Interview: Henning Tewes über TVNow: 'Die Nis...
 
Interview

Henning Tewes über TVNow: 'Die Nische ist nichts für uns'

MG RTL D/Marina Rosa Weigl
Henning Tewes, COO Programme Affairs & Multichannel Mediengruppe RTL Deutschland & Ko-Geschäftsleiter TVNow
Henning Tewes, COO Programme Affairs & Multichannel Mediengruppe RTL Deutschland & Ko-Geschäftsleiter TVNow

Serien, Filme, Dokus, Sport – und Stefan Raab: Seit knapp einem Jahr verantwortet Tewes als Co-Geschäftsführer die RTL-eigene Streaming-Plattform TVNow. Für die er eine Content-Offensive ankündigt.

Dieses Interview erscheint in der Ausgabe 39/2020 des HORIZONT. Noch kein Abo? Hier klicken.

HORIZONT: Wie hat sich die ­Performance von TVNow bei Usern, Abos und Nutzungszeit seit Ihrem Antritt entwickelt?
Henning Tewes:
Mit der Entwicklung sind wir sehr glücklich. Wir erreichen inzwischen monatlich bis zu 5,95 Millionen Unique User. Damit sind wir der führende deutsche Anbieter auf dem Markt, das freut uns natürlich sehr. Außerdem hat die Sehdauer im ersten Halbjahr um 36 Prozent zugenommen, und auch bei den Abos verzeichnen wir kontinuierliches Wachstum. Zusammen mit den Kollegen von Videoland lagen wir nach dem ersten Halbjahr bei 1,77 Millionen. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus. Wir wollen weiterwachsen und investieren dafür stark in die Plattform und unsere Inhalte.
„Wir wollen der ,Mainstreamer' in der deutschen Streaminglandschaft werden.“

Wie positionieren Sie die Plattform strategisch gegenüber der deutschen und der US-Konkurrenz?
Mit einem klaren USP: Wir wollen der "Mainstreamer" in der deutschen Streaminglandschaft werden. Wir können unseren Usern schon jetzt 47.000 Programmstunden verschiedener Genres anbieten. Und was viele vielleicht nicht wissen: Damit bieten wir das größte Programmpaket in der gesamten deutschen Streaminglandschaft. Bei uns bekommen die Menschen eine große Vielfalt an Programminhalten angeboten. Die Nische ist nichts für uns, die überlassen wir anderen. Streaming ist im Mainstream angekommen, deshalb konzentrieren wir uns auf große Themen für ein großes Publikum – von Show und Real Life über Sport, Filme, Dokumentationen und tolle Serien. Grundsätzlich gilt: Wenn etwas ein heißes Thema in Deutschland ist, ist es auch ein heißes Thema für TVNow. Darüber hinaus heben wir uns auch mit der Vielfalt unseres Angebots schon jetzt von der Konkurrenz ab.

Wo liegt der inhaltliche Mehrwert von TVNow?
Streaming und Broadcasting gehen bei uns in der Mediengruppe Hand in Hand. Das bedeutet, dass die User ihre Lieblingsprogramme unserer linearen Sender auf TVNow immer und überall abrufen können. Diesen grundsätzlichen Mehrwert des Streamings wissen immer mehr Menschen zu schätzen, nach den jungen nun auch übrigens zunehmend die älteren Zielgruppen. Wir sind aber längst über eine Mediathek hinausgewachsen. Unsere Abonnenten können schon jetzt auf TVNow-Originals wie unseren Grimme-Preisträger "Prince Charming", auf exklusive US-Serien wie "Why Women Kill" und das Serien-Reboot "BH 90210" zugreifen. Außerdem bieten wir unseren Usern ein umfangreiches Spielfilmpaket, eigenproduzierte Dokumentationen und unseren Bereich Family & Kids. Die erste Hälfte auf der Wegstrecke zum eigenständigen Streamingdienst haben wir also bereits hinter uns. Die zweite Hälfte steht im nächsten Jahr an – da werden wir mit unserem Angebotskatalog noch einmal deutlich vielfältiger werden.

