S1P4-Geschäftsführer Markus Breitenecker mehrmals die Klingen kreuzte. Dennoch waren sich die anwesenden TV-Granden einig, dass sich nur per Kooperation gegen US-Digitalriesen ein Kraut gewachsen sei.
Der Auftakt des Programms auf der Stage One, und damit der Radiogipfel, zeigte, dass die Disruption kein Medium verschont lässt. Mit einigem Optimismus jedoch sieht die Branche in die Zukunft. Medienforscher Larry Rosin etwa sah in der Ankunft des Mobiltelefons einen, wenn auch unangenehmen, so doch letzlich heilsamen Faktor, der das Medium gezwungen habe, sich nach jahrelangem Stillstand weiterzuentwickeln.Als eine der besten dieser Entwicklungen pries nicht nur Wolfgang Struber (Verein Digitalradio Österreich) DAB+. Die vermarkterische Seite begreift digitale Möglichkeiten ebenso als Chance, Stichwort Personalisierung. Schließlich wurden auch noch die Verbreitungswege thematisiert, wo mit Podcasts ebenso ein "Disruptor" in den Fokus rückt.
Mit Qualität zur Generation Alpha
In der Grand Hall kam es unterdessen in der Gestalt von Lisa Totzauer (ORF), Corinna Milborn (Puls4) und Ferdinand Wegscheider (ServusTV) zu einem weiteren "Kräftemessen" zwischen öffentlich-rechtlich und privat, diesmal zum Thema Public Value. Neben erwartbaren Konfliktlinien stellte sich dabei vor allem auch heraus, dass die Beteiligten die Public-Value-Angebote der jeweiligen Konkurrenten ganz genau kennen - und zu einem Gutteil auch sehr schätzen: Einmal mehr mündete das in die Erkenntnis, dass Kooperation not täte.
Eine weitere Portion Optimismus gab es bei der Diskussion, wie Medien die "Generation Alpha", also Menschen, die jetzt noch die Volkschulbank drücken, dereinst am besten erreichen wird. Das zweigeteilte Urteil: einerseits Sorge um die Medienkompetenz, andererseits die Zuversicht, dass gerade diese Generation - bereits an eine Flut von "Junk" gewöhnt - qualitätsvollen Content vielleicht sogar besser erkennen werde als andere vor ihr. An der Bereitstellung von qualitätsvollem Content sollte es aus journalistischer Sicht nicht scheitern, war sich kurz darauf eine hochkarätige Journalistenrunde einig, wenn auch mit harscher Kritik an den Ausbildungsformen - und wachsendem Druck der Verleger auf ihre Belegschaften. Abgeschlossen wurde der Tag in der Grand Hall mit einem Panel zu Macht, Kontrolle und Netzwerken - in dem die beteiligten Wirtschaftstreibenden zu Räumen für den Austausch abseits der großen Öffentlichkeit standen, und Vertrauensverlust vielmehr als von den Medien getrieben ansahen.
Gekommen, um digital zu bleiben
Um's Geldverdienen im digitalen Raum ging es unterdessen auf der Stage One, wo der Schulterschluss im digitalen Raum geübt wurde, namentlich zwischen dem iab austria und den Schwesterverbänden im D-A-CH-Raum. Einhellig wurde dabei Kritik an der Digitalsteuer in ihrer zuletzt in Österreich beschlossenen Form geübt. Äußerst kritisch gegenüber Big Data äußerte sich hingegen das Panel zur Marktforschung im Umbruch - relative Einigkeit bestand dahingehend, dass der Umbruch auch in "soft skills" statt Datenhörigkeit bestehen müsse.Einen das Thema der Medientage spiegelnde Erkenntnis fanden schließlich die Teilnehmer am Panel zu Programmatic Advertising: Das digitale Geschäft sei gekommen, um zu bleiben - weshalb man das Bestmögliche herausholen sollte.