Bertelsmann übernimmt G+J komplett
 

Bertelsmann übernimmt G+J komplett

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Deutsche Fachpresse diskutiert die Zukunft des angeschlagenen Verlagshauses - weitere Sparprogramme werden ausgeschlossen, Kaufpreis wird auf dreistellige Millionensumme geschätzt

Bertelsmann gab am Montag, 6. Oktober, bekannt, seine Beteiligung an Gruner + Jahr (G+J) auf 100 Prozent aufzustocken. Europas größter Medienkonzern erwirbt dazu den von der Jahr Holding gehaltenen Anteil von 25,1 Prozent. Über die Höhe des Kaufpreises wurde Stillschweigen vereinbart. Die Übernahme der Restanteile an G+J (das Verlagshaus hält in Österreich an der Verlagsgruppe News die Mehrheit) wird laut Aussendung zum 1. November 2014 wirksam. Die Familie Jahr ziehe sich zurück und bleibe dem Unternehmen „emotional verbunden“, teilte man mit.

Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann, dazu: „Die vollständige Übernahme von Gruner + Jahr ist ein strategischer Meilenstein zur Stärkung unserer Kerngeschäfte. Gruner + Jahr gehört seit Jahrzehnten mehrheitlich zu Bertelsmann und ist ein wichtiger Bestandteil unserer Inhaltegeschäfte. Wir unterstützen die vom Gruner + Jahr-Vorstand auf den Weg gebrachte Transformation von Gruner + Jahr uneingeschränkt und werden auch in Zukunft die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen.“

Bertelsmann möchte mit der Übernahme seine kreativen Inhaltegeschäfte stärken. Der Konzern hält 75 Prozent an der RTL Group, ist Mehrheitseigentümer von Penguin Random House und ist Alleineigentümer des Musikverlags BMG. Thomas Rabe hierzu: „Diesen klaren Bekenntnissen zu den Bereichen Fernsehen, Buch und Musik folgt nun ein weiteres klares Bekenntnis zum Journalismus. Bertelsmann ist das Unternehmen mit dem weltweit vielfältigsten Angebot an solchen Inhalten. Gruner + Jahr wird dabei eine noch wichtigere Rolle spielen.“

Die Gesellschafter von Gruner + Jahr seien gemeinsam der Überzeugung, dass die Zukunft des Unternehmens in der digitalen Welt große Chancen biete. G+J könne künftig noch schneller auf digitale Marktveränderungen reagieren, Abstimmungsprozesse werden vereinfacht, die Zusammenarbeit mit anderen Bertelsmann-Unternehmen könne ausgebaut sowie Wissen und Ressourcen genutzt werden.

Einschätzungen der deutschen Fachpresse:

Was die Zukunft für G+J bereithält, wird von der deutschen Fachpresse bereits diskutiert. Meedia.de meldet, Bertelsmann habe nicht vor, G+J ganz oder in Teilen zu verkaufen, während Turi2.de das sehr wohl für möglich hält: „Der Weg zu einem (Teil-)Verkauf von Gruner + Jahr ist somit frei – auch wenn dieser selbstverständlich zunächst einmal dementiert wird“, schreibt der Online-Mediendienst. Strategien und Köpfe würden sich dieser Tage beim "verunsicherten" Medienriesen Bertelsmann schnell ändern.

Beide Portale schätzen den Kaufpreis auf eine hohe dreistellige Millionensumme, Horizont.net beruft sich auf Insider-Schätzungen, die von einem niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbereich ausgehen.

Meedia.de geht nicht davon aus, dass der eingeschlagene Sparkurs von G+J weiter verschärft wird, für möglich halte man aber eine Veränderung des Standorts (aktuell in Baumwall in Hamburg), was eine Verkleinerung zur Folge hätte sowie eine Änderung der Rechtsform von einer AG zu einer GmbH. Demnach betonte Rabe immer wieder, dass ihm eine „schlanke, einfache Governance-Struktur“ für G+J vorschwebt. Die Umwandlung der Rechtsform hält auch Horizont.net für gut möglich. Dem Branchenportal zufolge kann Bertelsmann neben Verbundeffekten mit seinen übrigen Sparten ohne umständliche Abstimmungs- und Bewertungsprozeße mit der Jahr-Holding auch auf Kostenersparnisse und –synergien hoffen, „durch einfachere Prozesse, aber auch durch weitere Zentralisierungen vor allem in den Bereichen Einkauf, IT, sowie Finanz- und Personalwesen.“

Auch Horizont.net glaubt, dass weitere Sparprogramme nicht zur Debatte stehen, schließlich wurde bereits im August bekannt gegeben, dass G+J angesichts rückläufiger Marktentwicklungen im Printgeschäft in den nächsten drei Jahren rund 400 Arbeitsplätze streicht und so 75 Millionen Euro einsparen will.
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