Welche exklusiven Inhalte planen Sie denn in diesem Zusammenhang?
Wir freuen uns vor allem auf den Start unserer Fiction-Offensive. In den letzten Wochen sind zahlreiche Drehs angelaufen, und die erste Serie, "Unter Freunden stirbt man nicht" mit Iris Berben, Heiner Lauterbach und Adele Neuhauser in den Hauptrollen, wird sogar noch in diesem Jahr zu uns auf den Service kommen. Weitere Serien folgen dann im nächsten Jahr, wie das Justizdrama "Glauben" von Ferdinand von Schirach, nach den Originaldrehbüchern des Bestsellerautors, und "8 Zeugen" mit ­Alexandra Maria Lara. Das gilt auch für die Verfilmung des Wirecard-Skandals, an der wir gerade zusammen mit der UFA Fiction arbeiten. Im Young-Adult-Bereich werden mit "Sunny – Wer bist Du wirklich?" mit Valentina Pahde und Wilson ­Gonzalez Ochsenknecht in den Hauptrollen und "Verbotene Liebe – Next Generation" noch im Herbst zwei neue Serien zu TVNow kommen. Im Sinne der Vielfalt können sich die User natürlich auch auf Nachschub in anderen Genres freuen. So wird es bereits im Herbst eine zweite Staffel "Prince Charming" und unsere erste Late-Night-Show, produziert von unserem Neuzugang des Jahres, Stefan Raab, geben. Und wir werden auch bei den exklusiven US-Serien und den Eigenproduktionen für den Bereich Family & Kids nachlegen, um nur einige Beispiele zu nennen.
„Wer Stefan Raab kennt, weiß, dass "klassisch" nicht sein Metier ist.“

Stefan Raab kehrt als Produzent einer ,Late Night‘ ins TV zurück? Wie konnten Sie ihn für sich gewinnen? Und wie klassisch ,Late Night‘ wird das Produkt?
Wir möchten mit der Mediengruppe RTL das attraktivste Zuhause für die größten Talente Deutschlands sein. Dazu gehört, dass man ihnen auch kreativen Spielraum lässt. Wer Stefan Raab kennt, weiß, dass "klassisch" nicht sein Metier ist. Wir haben ihm bei TVNow eine Spielwiese geboten, und er hatte Lust darauf, sie zu nutzen. Darüber freuen wir uns sehr, und das Ergebnis wird noch in diesem Jahr zu sehen sein.

Welche Rolle spielt der Sport künftig bei TVNow – auch neben den ab 2021 erworbenen Rechten für Europa League und Conference League?
Sport ist sicherlich ein wichtiges Thema. Hier konzentrieren wir uns erstmal auf die populärste Sportart in Deutschland – und die ist zweifelsohne der Fußball. Deshalb freuen wir uns, dass wir unseren Usern neben den Qualifikationsspielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und Europapokal-Spielen ab nächstem Jahr auch noch die Spiele der Europa League und Europa Conference League anbieten können – teilweise exklusiv.
„Mit unserer enormen Vielfalt an größtenteils lokalem Content wollen wir das deutsche Abo sein.“

Inwieweit sind User bereit, zusätzliches 'Medienbudget' für neue Streaming- und SVoD-Angebote aufzuwenden? Wohin gehen da Ihre Berechnungen und wo liegt eine geschätzte bugdetäre Grenze?
Wir sehen zum einen, dass es inzwischen eine große Bereitschaft gibt, für attraktive Inhalte zu bezahlen und zum anderen, dass sich die Menschen für diese Inhalte auch mehrere Abos leisten. Mit unserer enormen Vielfalt an größtenteils lokalem Content wollen wir das deutsche Abo sein.

Welche Genres werden von den Usern am meisten genutzt?
In unseren monatlichen Rankings finden sich regelmäßig TVNow-Originals aus dem Reality-Bereich, zuletzt zum Beispiel "Like me – I‘m Famous" und "Paradise Hotel" Außerdem sind unsere täglichen RTL-Serien wie "GZSZ" und "Alles was zählt" regelmäßig unter den Top Fünf. Aber auch exklusive US-Serien wie "Why Women Kill" und "BH 90210" haben es in den letzten Monaten auf die oberen Plätze bei den Premium-Usern geschafft. Zum Ausbruch der Coronapandemie waren neben unseren Unterhaltungsformaten übrigens auch Informationsangebote stark gefragt: Unsere eigenproduzierte Doku "Stunde Null – Wettlauf mit dem Corona-Virus" ist bis heute die meistabgerufene Dokumentation auf TVNow.


