ATVsmart will mit kostenlosen, österreichischen Inhalten punkten. Zum Start sei man ausgebucht, rein über Werbeerlöse lässt sich der VoD-Dienst aber nicht finanzieren.
2016 ist das Jahr der Sendergründungen: nach 4News und oe24.TV folgt jetzt ATVsmart. "ATVsmart ist das erste österreichische Netflix ohne Bezahlung", kündigte Geschäftsführer Martin Gastinger an. Warum der Sender die Werbevermarktung für das richtige Businessmodell hält, wie man sich am dicht besetzten Streamingmarkt behaupten will und warum ATVsmart - trotz der Schlagzeilen um Verkaufspläne des Eigentümers in den letzten Wochen - gerade jetzt an den Start geht, erläutert Verkaufschefin Ina Bauer im Gespräch mit HORIZONT.
2014 kam die erste Ankündigung, jetzt ist es so weit: Heute geht ATVsmart an den Start. Bei ATVsmart handelt es sich um keinen linearen TV-Sender, sondern um eine kostenlose Video-On-Demand-Plattform. Zum Start sind knapp 2.000 Folgen von über 100 Formaten in über 30 Kategorien abrufbar. Auf ATVsmart sind nicht nur Produktionen aus der Vergangenheit, sondern auch alle aktuellen nach der linearen Ausstrahlung zu finden. "Mit ATV und ATV2 sind wir im linearen Bereich gut aufgestellt. ATVsmart ist neben unserer Mediathek atv.at eine weitere Ergänzung, um die unterschiedlichen Nutzungsinteressen unserer Zuseher, wie den zeit- und ortsunabhängigen Medienkonsum, zu bedienen", sagt Bauer.
Mit ATVsmart drängt der Sender in ein Marktsegment, das mit beispielsweise Netflix, maxdome, Flimmit und Sky Ticket bereits gut besetzt ist. Wie will man sich da durchsetzen? "Der erste USP ist unser österreichischer Content, der im Unterschied zu anderen VoD-Plattformen keine austauschbare Lizenzware darstellt, die man überall findet. Die Inhalte werden zeitlich unbeschränkt angeboten, wir stellen alles zur Verfügung, was nachgefragt wird und beliebt ist. Der zweite USP ist, dass unsere VoD-Plattform kostenlos ist und sich ausschließlich über Werbung finanziert", so Bauer. Dass man mit der Werbevermarktung das richtige Businessmodell gefunden hat, davon ist man bei ATV überzeugt. Das Angebot werde Gastinger zufolge deswegen kostenlos gehalten, weil er nicht glaube, dass Paygates funktionieren würden. Dem schließt sich Bauer an: "Ich bin der Meinung, dass Österreich ein zu kleines Land für eine Bezahlschranke ist." Bauer beruft sich dabei auf den im Juni vom Internet Advertising Bureau Austria veröffentlichten Trendmonitor. Diesem zufolge würden sich 79 Prozent im Zweifel für kostenlose über Werbung finanzierte Inhalte entscheiden. Wobei auch festzuhalten ist: Die Akzeptanz von Paid Content ist hierzulande zwar tatsächlich noch niedrig, aber am Steigen. Am ehesten geben Nutzer im Web Geld für Filme, Musik und Spiele aus.
