30 Jahre HORIZONT: Die Kraft der Argumente
 
30 Jahre HORIZONT

Die Kraft der Argumente

Johannes Brunnbauer
Giovanni di Lorenzo ist Chefredakteur der ,Zeit‘.
Giovanni di Lorenzo ist Chefredakteur der ,Zeit‘.

Der Chefredakteur der deutschen Wochenzeitschrift "Die Zeit" über die Gefahr für Medien, ihre Wirkungsmacht und Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Die Zukunft des Journalismus wird immer in den düstersten Farben geschildert. Ich sehe das nicht so, trotz aller Gefahren und Anfeindungen, denen freie Medien heute ausgesetzt sind. Ich halte es auch nicht für ein Naturgesetz, dass Printmedien zwangsläufig immer stärker an Auflage verlieren – wir können daran durchaus etwas drehen. Nach meinem Gefühl gilt es aber, einige Grundregeln zu beachten: Ein starkes Medium muss immer ein gesundes Misstrauen gegenüber jeder Institution und Person wahren, die Macht hat, was keinesfalls Voreingenommenheit bedeuten muss. Es ist ein Missverständnis zu glauben, diese Medien degenerierten dann zu beliebigen Plattformen. Auch und gerade in der Mitte ist Platz für abweichende Meinungen, für leidenschaftliche Plädoyers und im Ausnahmefall auch für eine erklärte politische Kampagne, wenn sonst ein vernünftiges Anliegen unterzugehen droht. Aber sie sollte dabei auf Vielstimmigkeit, Toleranz und die Kraft der Argumente bauen, nicht auf die Diffamierung von Andersdenkenden oder auf (durch Angst vor entstehenden Shitstorms) Konformitätsdruck. Wenn Medien nicht mehr in der Lage sind, partei- und lagerübergreifend einen Austausch zu organisieren und stattdessen alles daran setzen, möglichst störungsfrei und ausschließlich eine Klientel zu bedienen, dann verlieren sie ihre Wirkungsmacht und auch einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit, denn sie gelten als parteiisch.

Dieser Kommentar erschien in der Jubiläumsausgabe zu 30 Jahre HORIZONT. Noch kein Abo? Hier klicken.



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