,Das beste Rezept für die Zukunft ist Leidens...
 

,Das beste Rezept für die Zukunft ist Leidenschaft‘

Anett Hanck, Chief Sales Officer der Verlagsgruppe News, im Interview

Der Medien-Zukunftspreis ist eine Initiative des Manstein Verlages. Begleitet wird sie vom Zukunftsforum, dessen Teilnehmer in dieser Interviewserie zu Zukunftsthemen der Branche zu Wort kommen.

HORIZONT: Die Medienwelt ist einem tief greifenden Wandel unterworfen. Was brauchen Medienmacher heute mehr denn je, um auch in Zukunft ­erfolgreich zu sein?

Anett Hanck: Das beste Rezept für eine gute Zukunft der Medien ist verlegerische und journalistische Leidenschaft. Ein Medienmacher muss dafür sorgen, dass seine journalistischen Produkte unverwechselbar sind. Das Unverwechselbare sind unter anderem die Qualitätsstandards. Qualität kann eine möglichst hohe Befriedigung der Kundenbedürfnisse sein. Das Ziel von Medienmachern muss professioneller, erstklassiger Journalismus sein, der dann über alle möglichen Plattformen verbreitet wird. Dazu gehören natürlich dann auch unterschiedliche Geschäftsmodelle, für die man heute offen sein muss. Medienmacher müssen sich ­zudem bewusst sein, dass Entscheidungen von Werbetreibenden verstärkt auf internationaler Ebene getroffen ­werden. Auch Entwicklungen des Verhaltens von Mediennutzern, ihren Neigungen und Vorlieben sowie neue ­Angebote seitens der Medienproduzenten ­machen vor nationalen Grenzen nicht halt. Medienmacher brauchen daher einen Blick über den Tellerrand hinaus, um zu definieren, was sie ­Unverwechselbares bieten können.

HORIZONT: Und wie lautet hier Ihr persönlicher Befund? Ist davon ausreichend vorhanden?

Hanck: Eindeutig ja. Auch wenn es auf der ganzen Welt keine andere Branche gibt, die sich so beharrlich selbst ins Grab jammert wie die Printmedien. Der Hunger der Bevölkerung nach Qualitätsjournalismus bleibt groß. Wir sollten selbstbewusster in die Zukunft blicken. Es gibt derzeit so viele Relaunches, neue App-Angebote; neue digitale Produkte werden überall forciert. Die Branche ist in Bewegung und innovationsfreudig. Noch nie hatten Medien ein größeres Publikum als nach der digitalen Revolution. Und das ­Magazin, gedruckt und digital, ist als Premium-Objekt dieses Journalismus Teil der großen Zukunft, die Medien haben. Ich glaube auch daran, dass die Paid-Content-Strategien dabei helfen, diese Zukunft zu sichern.

HORIZONT: Innovation wird oft nur als Optimierung des Althergebrachten missverstanden. Wie definieren Sie persönlich Innovation, insbesondere bei Medien?

Hanck: Die Herausforderung besteht darin, den Paradigmenwechsel – das neue Zusammenspiel von Print und Online – gut zu bewältigen. Derzeit ist hier noch viel in Bewegung. Aber wir müssen, dürfen und können den Markt selbst neu definieren –  gemeinsam mit anderen Medienhäusern. Innovation bedeutet auch, ständig daran zu arbeiten, einen unverzichtbaren Nutzen für den Medienkonsumenten zu erzeugen. Davon ausgehend müssen auch differenzierte Geschäftsmodelle entwickelt werden. Uniformität ist sowohl inhaltlich als auch als Geschäftsmodell ungeeignet.

HORIZONT: Innovation braucht auch Raum zur Entwicklung – für welche ­regulatorischen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Initiativen plädieren Sie im Sinne der Medienzukunft?

Hanck: Generell bin ich keine große Freundin davon, bei allen Schwierigkeiten gleich nach neuen Gesetzen zu rufen. Aber: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erhält mehr als 90 Prozent der Medienförderung, während sich alle anderen Medien zusammen mit den restlichen paar Prozent begnügen müssen. Das müsste ausbalanciert werden. Der nächste Schritt wäre eine Entkoppelung von institutionellen Anknüpfungen hin zu entsprechenden inhaltlichen Kriterien, also der Förderung von Inhalten und Formaten, die dem demokratischen Gefüge dienen. Die Presseförderung sollte insbesondere für den Qualitätsjournalismus im Web ausgebaut werden. Das Internet prägt die Medienwelt so stark, dass man regulatorische Maßnahmen braucht, die eine Wettbewerbsgleichheit zwischen den internationalen Giganten und den heimischen Verlegern herstellen. 

HORIZONT: Die Zukunft der Medien hängt sehr stark auch vom kreativen Nachwuchs ab. Wie kann es Medien­unternehmen gelingen, kreatives Talent für sich zu begeistern?

