Prominente Testimonials sind ein Dauer- und stetig wichtiger werdendes Thema in der Werbung. Überlegungen und Zahlen im Spannungsfeld zwischen kreativer Bankrotterklärung und Erfolgsfaktor
Die Geschichte der Testimonials ist auch eine Geschichte der Missverständnisse. Hübsches oder bekanntes Gesicht zu einem Produkt platziert, und schon gehen die Verkaufszahlen nach oben. Nach diesem Prinzip passiert und funktioniert Werbung zwar oft, aber nicht zwangsläufig. Insbesondere der Einsatz von Prominenten ist nicht immer unumstritten.
Celebritys als Erfolgstreiber nehmen jedenfalls permanent rund 15 Prozent im Kampagnenmix ein, mit leicht steigender Tendenz, so Thomas Schwabl, Geschäftsführer von Marketagent.com online reSearch. „Marketingentscheider erwarten sich mehr Bekanntheit, einen Imagetransfer und eine Stärkung ihrer Marke, aber bei der Auswahl der Testimonials kann man auch viel falsch machen“, sagt er. Darüber hinaus ist der Einsatz von Promis nicht per se ein Indikator für die Kreativität einer Agentur, sondern mag bisweilen auch die Eitelkeit der Auftraggeber und der Werbeagentur befriedigen – wer ist nicht gerne beim Shooting mit der Hollywood-Ikone oder mit dem verehrten Schlager-Stern persönlich dabei? Diese Nebenerscheinung fällt bei anderen Testimonials wie dem (fiktiven) Experten für Zahnhygiene oder dem Gesicht für richtiges Einkaufen weg.
Aber zurück zu den Prominenten für die Werbung. Schwabl: „Grundsätzlich sind das Produktüberangebot und die Produktgleicheit in übersättigten Märkten der Nährboden für den Einsatz von Promi-Testimonials .Die Prominenten sollen zur Emotionalisierung und Differenzierung der Marke beitragen.“ Dass die eingesetzte Person möglichst sympathisch, bekannt und attraktiv ist und auch zum Produkt passt, sollte selbstredend sein, ist es aber nicht immer, meint Schwabl unmissverständlich: „Dass Verona Pooth beim Textildiskonter einkauft oder Heidi Klum einen Drei-Euro-Nagellack verwendet, schafft doch Zweifel beim wichtigsten Faktor eines Testimonials, nämlich bei der Glaubwürdigkeit. Die Überlegungen hinter den zuletzt genannten Beispielen entziehen sich mir gänzlich.“
Gelungenere Verbindungen von Testimonial und Marke in diesem Zusammenhang sind wohl der bekanntermaßen gut auf sein Geld schauende Niki Lauda für ING-DiBa oder auch Ciro de Luca und Christoph Fälbl für die ÖBB. Bei letzteren beiden besteht überdies nicht die Gefahr, dass sie aufgrund ihrer Bekanntheit die Marke überdecken, Stichwort Kannibalisierung: Die beworbene Marke wird dabei kaum mehr wahrgenommen.
Multi-TestimonialsEine Kandidatin für diesen letzteren Kannibalisierungseffekt ist der deutsche Schlager-Superstar Helene Fischer. Die 31-jährige Sängerin und Entertainerin verkaufte bisher fast zehn Millionen Tonträger und verdient laut Schätzungen in deutschen Medien ebenso Millionenbeträge aus Werbung – jährlich. Sie war im Vorjahr das erfolgreichste Werbegesicht Deutschlands. Doch in jüngster Zeit scheint Fischer der Werbe-Atem auszugehen: Die deutsche Marketing-Zeitschrift absatzwirtschaft lässt monatlich die Marken- und Testimonialwahrnehmung errechnen, und in der Rückschau hat Fischer da stark abgelegt. Verzeichnete sie im November 2014 noch 15,3 Prozent Bekannntheit als Werbe-Testimonial, so rutschte sie bis April des laufenden Jahres auf vier Prozent ab. Allein seit Jahresbeginn hatte sich ihr Wert halbiert. In der Untersuchung wurden die Bekanntheitsgrade von so unterschiedlichen Prominenten wie Thomas Gottschalk, Bully Herbig, Heidi Klum, Dirk Nowitzki, Bastian Schweinsteiger, Jürgen Klopp und anderen verglichen.
