Bei den morgen startenden 'Österreichischen Medientagen' diskutiert die Programmdirektorin des ORF über die aktuellen Herausforderungen der Filmwirtschaft. Im Interview mit dem HORIZONT spricht sie über die Trends nach Corona, Netflix und den Wert guter Geschichten.
HORIZONT: Ist die 'Goldgräberstimmung' in der Filmbranche, bedingt durch die Zunahme an Streamingdiensten und die steigenden Nachfrage nach Content, auch in Österreich spürbar?
Kathrin Zechner: Bei den Produktionsfirmen und Kreativen vor allem, bei mir als Herausforderung und gespannte Aufmerksamkeit. Und: Es ist nicht alles Gold was glänzt.
Wie sehr geraten öffentlich-rechtliche Sender unter Druck – finanziell durch steigende Produktionskosten und weil Kreativkraft eben durch Streamer gebunden ist?
Die Frage enthält schon Teile der Antwort. Der Wettbewerb gegen unvorstellbare Budgetvolumina sowie Algorithmen statt kreativer Schreigestaltung ist das eine, das gezielte Abschöpfen des Rahms bei den Kreativen, Autorenschaft und Regie und den besten und populärsten Darstellerinnen und Darstellern ist das andere. Das ist so, und es macht keinen Sinn, den guten alten Tagen nachzutrauern, als der ORF der verlässliche Auftraggeber war und seinen wichtigen Anteil an der Entwicklung von Talenten hatte und hat sowie die Früchte dieser partnerschaftlichen Entwicklungsarbeit auch solitär ernten durfte. Wir sind gefordert. Und das ist gut so. Wir gehen ganz bewusst in starke, kreative, künstlerische Allianzen - eine (selbst)bewusste marktrelevante Ergänzung.
Regionaler versus globaler Content: Tatsächlich ein Widerspruch?
Das ist kein entweder oder. Ein gelungener österreichischer Landkrimi ist globales Programm. Im Dorf werden menschliche Probleme verhandelt. Deswegen kaufen oder koproduzieren die Deutschen, bei ARTE funktionieren die Filme auf französisch. Natürlich sind Themen wie "The Queen", "West Wing", "Freud" oder "Vienna Blood" per se internationaler, aber zuallererst: "A gute Gschicht ist a gute Gschicht!" – eine kreative AutorInnenschaft wertvoller als KI, aus meinem Schaffensverständnis sogar unersetzbar. Und eine authentische regionale Farbe erleichtert den Einstieg für unser Publikum wie es auch die Farbe des Schaffens in Sprache, Bildern und Gesichtern, in Raffinesse der hiesigen Schauspielkunst oder Regieführung zeigt und zum Vergleich mit der Vielfalt europäischer, internationaler Stile einlädt!
Wieviel Geld fließt im ORF aktuell in fiktionale Eigenproduktionen, wird wegen des Sparprogramms reduziert?
Der ORF ist vor drei Jahren eine Selbstverpflichtung über ein fixes Vergabevolumen eingegangen und wird auch 2021 sein Investitionsversprechen halten. Obwohl die Sparvorgaben herausfordernd sind, dürfen fiktionale Eigenproduktionen nicht reduziert werden, um Gesicht und Stimme des Erzählens nicht zu verlieren.