Die steirische Kommunikationsbranche ist eine Mischung aus Innovation und Tradition. Vieles ist klein- und kleinstteilig, zwischendurch gibt es aber auch große Lösungen. Vor allem im Branding ist das Bundesland gut aufgestellt.
Dieser Artikel ist zuerst in Ausgabe Nr. 24/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
Manchmal ist alles ganz einfach: „Wir mögen vielleicht mehr Kernöl haben als andere“, sagt Edgar Schnedl, Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Steiermark, „aber ansonsten ist bei uns alles genau so wie bei allen anderen auch, zum Beispiel in Sachen Trends.“
Die Steiermark ist allerdings doch sehr speziell, was das Thema Kommunikationslandschaft betrifft. Es gibt dort kaum maßgebliche Kommunikationsleute, die einander unbekannt sind und deren Wege sich nicht regelmäßig kreuzen. Die Geschicke der Branche bestimmt eine Handvoll Menschen, die zumeist ihr gesamtes Berufsleben im grünen Herzen Österreichs verbracht haben. Nur selten kommen Werber oder PR-Leute, die es für einen Job nach Wien gezogen hat, wieder nach Hause zurück. Und noch seltener zieht es Spezialisten aus dem Rest Österreichs in die Grüne Mark. So gibt es im Bundesland zum Beispiel kaum ernst zu nehmende Experten jüngeren Geburtsdatums, die nicht durch die Hände von Heinz Fischer gegangen sind, dem Chef des Departments für Medien und Design an der FH Joanneum. Fischers Kommunikations-Studiengänge bringen pro Jahr im Schnitt 35 Absolventen hervor, rund 400 insgesamt bisher. Ein Drittel davon bleibt in der Steiermark, der Rest verteilt sich in Österreich, einige Absolventen gehen ins Ausland, vornehmlich nach Deutschland. „Unser Nachwuchs speist sich hauptsächlich aus der Fachhochschule Joanneum“, sagt auch Inge Farcher, Chefin der Kommunikationsabteilung der steirischen Landesverwaltung. „Daher haben wir auch kaum Probleme, offene Stellen zu besetzen“, ergänzt sie.
Alle tun alles
National verglichen: Große Agenturen gibt es in der Steiermark fast keine. Während sich in Linz und Salzburg doch die eine oder andere Agentur etablieren konnte, die es in Sachen Manpower mit größeren Wiener Agenturen aufnehmen kann, ist die Steiermark ein Paradies der Kleinen. Ein-Personen-Unternehmen gibt es zuhauf, und ein wenig arbeiten die meisten von ihnen nach dem Prinzip „alle tun alles“. Textende Grafiker, designende Texter, werbende PR-Leute sind die Regel. Werbeagenturen bieten so gut wie immer PR-Arbeit gleich mit an. „Das liegt einfach an der Überschaubarkeit des Marktes“, sagt Landeskommunikations-Chefin Inge Farcher, „der es vielen spezialisierten PR-Agenturen kaum erlauben würde, ökonomisch zu überleben.“ Tatsächlich lassen sich die reinen PR-Agenturen, die in der Steiermark ansässig und Mitglied in der Standesvertretung Public Relations Verband Austria sind, an den Fingern einer Hand abzählen.
Großagenturen – egal ob Werbung, PR oder Marketing – sind in der Steiermark Mangelware. „An die zehn wird es geben, die um die 20 oder mehr Mitarbeiter haben“, schätzt Peter Pöschl, Mitbesitzer der kleinen Branding-Agentur Markenstolz.
