Fritz Hausjell, ao. Professor am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften der Uni Wien
Fritz Hausjell, ao. Professor am Institut für Kommunikationswissenschaften der Uni Wien, reagiert hier auf einen Beitrag von VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm zur ORF-Wahl.
Vor zwei Wochen sang Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Privatsenderverbands, ein Loblied auf die erhoffte Kooperation zwischen ORF unter neuer Regentschaft und privatwirtschaftlichen Medien (siehe unten). Sie streute dem künftigen Generaldirektor Roland Weißmann Rosen, weil er in seiner Bewerbung um den ORF-Topjob mehrfach die Kooperation mit den privaten Medien begrüßt hat. Zugleich verunglimpfte Drumm den abgewählten Alexander Wrabetz, indem sie forsch forderte, der ORF müsse „sich von seinem Selbstverständnis her vom erbitterten Wettbewerber zum echten Kooperationspartner entwickeln und Medienvielfalt und -qualität in Österreich aktiv unterstützen“.
Derartige Gemeinheiten kann ich nur als unverfroren bezeichnen, und das gleich dreifach. Zum einen unterstellt Drumm indirekt, dass der ORF bisher wenig zur Medienvielfalt und -qualität beigetragen hätte. Zudem behauptet sie explizit, der ORF wäre für Qualität und Vielfalt der privaten Mitbewerber verantwortlich – wo steht das bitteschön in seinem Auftrag? Aber den ORF als „erbitterten Wettbewerber“ zu kritisieren, ist dann noch das Frechste und Unangemessenste. Denn erstens agiert der ORF in engen gesetzlichen Grenzen und darf im digitalen Bereich ganz Vieles nicht. Im Gegensatz dazu können private Mitbewerber sehr frei handeln – und hat Frau Drumm für die Privaten lobbyierend gegen jeden Millimeter neuen ORF-Spielraums heftigst gekämpft. „Erbitterter Wettbewerber“ eignet sich jedenfalls zur Selbstdiagnose.
Diese österreichische Insellösung gegen Facebook und Co bringt nichts außer ein kurzes Schmunzeln in den Konzernzentralen der digitalen Weltgiganten. Aber wir verlören: nämlich Kritik und Kontrolle. Wer eng zusammenarbeitet, erspart sich bekanntlich herbe Kritik. Wer kritisiert und kontrolliert dann die Vierte Macht, wenn diese noch stärker zu einem Konglomerat vermählt wäre? Die Medienkonzentration mit ihren negativen Auswirkungen ist jetzt schon zu groß. Eine Medienpolitik des nationalen Schulterschlusses kann Medienvielfalt nicht sichern, schon gar nicht mehren.
Die richtige Antwort lautet indes: Lasst die öffentlich-rechtlichen Medien sich endlich entwickeln, verhindert nicht weiter deren Zusammenarbeit im digitalen Sektor auf europäischer Ebene. Ein gemeinwohlorientierter European Public Open Space (EPOS) ist ein Gebot dieser Zeit und eine erstklassige Antwort auf amerikanische und chinesische digitale Plattformen und Kanäle. Demokratiestützend konzipiert, hilft EPOS nicht nur den Demokratien national, sondern trägt dazu bei, Europa eine nützliche Kommunikationsstruktur zu verschaffen. Und die Privaten in Österreich und anderswo in Europa? Sie werden gleichzeitig ihre Digitalangebote kooperativ ausbauen, und dieser lebendige Wettbewerb wird dafür sorgen, dass dann zumindest zwei weitere Digitalkanäle den großen Weltgiganten wenigstens in Europa gegenüber und den Menschen zur Verfügung stehen.