Werberat etabliert ab Oktober eigenes Gremium der jungen Werberäte bis 29 Jahre – Testlauf der ‚Jungen‘ ergab mehr Sensibilität bei Darstellung von Jugendlichen
Bei der schon traditionellen Präsentation des Jahresberichts des Österreichischen Werberats (ÖWR) im Februar stellte Präsident Michael Straberger ein Vorzeigeprojekt vor: Das Gremium „Junge Werberäte“. „Mit dem Projekt wollen wir erstmals die Sichtweise der nachkommenden Werbe- und Marketing-Generation zu gesellschafts- und somit auch marketingrelevanten Themen erforschen“, kündigte Straberger an. Die derzeit 155 Werberäte sind allesamt – gewählte – arrivierte Persönlichkeiten aus den Bereichen Werbung (Kreation und Media), Medien, Marketing sowie Institutionen wie dem Frauenministerium oder Konsumentenschutz.
Seit Oktober 2013 besteht die Gruppe „Junge Werberäte“ aus 41 Personen, die allesamt jünger als 25 Jahre sind und von Werberäten als Nachwuchs vorgeschlagen wurden. Ein Teil kommt aus dem einschlägigen Ausbildungsbereich und wurde bis Ende Februar parallel zu der Tätigkeit der Werberäte mit insgesamt 21 Beschwerdefällen befasst. Nun legt Kati Förster, Werberat-Sprecherin und Mitarbeiterin am Institut für Publizistik in Wien, eine Bilanz der Entscheide der „Jungen“ im Vergleich zu den „Arrivierten“ vor.
Junge Werberätinnen und Werberäte – diese ausdrücklich gegenderte Ansprache wird noch eine gewichtige Rolle spielen – entscheiden strenger als das etablierte Gremium: „Insgesamt sind Frauen in ihrer Beurteilung strenger als Männer, vor allem, wenn es um die Bereiche Ethik und Moral sowie geschlechterdiskriminierende Werbung geht“, erläutert Förster, die die 21 Fall-Entscheide der Jungen und der Arrivierten wissenschaftlich verglichen hat.
„Signifikante Unterschiede in der Entscheidung der jungen Werberäte im Verlgeich zu den Etablierten konnten lediglich in drei von insgesamt 21 analysierten Fällen erkannt werden“, erklärt Förster. „Die Entscheidungen bezogen sich dabei einmal auf Männerdiskriminierung, einmal auf Frauendiskriminierung und einmal auf ,Artikel 1. 2. Ethik & Moral‘ des Ethik-Kodex der Werbewirtschaft.“ Der „Gender-Effekt“, analysiert Förster, „sprich die Unterschiede in den Entscheidungen zwischen weiblichen und männlichen Werberäten“, spiele in diesen Bereichen eine wichtige Rolle. So sei das junge Werberatsgremium zu 72 Prozent von Frauen besetzt, im etablierten Gremium entscheiden 41 Prozent Frauen. Förster: „Wird dieser Einfluss herausgerechnet, ist der Altersunterschied nur noch bei einem Fall gegeben.“ Aber: „Die grundsätzlich strengere Einschätzung der jungen Werberäte bezieht sich vor allem auf die herabwürdigende Darstellung von Jugendlichen im Zusammenhang mit Ethik und Moral.“ Und: „Vor allem in den Bereichen Ethik & Moral sowie Geschlechterdiskriminierende Werbung entscheiden Frauen grundsätzlich strenger als ihre männlichen Kollegen“, analysiert Förster. Ausgenommen dabei ist sogenannte Blickfangwerbung. So gebe es kaum einen Unterschied in der Beurteilung bei Blickfangwerbung bezogen auf Frauen. „Bei Blickfangwerbung mit Männern entscheiden allerdings Frauen härter“, präzisiert Förster.
„Die Sichtweise der nachkommenden Werbe- und Marketing-Generation zu gesellschafts- und somit auch marketingrelevanten Themen zu erforschen, stieß innerhalb der Fachgruppe Werbung Wien sofort auf großes Interesse“, erklärt André Felker, Ausschussmitglied der FG Werbung Wien und Mitglied der Geschäftsführung Serviceplan. Die Fachgruppe Wien hat die Patronanz für die Jungen Werberäte übernommen. Eine Ankündigung von ÖWR-Präsident Straberger lautet: „Für den Werberat heißt das: Bei unserer laufenden Wahl für das neue Entscheidungsgremium ab Oktober 2014 werden wir noch mehr Augenmerk auf die Ausgeglichenheit der Gremien in Bezug auf das Geschlecht legen, sowohl bei den jungen als auch bei den etablierten Werberäten.“
Dieser Artikel erschien bereits am 1. August in der HORIZONT-Printausgabe 31/2014. Hier geht's zur Abo-Bestellung.