Von 100-Mann-Units, wie es sie in Wien gibt, ist die Steiermark weit entfernt. Selbst bei den großen Agenturen kann es vorkommen, dass die Mitarbeiterzahl je nach Auftragslage vorübergehend auf unter zehn sinkt. Einer der Platzhirsche ist immer noch die schon sehr lange existierende Agentur Hartinger Consulting in Leibnitz, dazu gibt es im Gleisdorfer Raum die Agenturen Fredmansky und Intouch oder in Graz die Niederlassung von moodley brand identity – und einige andere. Frühere – für steirische Verhältnisse – Großagenturen, die vor oder um die Jahrtausendwende ihre Hochblüte hatten, sind mittlerweile verschwunden, geschrumpft oder haben sich aus dem Scheinwerferlicht zurückgezogen. Beispiele sind etwa die Agenturen Peter und der Hirsch oder auch die früher bekannte Agentur i-Punkt, die ihre Geschäftstätigkeit 2017 ganz eingestellt hat und deren Besitzer nun als „Unternehmensberater und Werbesachverständiger“ arbeitet.
Zum Fleisch der steirischen Kommunikationsbranche entwickelt sich zunehmend die Spezialisierung auf moderne Branding-Dienstleistungen. Hier gibt es inzwischen gleich mehrere Agenturen, die auch im österreichweiten Kontext eine Rolle spielen. Auch Peter Pöschl und sein Markenstolz-Partner Christian Stolz haben sich in diesem Bereich etabliert, arbeiten mit ihrer Zweimannfirma vornehmlich Klein- und Kleinstaufträge ab, und das durchaus erfolgreich. „Im niedrigen bis mittleren fünfstelligen Bereich“ würden sich die Budgets der Kunden bewegen, sagen sie – eine für die klein- und kleinstteilige steirische Kommunikationsszenerie durchaus übliche Größenordnung. Aber nicht nur als Werbeunternehmer, sondern auch von ihrem Werdegang her sind Pöschl und Stolz prototypisch für steirische Kommunikationsleute: Pöschl war jahrelang als Mitarbeiter einer größeren lokalen Agentur tätig, bevor er sich auf eigene Beine stellen wollte, und Stolz kam vor ein paar Jahren vom ORF, wo er den Umstieg vom IT-Spezialisten zum Redakteur nicht schaffte und deshalb in die Werbung ging.
„Brand Identity und Digital-Marketing prägen heute die Werbelandschaft in Graz und dem restlichen Bundesland“, sagt jedenfalls Branchenvertreter Edgar Schnedl, selbst Agenturbesitzer in der Obersteiermark. Auch im Bereich Social Media tummeln sich inzwischen viele Anbieter, vornehmlich Einpersonenunternehmen. Das liegt zu einem Teil daran, dass inzwischen auch kleinere Unternehmen aller Branchen eigene Mitarbeiter beschäftigen, die jene Kommunikations-Basisleistungen selbst erledigen, die früher an Dienstleister ausgelagert wurden. „Fast jeder Verein, jede Organisation, jedes Unternehmen hat heute solche Leute“, sagt Inge Farcher.
Coworking und Insellösungen
Mit der kleinteiligen Branchenstruktur boomen in der Steiermark auch die Coworking-Spaces. In kaum einer anderen Landeshauptstadt gibt es so viele Angebote wie in Graz. Herzstück der kreativen Einzelleister, die sich in gemeinsamen Büros tummeln, ist das Viertel um den Grazer Lendplatz. Früher eher schlecht beleumundet, hat sich das Lendviertel seit dem Jahr 2003, als Graz Europäische Kulturhauptstadt war, gemausert und ist heute die Heimat vieler Kreativer und Location für gleich mehrere Coworking Spaces. Ein anderer Hotspot kam vor Kurzem erst dazu – in der Vorstadt, gleich neben dem Schloss Eggenberg, öffnete im alten Festsaal einer früheren Lehrerbildungseinrichtung der Coworking Space Aula x seine Pforten. Das Markenstolz-Duo etwa ist glücklich, dort ein Zuhause gefunden zu haben. „Wir fühlen uns wohl hier“, sagt Pöschl, einer der beiden Agenturbesitzer, „und können unser Konzept einer Fluid Agency optimal umsetzen.“ Mit im 40-Schreibtische-Büro in der ehemaligen Aula der Pädagogischen Akademie der Diözese Graz-Seckau sind Designer, IT-Programmierer, Texter, Fotografen und andere EPU, mit denen Markenstolz zum Teil auch zusammenarbeitet.
