ARTE steht vor neuen Herausforderungen
 

ARTE steht vor neuen Herausforderungen

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20 Jahre nach Sendebeginn verschärft sich die Konkurrenz auf Äther und Web

Als der deutsch-französische Kulturkanal ARTE vor 20 Jahren erstmals auf Sendung ging, sprach sein damaliger Präsident Jerôme Clément euphorisch von einem "medienpolitischen Experiment". Ein Experiment, an dessen Zukunft beim Sendestart am 30. Mai 1992 nicht viele in der Branche glaubten, zumal es von Politikern ausgeheckt wurde: Frankreichs damaliger Präsident François Mitterrand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wollten dem deutsch-französischen Motor zu neuem Schwung verhelfen. Ziel war es nicht zuletzt, das Verständnis zwischen Deutschen und Franzosen zu verbessern. 20 Jahre nach Sendebeginn steht der Sender vor neuen Herausforderungen.

Ob das ursprüngliche Ziel erreicht wurde, bleibt dahingestellt. Immerhin müssen die Spötter von einst zugeben, dass ARTE sich mittlerweise einen Platz in der Medienlandschaft beider Länder erobert hat. Vom politischen Symbol für die Achse Berlin-Paris hat sich der Kulturkanal mit Sitz in Straßburg zum viel gelobten Qualitätssender gemausert - der sich trotz der durch Kabel- und Digital-Fernsehen stark gewachsenen Konkurrenz behaupten konnte. Allerdings nur in einer winzigen Nische: Der Marktanteil des Senders liegt in Deutschland nach wie vor unter einem Prozent, in Frankreich bei etwa 2,5 Prozent.

Und die Konkurrenz dürfte sich noch verschärfen, zumal sich immer mehr junge Leute vom klassischen Fernsehen abwenden. ARTE stehe vor einem "wichtigen Wendepunkt", meint denn auch die französische Präsidentin des Senders, Véronique Cayla. Um ein neues, breiteres und vor allem jüngeres Publikum zu gewinnen, müsse der Sender seine Präsenz in den neuen Medien verstärken und sein klassisches Fernsehangebot durch mehr Internet-Angebote ergänzen.

Bereits heute bietet ARTE+7 die Möglichkeit, Programme eine Woche lang im Web zu sehen. Neuland betrat der Sender auch mit eigens fürs Netz produzierten "Web-Doks" - etwa über das Alltagsleben im Gazastreifen oder mit der Dokumentation "Prison Valley" über ein abgelegenes Tal im US-Bundesstaat Colorado, wo die meisten der 36.000 Menschen in 13 Gefängnissen leben. Hier sei ARTE Vorreiter gewesen und dieser Vorsprung werde noch ausgebaut, versichert Cayla.

Stolz sind die Arte-Oberen auch über ihren Erfolg als Ko-Produzenten von Kino-Filmen. Dutzende Filme, die ARTE mitfinanziert hat, haben hohe Auszeichnungen erhalten - etwa "Das Leben der Anderen" den Oscar des besten fremdsprachigen Films oder "Dancer in the Dark" und "Underground" die Goldene Palme von Cannes.

Beim diesjährigen Filmfestival von Cannes waren gleich vier von Arte mitfinanzierte Filme im Rennen um die Goldene Palme, darunter "Paradies-Liebe" des Österreichers Ulrich Seidel. Mit der Förderung europäischer Filme wolle ARTE seinem "europäischen Auftrag" gerecht werden, betont Cayla. Überhaupt wolle der Sender in Zukunft noch "mehr Europa" wagen. Hier liege die "Zukunft des Senders".

Einige Mitarbeiter in der Straßburger ARTE-Zentrale sind allerdings weniger euphorisch. ARTE greife zwar viele europäische Themen auf, etwa mit Dokumentarfilmen. Die aktuelle Berichterstattung über die EU sei aber auf ein Mindestmaß beschränkt. "Der Sender hat nicht mal ein ständiges Büro in Brüssel", betont eine Journalistin. Damit verpasse ARTE eine Gelegenheit, um sich mit einer kritischen Europa-Berichterstattung von der Konkurrenz abzuheben.

Ganz allgemein gingen die Programmverantwortlichen nicht ausreichend auf die Reaktionen der Zuschauer ein, moniert ein ehemaliger langjähriger Mitarbeiter. Es fehle an innovativen Ideen, um ein breiteres Publikum anzulocken.

Ein Grund dafür ist sicherlich, dass sich der öffentliche Kulturkanal bisher kaum Sorge um seine Finanzierung machen muss - sein Jahresbudget von derzeit rund 425 Millionen Euro wird von Deutschland und Frankreich bereitgestellt. Im Gegensatz zu anderen Sendern ist ARTE damit auch nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen. "Unter solchen Voraussetzungen spielen die Einschaltquoten natürlich keine große Rolle", meint eine frühere ARTE-Journalistin.

(APA/AFP)
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