Denise Krautz, Head of 4Stars, über anfänglich falsche Erwartungen und nun einkehrende Professionalisierung, die Frage der Messbarkeit, die Abgrenzung zu Testimonials und warum der Markt aus ihrer Sicht noch mehr Influencer vertragen könnte.
Dieses Interview ist zuerst in Ausgabe Nr. 15/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
Horizont: Kreischende Teenies, wenn sie im realen Leben auf Social-Media-Stars treffen, Tausende Fans und Verehrer im digitalen Leben: Ist das eine Welt, die für das traditionelle Marketing überhaupt greifbar ist?
Denise Krautz: Die internationale Marketingwelt versteht diese Welt mit diesen Emotionen schon ein Stück weit besser als nationale Marketer, wenngleich die letzten Jahre und realisierte Projekte all das greifbarer gemacht haben. Influencer-Marketing hat gerade in der jungen Zielgruppe einen Stellenwert – diese Gewissheit ist bei Kunden aber auch Media- und Kreativagenturen angekommen.
Das Thema wurde stark gehypt. Ist Influencer-Marketing nach wie vor ein Hype oder als fixes Marketingtool angekommen?
Influencer-Marketing ist im Markt angekommen – allerdings mit verschiedensten Erfahrungswerten: Jene, die es probiert haben und es nicht mehr tun; Marken, für die es schlichtweg nicht passt; und Unternehmen, die es fix im Marketingmix integriert haben. Viele haben am Anfang das große Business gewittert: Marken, die darin das große Allheilmittel orteten, sowie Influencer, die das große Geld machen wollten. Diese Zeiten sind vorbei. Ich orte eine starke Professionalisierung auf beiden Seiten hin zu einer seriösen, gefestigten Werbeform.
Gibt es Branchen und Marken, in denen Influencer-Marketing keinen Sinn hat und damit im Vorhinein ausgeschlossen werden kann?
Gut funktioniert alles in Richtung FMCG, weil hier Dinge des täglichen Bedarfs beworben werden, die für die junge Zielgruppe auch leistbar sind. Weiters funktioniert alles gut, was als Produkt emotionalisiert: von Reisen bis Entertainment. Vorsichtig bin ich zum Beispiel bei Banken und Versicherungen, weil es hier kein greifbares Produkt gibt. Da benötigt es umso mehr langfristige und durchdachte Konzepte. Influencer- Marketing funktioniert jedenfalls dann gar nicht, wenn Kunden es als reines Performance-Marketing-Tool einsetzen wollen. Influencer-Marketing ist ein Branding-Tool und daher nicht kurzfristig absatzunterstützend.
Wurde das in den Anfängen strategisch falsch gedacht?
Ja. Viele dachten, Influencer Marketing ist der heilige Gral, der die Brand positioniert und gleichzeitig den Upsell explodieren lässt – dieser Gedanke ist falsch.
Kritik an Influencer-Marketing äußerte sich auch in der Messbarkeit der Aktionen.
Es gibt ja plattformeigene Daten, die wir in unsere Reportings einfließen lassen; gleichzeitig laufen eigene Messungen. Somit ist von Likes über Kommentare bis Views die Transparenz gewährleistet.
Gewährleistet ist aber nicht, ob diese Likes und Views von echten Menschen kommen.
Das ist ein Thema, bei dem mehr und mehr Sensibilisierung, aber auch Selbstregulierung eintritt: Wenn ein Influencer um ein paar Euro ein paar Hundert Follower kauft, ist das erstens leicht erkennbar und zweitens werden solche Influencer weniger gebucht.
Likes, Fans und Views sind harte Zahlen. Wie werden aber softe Faktoren wie der Einsatz des Produkts dem Kunden im Reporting dargestellt? Manch ein Influencer präsentiert es höchst charmant, andere wieder eher plump und unprofessionell.