Typisch für die steirische Kommunikationsszenerie sind zudem geographische Insellösungen. In Gleisdorf etwa, einer Kleinstadt bei Graz, finden sich gleich mehrere größere Agenturen – warum ausgerechnet dort, weiß niemand. Oder in Bad Aussee, wo ebenfalls einige größere Kreativschmieden ihre Zelte aufgeschlagen haben, allen voran die umtriebige Agentur Kommunikationshaus.
Zweifellos erstklassig sind die steirischen Kommunikations-Experten ohnehin, wenn es darum geht, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Fachgruppenobmann Schnedl formuliert das Selbstverständnis der Branche zum Beispiel so: „Die steirische Agenturlandschaft gehört zu den kreativsten in Österreich, das zeigen die vielen Auszeichnungen. Die Steiermark ist Hub der Kreativ- und Digitalwirtschaft, Start-up-Metropole, Herzkammer der Online-Werbung und Sitz erfolgreicher Agenturen der Markenkommunikation.“
Branche im Wandel
Auf der Website von „City of Design“ wird über die Rolle der steirischen Kommunikationsbranche entsprechend gejubelt: Die Steiermark gehöre mit 17.000 Beschäftigten und 4.800 Unternehmen in den Kernbranchen der Kreativwirtschaft zu „den dynamischsten Kreativstandorten in ganz Europa“, heißt es da etwa, die Bruttowertschöpfung der Branche betrage eine Milliarde Euro im Jahr. Etwas bescheidener klingen die Zahlen der Fachgruppe Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Steiermark, die insgesamt nicht 4.800, sondern 3.006 Mitglieder ausweist, davon 1441 Werbeagenturen, 620 Designer, 142 PR-Berater und 82 Werbearchitekten. Der Zuzug von Kreativen, den Fachgruppenobmann Schnedl sieht, ist durch die Daten jedenfalls nachzuvollziehen – 2017 stieg die Zahl der Fachgruppenmitglieder im Vergleich zum Jahr davor um rund 7,5 Prozent.
Alexander Bäck, Chef des Grazer Partnerbüros der österreichweit agierenden Beratungsagentur pantarhei, der in der Mehrzahl Kunden außerhalb der Steiermark betreut, sieht die Branche im Umbruch. Die Transformation des klassischen Agentur-Geschäftsmodells als Folge der Digitalisierung sei voll im Voranschreiten, sagt er, die Kommunikationsbranche treffe das genauso wie alle anderen. „Nur wer sich damit ernsthaft auseinandersetzt, wird unter den Gewinnern sein“, glaubt Bäck. Der Trend gehe nicht, wie viele Agenturen und EPU immer noch glauben, einfach in Richtung Social Media, sondern vielmehr in Richtung komplexer „Unternehmensberatung mit Kommunikationsschwerpunkt“. „Presseaussendungen zu schreiben oder Ähnliches, das ist Vergangenheit“, sagt Bäck, die Welt habe sich einfach weiterentwickelt. Was in der Steiermark jedenfalls immer noch seine gewichtige traditionelle Rolle spielt, das ist der Treibstoff, der die Kreativen befeuert, und der eben selbst Branchenobmann Schnedl als erstes einfällt, wenn er um Besonderheiten seiner Branche im Bundesland gefragt wird: das Kernöl. Und das kann den steirischen Werbern, Textern, PR-Leuten und Designern niemand nehmen, denn der Begriff „Steirisches Kürbiskernöl“ ist inzwischen von der EU geographisch geschützt. Vielleicht sind die Steirer ja deshalb gerade im Branding gut aufgestellt.
[Klaus Puchleitner]