Hanck: Um den Nachwuchs müssen wir uns keine Sorgen machen. Nach wie vor zeigen auch die Zahlen der ­Absolventen von entsprechenden Studien, Fachhochschulen, Akademien, dass viele junge Menschen ins Mediengeschäft einsteigen wollen. Was diese Jungen anzieht, ist in erster Linie genau die Kreativität, die für die verschiedenen Positionen in Medienunternehmen Voraussetzung ist. Es stimmt, dass Kreativität, die ich hier in einem Atemzug mit Qualität nennen möchte, die Existenzgrundlage von Kaufzeitungen und -magazinen ist. Damit grenzen wir uns von der Konkurrenz klar ab.

HORIZONT: Im Gefüge aus Auftraggeber, Agentur und Medium geht es vielfach nur mehr um die günstigsten Konditionen. Wie lassen sich qualitative Gesichtspunkte in der Mediaplanung in den Fokus rücken?

Hanck: Jedes Medium zieht ganz unterschiedliche Nutzer an. Diese Nutzer sind die Zielgruppen im Marketing und dort das wichtigste Steuerungsinstrument. Jede Marke sucht ihre individuelle Zielgruppe, um geeignete Konsumenten anzulocken. Das heißt, dass auch die Entscheider an den einzelnen Medien und ihren wertvollen Zielgruppen nicht vorbeikommen. Was die Mediennutzung betrifft, so übertrifft etwa die Kontaktdauer bei einem Printmagazin jene des Onlineangebots bei Weitem. Printmedien haben laut Studien auch einen deutlich höheren Einfluss auf Markenbildung und Kaufentscheidung. Das alles sind Argumente, denen man auch und gerade aus Kostensicht nicht ausweichen kann. Denn was nützt die billigste Kampagne, wenn die Wirkung ausbleibt?

HORIZONT: Welche internationalen Medienunternehmen und/oder -projekte sind für Sie persönlich zukunftweisend?

Hanck: Das Geschäftsmodell „wir kreieren einen Nutzen für den Medienkonsumenten“ haben die Financial Times und das Wall Street Journal sehr gut gemacht. Die Zeit feiert derzeit einen beispiellosen Erfolg, wie wir alle mehr oder weniger erstaunt registrieren. Da der Wechsel von Print nach ­Digital wirtschaftlich schwer möglich ist – gerade eben kehrte Newsweek wieder zur Printausgabe zurück –, sollten wir einerseits um das alte Geschäftsmodell kämpfen und gleichzeitig ein neues, vom alten getrenntes Geschäftsmodell erschließen.

HORIZONT: Welchen Beitrag kann eine Initiative wie der Medien-­Zukunftspreis tatsächlich für die gesamte Branche leisten?

Hanck: Der Medienzukunftspreis kann ein Motor sein, um die Entwicklungen des Medienbusiness voranzutreiben. Er kann dazu beitragen, positive Projekte vor den Vorhang zu holen, Vorbildern eine Plattform geben – seien es Produkte, Geschäftsmodelle, Unternehmen … Wer etwas geleistet hat, das in die Zukunft weist und für uns alle Leitbild sein kann oder Ansporn, etwas noch Besseres zu entwickeln, oder uns Mut macht, der verdient Beachtung. Es gibt tolle, ideenreiche, kreative Menschen im Mediengeschäft, deren Begeisterung für neue Modelle und ein neues Denken für viele Beispiel sein kann. Was nicht vorwärts gehen kann, schreitet zurück, hat schon Goethe gewarnt.

HORIZONT: Wie definieren Sie die Zukunftsvision für die Verlagsgruppe News und ihre Medien?

Hanck: Ich bin Printmensch und überzeugt, dass Print große Zukunft hat. Dennoch stellen wir uns in Zukunft so auf, dass wir die verschiedensten Medienkanäle tatsächlich vernetzen können. Dass bei den Medientagen das Internet „Totengräber des Print“ genannt wird, ist völlig verfehlt. Das Netz nimmt Print eine Aufgabe ab: das rasche Melden von Ereignissen. Aber Schnelligkeit ist nicht alles. Print, vor allem Magazine, und Internet sind wunderbare Ergänzungen. Die Stärken von Magazinen sind Analyse und Einordnung. Wo das Internet sich um die schnelle, aber oft reine Informationsvermittlung kümmert, können sich Magazine auf anderes konzentrieren – auf Hintergrund, Kommentierung, Sprachkraft, Tiefgang. Wenn ein Medium das gut hinbekommt, wird es – ob digital oder gedruckt – immer genügend Leser haben. Wir kennen die Lehre aus jeder mediengeschichtlichen Revolution: Kein neues Medium hat je die alten Medien verdrängt. Es kommt zu Koexistenzen.

Die gesamte HORIZONT-Interviewserie mit Mitgliedern des Zukunftsforums finden Sie hier - sie wird laufend erweitert.
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