Von Pre-Rolls bis SponsoringsPre-Rolls, Opener-Spots, Display-Ads, Contentmarketing mit eigenen Videokategorien, Kategoriensponsoring und Sponsorlogos auf Formatseiten - das sind die Werbeformen, aus denen ATVsmart Einnahmen lukrieren soll. Die Konkurrenz am Markt spüre man nicht - und das obwohl oe24.TV am 26. September, also einen Monat zuvor, an den Start gegangen ist. "Auf atv.at sind wir durchgehend zu 95 Prozent ausgebucht und deswegen bin ich froh, dass wir mit ATVsmart unser Bewegtbildinventar vergrößern können", sagt Bauer. Am Anfang habe man sich bewusst dafür entschieden, auf ATVsmart nicht alle Werbepositionen zu belegen - einerseits weil man mit den einzelnen Werbeformen sehr reduziert und gezielt umgehen wolle, andererseits weil der Fokus zuerst darauf liegen würde, den Launch gut über die Bühne zu bringen. "Sprich, wenn vor einem Video keine Werbung läuft, dann deswegen, weil dort keine Werbeposition belegt ist, und nicht, weil wir nicht gebucht sind. Alle offenen Werbepositionen sind auch ausgebucht", erklärt Bauer. Generell sei es nicht möglich, sich ausschließlich durch Onlinewerbung zu finanzieren. "Man muss ganz ehrlich sagen, dass jegliche Investition in Smart-TV-Dienste oder Apps eine Investition in die Zukunft ist, weil der Aufbau und Betrieb dieser kostspielig ist. Das heißt, es müssen jetzt erst einmal Investitionen getätigt werden, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt refinanzieren werden." Aktuell macht das Digitalgeschäft einen einstelligen Prozentwert des Gesamtumsatzes aus.
Buchungen über gesamte GruppeVermarktet wird die Sendergruppe von Goldbach Austria, die die Werbebuchungen "Run Over Network" abwickelt. "Das heißt, Kunden, die bei uns online 'Run Over Network' buchen, werden mit ihren Spots auch auf ATVsmart zu sehen sein." Neukunden wolle man erst in einem nächsten Schritt ansprechen. Derzeit ist ATVsmart über Kabel, Satellit und Antenne empfangbar. Um die VoD-Plattform auch am Fernseher nützen zu können, benötigt man ein mit dem Internet verbundenes HbbTV-fähiges Gerät. Durch HbbTV-fähige Geräte sollen künftig weitere Vermarktungsmöglichkeiten erschlossen werden, wie beispielsweise das Branding des Red Buttons und Möglichkeiten im Bereich des Targetings. "Mit HbbTV-fähigen Geräten haben wir plötzlich die Möglichkeiten der Onlinewerbung wie den Einsatz digitaler Aussteuerungs- und Targeting-Mechanismen. Zum Beispiel können wir zukünftig Werbung von Regionalkunden auch regionalisiert ausspielen", erklärt Bauer. Denkbar wäre auch, Werbung abhängig vom Wetter zu schalten. Die nächste Ausbaustufe von ATVsmart sieht bis Ende 2017 mobile Apps vor, bis dahin kann über mobile Browser zugegriffen werden. So sollen neue Vermarktungsmöglichkeiten erschlossen werden.
AGTT veröffentlicht VoD-ZahlenWarum die Sendergruppe trotz der negativen Schlagzeilen - Eigentümer Herbert Kloiber sprach von "meinem größten Fehler" und will ATV verkaufen - wie geplant mit ATVsmart an den Start gegangen ist, hat zwei Gründe: Erstens, weil die Reichweite von Smart-TVs weiter zunimmt. Zweitens, weil die Arbeitsgemeinschaft Teletest (AGTT) demnächst die Video-on-Demand-Zahlen der Mediatheken der AGTT-Sender erstmals veröffentlichen wird. Ab diesem Zeitpunkt wird es dann möglich sein, eine Gesamtquote, die die lineare sowie die nicht-lineare TV-Nutzung miteinbezieht, zu errechnen. "Für die Vermarktung ist das wichtig, damit wir auch die Reichweite entsprechend transparent kommunizieren können", so Bauer.
Wie viel das Projekt in Summe kostete, kommentierte Bauer nicht. "Was ich aber sagen kann, ist, dass wir bei allem, was wir machen, extrem kosteneffizient agieren - so auch bei diesem Großprojekt." Beispielsweise wurden keine neuen Leute dafür eingestellt. Die Konzeption von ATVsmart, die Webentwicklung sowie die technische Umsetzung der HbbTV-Plattform übernahm die Digitalagentur bitsfabrik. Für Video-Backend und Content-API zeichnet die Digitalagentur Exozet verantwortlich.