Blatt nimmt Forderung nach Freilassung von Mitarbeiter zurück - Chen hatte über Wirtschaftskriminalität in Maschinenbaufirma berichtet - Rüge von Journalistenverband
Eine chinesische Tageszeitung hat einen Tag, nachdem sie auf ihrer Titelseite die Freilassung eines inhaftierten Journalisten forderte, an gleicher Stelle um Entschuldigung gebeten. In ihrer Sonntagsausgabe kündigte die Zeitung "New Express" aus der südlichen Stadt Guangzhou "ernsthafte Korrekturen" an. Der Mitarbeiter des Blatts, Chen Yongzhou, hatte sich zuvor in Gefängniskleidung im staatlichen Fernsehen für Artikel über angebliche Wirtschaftskriminalität entschuldigt.
"Diese Zeitung war nicht gründlich genug bei der Faktenüberprüfung", schrieb "New Express" in einer kleinen Stellungnahme auf der ersten Seite. Nach der Festnahme Chens habe das Blatt mit "unangemessenen Maßnahmen das öffentliche Vertrauen in die Medien ernsthaft verletzt", hieß es weiter. In einer für China äußerst seltenen Provokation hatte "New Express" sich am Samstag noch voll hinter den Journalisten gestellt und den Wahrheitsgehalt von Chens Artikeln betont. Die Titelzeile lautete "Lasst unseren Mann frei".
Chen war vor einer Woche festgenommen worden, nachdem er 15 kritische Artikel über den Maschinenbaugiganten Zoomlion veröffentlicht hatte. Darin berichtete er über "finanzielle Probleme" und betrügerische Buchführung bei dem teilstaatlichen Unternehmen. Am Samstag nahm Chen im staatlichen Fernsehsender CCTV seine Vorwürfe zurück. Er sei bereit, seine "Schuld zu bekennen" und sich zu "entschuldigen", sagte der Journalist. Er habe die kritischen Artikel geschrieben, weil er von "Geld und Ruhm" geträumt habe.
Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, räumte Chen ein, dass seine Artikel "unbelegt und falsch" gewesen seien. Laut Xinhua schrieb er die Artikel "auf Wunsch anderer". Das Material sei ihm teilweise zugespielt worden, manche seiner Behauptungen habe er auch einfach erfunden. Einzelheiten zu möglichen Auftraggebern Chens nannte Xinhua nicht. Der chinesische Journalistenverband kritisierte in einer Mitteilung vom Samstag Chens Verhalten und warf dessen Zeitung vor, "ihre Pflichten ernsthaft vernachlässigt" zu haben.
Zoomlion ist zu etwa einem Fünftel in staatlichem Besitz und einer der größten Steuerzahler der Stadt Changsha in der Provinz Huan. Das an den Börsen von Hongkong und Shenzen notierte Unternehmen ist etwa 5,8 Milliarden Euro wert. Das Unternehmen wies alle Vorwürfe Chens stets zurück.
(APA/AFP)