Vorwurf: Da Wrabetz' Wahl auf einen anderen Kandidaten fiel als jene der Radio-Redakteure, hätte er laut Statut vor seiner Personalentscheidung den Redakteursrat anhören müssen
Der ORF-Redakteursrat geht nach der Bestellung von Rupert Kluger zum Radio-Wirtschaftschef auf Konfrontationskurs mit der Unternehmensspitze. Vorsitzender Dieter Bornemann wirft Generaldirektor Alexander Wrabetz vor, das Redakteursstatut verletzt zu haben. Der Redakteursrat beruft daher ein Schiedsgericht ein, kündigte er an.
Der Vorwurf: Da Wrabetz' Wahl auf einen anderen Kandidaten fiel als jene der Radio-Redakteure, hätte er laut Statut vor seiner Personalentscheidung den Redakteursrat anhören müssen. "Nicht einmal dieses minimale Anhörungsrecht der Redakteursvertretung hat der Generaldirektor gewahrt und dadurch einen wissentlichen Bruch des Redakteursstatuts verursacht", kritisiert Bornemann.
Die Belegschaft hatte für Christian Williwald votiert, zum Zug kam Ö3-"Wecker"-CvD Kluger (HORIZONT online
berichtete). "Ausgerechnet der einzige von insgesamt acht Bewerbern, der in den vergangenen Jahren der Wirtschaftskrise keine einzige Wirtschaftsgeschichte gemacht hat - das stinkt gewaltig", meint der Redakteursvertreter. Er vermisst überdies einen Vorschlag von Radiodirektor Karl Amon. Dass der ORF-Chef ohne einen solchen entscheide, sei "extrem ungewöhnlich".
"Misstrauensantrag" gegen WrabetzDas Schiedsgericht werde überhaupt zum ersten Mal seit Bestehen des Statuts aus dem Jahr 1976 einberufen und komme einem "Misstrauensantrag" gegen den ORF-Chef gleich, hält Bornemann fest. Wrabetz sei nun aufgefordert worden, einen Vertreter zu nominieren. Dieser muss sich gemeinsam mit dem Vertreter der Redakteure dann binnen einer Woche auf einen Obmann des Schiedsgerichts einigen, der von einer rechtskundigen Person außerhalb des ORF gestellt wird. Die Redakteure schicken voraussichtlich Fritz Wendl in das dreiköpfige Gremium. Sollte das Schiedsgericht feststellen, dass eine Statut-Verletzung vorliegt, werde man sich weitere Schritte, allenfalls bei den zuständigen Aufsichtsbehörden (angefangen mit der Medienbehörde KommAustria), überlegen.
Die Redakteure vermuten hinter der Entscheidung des ORF-Generals massiven Druck vor allem aus der ÖVP, dem dieser allzu häufig und willfährig nachgebe. Immerhin steht im August 2016 die nächste ORF-Wahl an. "Offenbar ist der politische Druck auf den Generaldirektor ein Jahr vor seiner möglichen Wiederwahl so groß, dass er sogar die minimalsten Rechte der Redaktionen ignoriert." In der Belegschaft gebe es denn auch die Befürchtung, dass "er das Megaprojekt multimedialer Newsroom gleichzeitig für einen personellen Umbau nutzt und den politischen Parteien für seine Wiederwahl mit einem Personalpaket entgegenkommt."