,Blick auf das Übermorgen‘
 

,Blick auf das Übermorgen‘

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Anita Zielina, stv. Chefredakteurin des "stern", im Interview

Der Medien-Zukunftspreis ist eine Initiative des Manstein Verlages. Begleitet wird sie vom Zukunftsforum, dessen Teilnehmer in dieser Interviewserie zu Zukunftsthemen der Branche zu Wort kommen.

HORIZONT: Die Medienwelt ist einem tief greifenden Wandel unterworfen. Was brauchen Medienmacher heute mehr denn je, um auch in Zukunft ­erfolgreich zu sein?


Anita Zielina: Mut, Neues auszuprobieren – keine Innovation entsteht ohne Fehlschläge. Keine Angst vor Kontrollverlust. Kreativität zuzulassen, bedeutet auch, sich nicht überall hie­rarchisch durchsetzen zu wollen. Ein gesundes Verhältnis zu Veränderung – der rasante Wandel, in dem sich die Branche befindet, ist eine Konstante, an die wir uns gewöhnen sollten.


HORIZONT: Und wie lautet hier Ihr persönlicher Befund? Ist davon ausreichend vorhanden?


Zielina: Das kann ich weder pauschal verneinen noch bejahen. Was man konstatieren kann: Viele Medienunternehmen und -unternehmer stecken mittendrin in diesem, auch persönlichen, Veränderungsprozess. Wer ihn meistert, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.


HORIZONT: Innovation wird oft nur als Optimierung des Althergebrachten missverstanden. Wie definieren Sie persönlich Innovation, insbesondere bei Medien?


Zielina: Es ist eine sehr europäische Definition von Innovation, die im Medienbereich gelebt wird: Eine Verbesserung des Heute mit einer kurz- bis mittelfristigen Perspektive. Das unterscheidet uns stark von der amerikanischen Definition von ,Disruptive Innovation‘: Hier geht es eben genau nicht um die Veränderung im engen Rahmen des heute möglichen, pro­fitablen, erfolgreichen Modells, sondern um den Blick auf das Über­morgen, das vielleicht ganz anders funktioniert. Beide Innovationsdefinitionen sind wichtig – die erste, um konstante Produktinnovation voranzutreiben, die andere, um nicht das Schicksal von Nokia oder anderen zu erleiden, die zu sehr im eigenen Saft geköchelt haben.


HORIZONT: Die Zukunft der Medien hängt sehr stark auch vom kreativen Nachwuchs ab. Wie kann es Medienunternehmen gelingen, kreatives Talent für sich zu begeistern?


Zielina: Kreatives Talent will, wie der Begriff schon sagt, kreativ arbeiten. Redaktionen und Medienunternehmen sind aber oft sehr hierarchisch und konservativ geprägte Gefüge, in denen Kreativität und Experimente nur wenig Platz haben. Das gilt es zu ändern, wenn man junge Talente begeistern und halten will.


HORIZONT: Im Gefüge aus Auftraggeber, Agentur und Medium geht es vielfach nur mehr um die günstigsten Konditionen. Wie lassen sich qualitative Gesichtspunkte in der Mediaplanung in den Fokus rücken?


Zielina: Der Wettbewerbsvorteil von großen, etablierten Medienmarken wie dem stern liegt in der Marke, die über Jahrzehnte Vertrauen aufbauen konnte. Neben quantitativen Kennzahlen zählen also vor allem auch qualitative. Ein Wert, den Medien noch stärker als bisher in den Mittelpunkt rücken müssen.


HORIZONT: Welche internationalen Medienunternehmen und/oder -projekte sind für Sie persönlich zukunftweisend?


Zielina: Da gibt es ganz unterschiedliche Zugänge und Projekte, aber um nur einige zu nennen: Intelligente TV-Information mit Humor: „The Daily Show“. Erklärjournalismus: Vox. Mobile Berichterstattung: Circa. Fokussierte ­Markenbildung: Vice. Crowdsourcing/Crowdfunding: De Correspondent.


HORIZONT: Welchen Beitrag kann eine Initiative wie der Medien-Zukunftspreis tatsächlich für die gesamte Branche leisten?


Zielina: Ein Gesprächsforum sein, um Innovation in den Kern der Medien­debatte zu rücken und über das leidige Jammern endlich hinwegzukommen.


HORIZONT: Wie definieren Sie die ­Zukunftsvision für den stern?


Zielina: Der stern ist die intelligente ­Unterhaltungsmarke der deutschen Medienlandschaft, hoher Qualität verpflichtet, bildstark und Bewegtbild-stark, mit einem hohen Grad an Empathie und Einfühlungsvermögen, nah dran am Leser und User. Diese Vision gilt es jetzt im Digitalen neu zu erfinden.

Die gesamte HORIZONT-Interviewserie mit Mitgliedern des Zukunftsforums finden Sie hier - sie wird laufend erweitert.



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