Langweilig konnte den Mitarbeitern von BBC World News im Gründungjahr nicht werden: Der Ausbruch des Irak-Kriegs, der Zusammenbruch der Sowjetunion und der Beginn des Balkan-Konfliktes hielten die Journalisten auf Trab. Am 11. März 1991 zunächst als halbstündige Nachrichtensendung gestartet, wurde World Service Television (WSTV) acht Monate später zum 24-Stunden-Nachrichtensender ausgebaut. 30 Jahre danach erreicht der Sender wöchentlich 112 Millionen Zuseher (BBC Global Audience Measure 2020). Eine Geburtstagsfeier gab es wegen der Pandemie keine, aber Liz Gibbons, seit Mai 2020 Nachrichtenchefin des Senders, verteilte Bäckereien unter den Mitarbeitern, wie sie dem HORIZONT erzählt: "Irgendwann wird es aber ein Party geben", ist sie zuversichtlicht.
Viele Journalisten seien noch im Home-Office, aber gerade für einen Nachrichtensender brauche es ein Minimum an Mitarbeitern, die gemeinsam im Gebäude sein müssten, um "on air zu bleiben". Im riesigen Newsroom ist es dennoch ruhiger als üblich. Redakteure müssen große Abstände zueinander halten und sind sogar mit einem Annäherungsmelder ausgestattet, der ein Signal abgibt, wenn man sich zu Nahe kommt.
30. Geburtstag von BBC World News
Die Nachrichtenzentrale mit Art-Deco-Fassade ist bis heute Vorbild für viele andere TV-Sender. 2013 zog man von bis dahin über die ganze Stadt verteilten Standorten von TV-, Radio- und Digital-Redaktionen ins frisch renovierte Broadcasting House im Herzen Londons zusammen. Aus Anlass des runden Geburtstages sprach Gibbons mit dem HORIZONT über multimediale Redakteure, warum der Sender aus China verbannt ist und Unparteilichkeit und Fairness im Journalismus.
HORIZONT: Der Sender BBC World News kann in rund 500 Millionen Haushalten in 200 Ländern weltweit empfangen werden, aber ausgerechnet in Großbritannien nicht.
Liz Gibbons: BBC World News ist ein mehrheitlich kommerziell finanzierter Sender und steht im Eigentum von Global News Ltd., dem kommerziellen Arm der BBC. In Großbritannien werden gebührenfinanzierte Programme gesendet. Allerdings ist ein Teil unseres Outputs auch auf dem Nachrichtensender in Großbritannien zu sehen. Zum Beispiel unsere Sendung „Outside Source“ wird sowohl auf BBC News in Großbritannien als auch auf dem weltweiten Sender BBC World News ausgestrahlt. Es gibt also Synergien und am Beginn der Pandemie haben wir unsere zwei getrennten Kanäle sogar zusammengelegt und sind erst schrittweise wieder zu getrennten Programmen zurückgekehrt.
Diese Teilung soll sich nun aber zumindest redaktionell verändern.
Ja, wir haben vor Kurzem bekannt gegeben, dass sich die Art der operativen Strukturen ändern wird. In Zukunft wird BBC World News redaktionell in den öffentlich-rechtlichen Teil der BBC wandern. Wir werden auf dem Sender weiterhin Werbung ausspielen und Vertriebserlöse von den Satellitenbetreibern, die den Sender aufgeschaltet haben, generieren. Das wird auch künftig Global News Limited, der kommerzielle Arm der BBC, betreiben. Die redaktionellen Strukturen werden allerdings von Global News Ltd. auf die öffentlich-rechtliche Seite verlagert. Das passiert in den kommenden Monaten. An den Details wird aber noch gearbeitet, weil es erst kürzlich bekannt gegeben wurde.
Auch in China ist der Sender nicht empfangbar, weil ihn die chinesische Regierung verbannt hat.
Kurz nachdem die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom die Lizenz des chinesischen Staatsfernsehens in Großbritannien nicht erneuert hat, haben die chinesischen Behörden unsere Lizenz, im Land zu senden, nicht erneuert. Aber man sollte auch erwähnen, dass die Verbreitung von BBC World News auf dem chinesischen Festland ohnehin stark eingeschränkt war. Unsere Berichte über China wurden in China regelmäßig blockiert. Natürlich sind wir enttäuscht, aber wir haben immer noch ein Team und ein Büro in China und berichten aus dem Land. Das wollen wir auch weiterhin tun.
Formal ist Digital von TV getrennt, sie sitzen aber in einem gemeinsamen Newsroom. Wie funktioniert die tägliche Zusammenarbeit?
Als wir mit den BBC-Nachrichten in unser neues Gebäude in London umgesiedelt sind, haben wir alle Teams von Radio, Online, TV in einem gemeinsamen Newsroom untergebracht. Digital ist zwar eine seperate Einheit, aber wir arbeiten unglaublich eng zusammen. Auch einige unserer Planungsfunktionen wurden zusammengeführt. Teile aus dem TV-Programm werden etwa zusammengeschnitten und auf der Webseite verwendet. Es gibt zwar die Ansicht, dass man Video-Nachrichtencontent für Digital anders gestaltet als für TV. Aber ich finde, es gibt aktuell ein interessantes Zusammenkommen von unterschiedlichen Stilen. Im Moment sind wir bei BBC World News sehr aufgeschlossen, Videos zu senden, die eigentlich vom Digitalteam gestaltet wurden. Wie darin Geschichten erzählt werden, unterscheidet sich oft von Videos, die für TV produziert wurden. Oft werden sie aus der Ich-Perspektive erzählt, manchmal gibt es keine Reporter-Stimme in den Geschichten, manchmal gibt es Text darin, weil digital viele Videos am Mobil-Telefon ohne Ton konsumiert werden. Aber wir übersetzen das Material oder übernehmen es umfassend und senden es auf dem Sender, weil wir glauben, dass unser Publikum erfahren genug ist, um zu verstehen, dass es unterschiedliche Arten des Storytellings gibt und sie an die Art des Storytellings im Digitalen ohnehin schon gewöhnt sind. Es gibt also eine große Menge an Überlappungen.