Angesichts ihrer ungebrochenen Popularität mag Fischers sinkende Werbewirkung verwundern. Ein Blick auf die Vielzahl der Produkte, denen sie ihr Gesicht verleiht (oder seit dem ersten Werbevertrag 2013 bereits verliehen hat) lässt aber darauf schließen, dass bald nicht mehr eindeutig wahrgenommen wird, wofür sie steht und wirbt: Fischers Werbe-Karriere begann mit Meggle Kräuterbutter, dann repräsentierte sie Nutrisse für die Kosmetikmarke Garnier des L’Oréal-Konzerns. Wenig später kam ihr eigenes Parfüm mit Namen That’s Me bei der Parfümeriekette Douglas auf den Markt, es folgten eine Modelinie und eine Schmuckkollektion mit dem Namen „meins“ bei Tchibo. Die Spots für Volkswagen Österreich, in denen Fischer ein Hippie-Mädchen mimte, wurden im Vorjahr auch zu einem viralen Hit auf YouTube, und zwischenzeitlich ging Fischer auch in den Promotions für TUI Cruises auf Kreuzfahrt.
Während laut einer von Meggle in Auftrag gegeben Studie die Bekanntheit der Kräuterbutter dank des Schlager-Superstars „um einen zweistelligen Prozentsatz“ gestiegen war, erwiesen sich die Volkswagen-Spots ob der eher ungelenken Mimik Fischers ebendort zu einem unter diesen Aspekten unerhofften Renner beim Publikum. Der deutsche Marketing-Experte Florian Krumrey riet Fischer angesichts der danebengegangenen Kampagne für Volkswagen zu „weniger, aber dafür exklusiven und langfristigeren Werbepartnern. Eine hohe persönliche Affinität sowie Nutzung der jeweiligen Produkte und Marken im Alltag sollten Voraussetzung bei der Auswahl der Partner sein.“
Promis ohne IdeeDass Fischer am vorläufigen Höhepunkt ihrer Popularität ebendiese maximal monetarisieren will, versteht wiederum auch Thomas Schwabl: „Aber sie läuft Gefahr, sich selbst als Testimonial zu verbrennen.“ Ähnliches befürchtet Schwabl am deutschen Markt auch für den Designer und Entertainer Guido Maria Kretschmer (Actimel, OGI Oil & Gas Invest sowie seine eigenen Mode- und Styling-Produkte) oder insbesondere bei Model Heidi Klum (VW, Otto, Katjes, Drei Wetter Taft, Spar, McDonald’s, Birkenstock, Victoria’s Secret). „Wenn Stars zu viele Verträge gleichzeitig haben, sinkt auch die Glaubwürdigkeit und es folgen zwangsläufig falsche Zuordnungen zu den Marken“, weiß Schwabl, und: „Die Kampagne muss jedenfalls eine Idee haben, der Promi selbst darf nicht die alleinige Idee sein“, meint Schwabl und nennt ausdrücklich Herbert Prohaskas Kelly’s-Spots als schlüssige und auch witzige Umsetzung.
Für Prohaska und seinen Erfolg als Testimonial gelten überdies alle Bausteine, die eine Wertbeständigkeit eines Prominenten ausmachen: die sympathische und glaubwürdige Persönlichkeit, die konstante Medienpräsenz (als Fußball-Analytiker im ORF) und auch der Erfolg – auch wenn dieser bei Prohaska als Fußballer wie auch seine Tätigkeiten als Trainer schon Jahrzehnte zurück liegen. Eine Rückkehr zu seinem „Kerngeschäft“ Fußball (ein Erfolg dabei ist ebenso wichtiger Faktor für Testimonial-Tauglichkeit) ist aber bei Prohaska unwahrscheinlich, denn seine Einkünfte aus ORF und Werbung liegen längst weit höher, als sie für ihn als Fußballtrainer in Österreich erzielbar wären.
Prohaska zählt somit zum erweiterten Kreis der Top-Testimonials des Landes, die ebenfalls überwiegend und nicht zufällig aus dem Sport kommen. Schwabl: „Sportler sind laut einer Studie der Hochschule Reutlingen in Sachen Glaubwürdigkeit und Sympathie anderen Prominenten überlegen.“ An heimische Gagenkaiser wie Niki Lauda und Hermann Maier – beide werden auf über eine Million pro Jahr taxiert – oder Armin Assinger (Hervis, Lagerhaus), mit etwa der Hälfte davon, kommt Prohaska vermutlich nicht ran. Im deutschen Sprachraum galt Thomas Gottschalk dank Haribo als jahrelanger Spitzenverdiener (bis 15 Millionen Euro jährlich), Helene Fischer oder Heidi Klum lukrieren ebenso allein aus Werbung deutlich siebenstellige Eurobeträge.