Deutsche Medien schreiben von 'Reality-Resteverwertung' bei ­TVNow: Was ist hier Ihr strategisches Ziel? Wie sind die Verwertungsketten aufgestellt?
Wir sind Marktführer im Reality-Bereich und haben hier viele schöne Erfolge gefeiert. Von daher werden wir unseren Usern auch weiter attraktive Formate dieses Genres anbieten. Aber wir setzen auf Vielfalt. Deshalb werden wir jetzt zusätzlich unsere anderen Angebote, vor allem im Bereich Fiction und Dokumentation, weiter ausbauen.

Können Sie das programmliche und vermarktungstechnische Zusammenspiel mit den linearen Sendern der RTL-Gruppe an einem Beispiel skizzieren?
Nehmen wir doch mal "Prince Charming", immerhin Gewinner des Grimme-Preises in diesem Jahr. Das Format haben wir für TVNow produziert. Auf vielfachen Wunsch der Zuschauer und weil Vox das Format auch sehr gut gefallen hat, war die Staffel dann in diesem Frühjahr auch dort zu sehen, ebenfalls erfolgreich. Deshalb produzieren wir die nächste Staffel jetzt zusammen mit Vox und freuen uns, dass wir "Prince Charming" so noch mehr Zuschauern zugänglich machen können. In anderen Fällen kann es auch mal umgekehrt laufen. Aber wir achten darauf, dass unsere zahlenden Abonnenten immer einen Mehrwert haben. So wird es auch bei der Fiction-Offensive sein, die wir ja ebenfalls im Zusammenspiel mit RTL und Vox produzieren.

Wie viele Programmstunden von speziell für TVNow produziertem Content werden derzeit pro Monat ausgestrahlt?
Das lässt sich pauschal schwer sagen. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir gerade in allen Genres deutlich nachlegen und im nächsten Jahr ungefähr ein neues Format pro Woche anbieten werden, über alle Genres hinweg.

„Wir befinden uns in einem wachsenden Markt.“

Bertelsmann-Chef Thomas Rabe formulierte kürzlich fünf bis sieben Millionen Abos in Deutschland und den Niederlanden und 500 Millionen Euro Umsatz als Ziel: Wie weit sind Sie auf diesem Weg?
Nach dem ersten Halbjahr standen wir, wie gesagt, zusammen mit Videoland bei 1,77 Millionen Abonnenten. Aber wir befinden uns in einem wachsenden Markt und haben viele tolle Projekte in der Pipeline, von daher fühlen wir uns für den weiteren Weg gut gewappnet.

Wie stark sind Sie in diesem Zusammenhang in die 'Content Alliance' von Bertelsmann eingebunden?
Sehr stark. Wir arbeiten innerhalb der Bertelsmann Content Alliance wirklich eng zusammen, aktuell beispielsweise bei der Kampagne "Zeit, die Dinge neu zu sehen", die den Blick auf positive Aspekte der Veränderungen richtet, die die Coronapandemie in unserer Gesellschaft auslöst. Und im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche "Packen wir‘s an – Für verantwortungsvolles Essen" haben wir gerade mit einer umfangreichen Berichterstattung über alle unsere Plattformen, natürlich auch TVNow, die Themen nachhaltige Ernährung und Lebensmittelverschwendung von allen Seiten beleuchtet.

Welchen Vorteil ziehen Sie denn daraus?
Der Vorteil liegt auf der Hand: Im Zusammenspiel mit Video, Audio und Print können wir einfach noch mehr Menschen mit unseren Inhalten erreichen, mit unserer ersten Nachhaltigkeitswoche 2019 zum Thema Plastikmüll beispielsweise über alle Unternehmen der Bertelsmann Content Alliance hinweg nahezu jeden zweiten Deutschen. Diese zusätzlichen Ausspielwege sind auch für unsere Talente vor und hinter der Kamera sehr attraktiv und werden in Zukunft noch häufiger genutzt werden. Auch hier haben wir noch viel vor. Wenn wir zum Beispiel wie bei unserer Aufarbeitung des Wirecard-Falls die UFA bitten, für TVNow zu produzieren, und wir gleichzeitig mit den Kollegen von Audio NOW und Gruner + Jahr (Anm.: die Verlagstochter) das Thema zeitgleich prominent besetzen wollen, dann ist das doch ein tolles Geschenk für die vielen Kreativen, die an diesen Stücken arbeiten. Denn sie wissen, dass wir mit ihrer Arbeit ein wirklich großes Publikum erreichen, dass ihre Stücke bei uns gesehen, gehört und gelesen werden.




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