Wir arbeiten eng mit Influencern zusammen und stimmen uns in Feedbackschleifen, in denen gemeinsam im Sinne des Kunden überlegt und konzipiert wird, ab. Da geht es nicht um hunderprozentiges Skripten, aber eben darum, eine uncharmante Integration der Produkte zu vermeiden. Alles was dann produziert wird, ist mit dem Kunden rückbesprochen – und damit ist es dem Kunden auch erklärbar. Es geht immer um Reichweite, aber auch den Content und den Influencer als Träger selbst. Sonst könnte der Kunde einfach auf TKP-Basis digitale Video-Rolls einbuchen. Die Marke schlau mit dem Gesicht eines Stars zu verbinden ist die Komponente, die Influencer Marketing vor allem ausmacht – und das ist der Wert, den ein Marcel Hirscher genauso bezahlt bekommt wie unter anderem eine JANAklar.
Worin unterscheidet sich Influencer-Marketing dann noch von klassischen Testimonial- Kampagnen?
Für mich persönlich und etwas überspitzt gesagt: gar nicht. Beide sind Botschafter oder Gesichter einer Marke, nur historisch aus einer anderen Richtung gekommen.
Die ProSiebenSat.1 Puls 4-Gruppe veranstaltet nun für die Welt der digitalen Influencer ein eigenes Influencer-Bootcamp. Was steht hinter dieser Idee?
Wir sehen uns ganz stark mit einem Auftrag versehen, junge Menschen in diese Richtung zu bilden. Viele Eltern kommen auf uns zu und fragen, wie ihre Kinder Social-Stars werden können – so wie andere Schauspieler, Sportler oder Model werden wollen. Wir haben als Gruppe immense Erfahrung in Vermarktung, Storytelling und Produktion, die wir in Workshops und Challenges weitergeben wollen. Ein Influencer ist im Prinzip eine Produktionsfirma, die täglich liefern muss. Das ist harte Arbeit. Wir stellen dabei auch die Frage: Willst und kannst du das wirklich?
Und es ist wohl eine willkommene Scouting-Plattform.
Natürlich. Der Influencer-Markt ist hierzulande verhältnismäßig klein. Es gibt zehn bis zwanzig relevante Personen, wovon ein Großteil ohnehin bei Studio71 unter Vertrag ist. Dahinter gibt es ein paar im Aufbau befindliche Accounts und dann lange nichts. In der Praxis merken wir, dass viele Influencer auch viele Produkte bewerben müssen, weil der Markt nicht besonders groß ist – worunter auch die Authentizität leidet. Mit mehr Vielfalt am Markt wäre das einfacher.
Dass der Markt mehr Influencer vertragen könnte, ist aus eurer Sicht als Influencer-Vermarkter logisch.
Ja, aber vor allem in thematischen Nischen wäre mehr Angebot wünschenswert. Und da rede ich gar nicht von Micro-Influencern.
Wo ziehen Sie denn die Grenze zwischen kleineren Influencern und Micro-Influencern?
Der Begriff Micro-Influencer wird ziemlich inflationär verwendet. Vom Grundverständnis her sind Micro- Influencer Menschen wie du und ich, die innerhalb ihres kleinen Wirkungskreises agieren. Kleine Influencer grenzen sich von Micro-Influencern dadurch ab, dass ihre Fanbasis über den persönlichen Bekanntenkreis weit hinausgeht; sie arbeiten fokussiert auf eine Fanbase hin und haben diese auf Grund dessen, was sie im Social Web tun – und nicht basierend auf ihrer Persönlichkeit im realen Leben.
In welche Richtung werden Sie Influencer-Marketing innerhalb der Gruppe, die ja eine TV-Sendergruppe ist, entwickeln? Sollen diese verstärkt ins Fernsehen integriert werden?
Es ist naheliegend, das in einer Gruppe mit vielen TV-Sendern zu forcieren. Die Verbindung von Influencern mit TV passiert ja bereits seit der Gründung der Unit. Was wir intensivieren wollen, ist Influencer in passende Formate zu bringen: eine JANAklar bei Austrias Next Topmodel oder Coocking Catherine bei Menü für alle Fälle – da kombinieren wir gerne bestehende Formate mit jungen Onlinegesichtern.