Spendings & Strategien: Neueinrichtung an der...
 

Spendings & Strategien: Neueinrichtung an der Möbelfront

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Der Werbemarkt der Möbelhändler brach im letzten Jahr drastisch ein. Ein Jahr nach der kika/Leiner-Krise stellt sich der Konzern neu auf, Konkurrent XXXLutz legt aktuell nach – und auch der restliche Möbelmarkt als gewichtige Säule der Werbekonjunktur scheint wieder anzuziehen.

Dieser Artikel ist zuerst als Coverstory in Ausgabe Nr. 23/2019 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!

Es ist jetzt ein Jahr her, dass die Bundeswettbewerbsbehörde dem Verkauf von kika/Leiner durch Steinhoff an die Signa-Holding grünes Licht gab. Die Krise löste eine Zäsur im heimischen Möbelhandel aus. Gelitten hat seitdem – natürlich von jenen Mitarbeitern, die ihren Job verloren haben, abgesehen – auch die Werbewirtschaft, und zwar drastisch. Österreich weist eine der höchsten Möbelmarkt-Dichten Europas auf. Die drei größten Marktteilnehmer XXXLutz, kika/Leiner und Ikea halten laut RegioData mehr als zwei Drittel der Marktanteile.

Tut sich an der Front etwas, gibt es einen Schneeballeffekt. Die gesamte Branche des Möbel- und Einrichtungshandels liefert einen „enormen Beitrag“ zur Werbekonjunktur, wie Focus-Geschäftsführer Ronald ­Luisser gegenüber HORIZONT betont. „In etwa ein Fünftel der gesamten Spendings fallen in Österreich auf die starken Werber des Möbelhandels. Der signifikante Einbruch im Jahr 2018 mit einem Minus von 20 Prozent war demzufolge für den gesamten Werbemarkt schwer zu verdauen.“ Tatsächlich wies 2018 die schlechteste Werbebilanz der Sparte binnen der letzten Jahre auf, während 2017 ausgesprochen stark war. Damals war „Handel Möbel und Einrichtung“ der größte Werbepusher Österreichs, ein Jahr später der größte Werbebremser.

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Kika/Leiner: Herbstlicher Neustart
Für 2019 prognostiziert Luisser ein Wachstum, wenn auch ein geringfügiges: „Zwar kann der gesamten Branche in den ersten vier Monaten ein leichtes Plus bescheinigt werden, in Relation zum sehr starken Werbejahr der Möbelbranche in 2017 hinken die Werbeaktivitäten allerdings noch hinterher.“ In der Zwischenzeit dürfte Signa-Eigentümer René ­Benko wohl bereits an einigen Investitionen tüfteln. So sollte sich alleine die Modernisierung der 42 kika/Leiner-Filialen in einem zweistelligen Millionenbetrag bewegen, wie der im Oktober designierte CEO Reinhold ­Gütebier vor Monaten bekannt gab. Auch die Marketingabteilung hat mit Bettina Schuckert seit Ende Mai eine neue Leitung. Derzeit arbeite man „auf Hochtouren an den neuen Kampagnen“, wie es seitens des Unternehmens auf Nachfrage heißt. Im Herbst könne man dann mehr zum neuen Marketing erzählen. Nähere Details wollte das Unternehmen auf Anfrage nicht kommunizieren. Denn vielleicht denkt sich Schuckert gerade das, was ­Gütebier schon im Jänner gegenüber der Tiroler Tageszeitung feststellte: „Es gibt deutlich mehr zu tun, als ich im Vorfeld angenommen habe.“ So seien etwa auch im Marketing grundsätzliche Fehler gemacht worden, meinte Gütebier damals, die es am besten früher als später auszumerzen gilt.

Als gesetzt gilt laut Gütebier, dass es kika und Leiner als eigenständige Vertriebsschienen geben wird, wobei sich ersteres als junges, modernes Möbelhaus positionieren wird, Leiner hingegen soll eher in der „gehobenen Mitte“ bis hin zum Premiumsegment angesiedelt sein. Zwar sieht das auf den ersten Blick nicht nach einer Umwälzung der Markenpositionierung aus, zumindest auf der Kommunikationsschiene wird es aber einen Neustart und früher oder später einen Werbeboost brauchen.

Der erste Schritt ist mit der Entscheidung für Ecker & Partner als neue PR-Agentur gesetzt. Schließlich habe das Vertrauen der Kunden durch die negative Berichterstattung „deutlich gelitten“, gab Gütebier zu. Und auch das Werbepflänzchen regt sich schon, wie die Februar-Spending-Zahlen von Focus offenbaren. Denn demnach rückte Leiner in dem Monat mit einem satten Plus von fast 150 Prozent schon mal zum sechstgrößten Werbepusher am Gesamtmarkt im Vorjahresvergleich vor.

Lachender Lutz
Dass aber die kika/Leiner-Krise eine Abwärtsspirale der Werbespendings ausgelöst hat, bestätigt auch Thomas Saliger, Marketingleiter und Unternehmenssprecher des wohl größten Profiteurs der Situation – der Lutz-Gruppe – auf Nachfrage. Das Welser Unternehmen hat 2018 seine Bruttospendings um 7,2 Prozent reduziert und rutschte damit vom zweiten auf den dritten Platz im Gesamtranking der Top-Werber. Und das nur, weil kika/Leiner Probleme hatte, so ­Saliger: „Ja, natürlich lag das am reduzierten Werbeaufkommen von kika/Leiner. Wir konnten so den Druck etwas verringern.“ Auch das generelle Einbrechen der Spendings im Möbelsegment schreibt er der drohenden Insolvenz des Mitbewerbers zu. Das eigene „leichte Nachlassen“ spiele hier nicht die wesentliche Rolle.

Während kika/Leiner mit seiner Sanierung kämpft, treibt die Lutz-Gruppe ihre Expansionspolitik voran. Hierzulande sitzt XXXLutz nach wie vor auf Platz eins der Möbel-Werber, gefolgt von Schwester Möbelix, die gegenüber 2017 zwei Plätze gutmachen konnte. Mömax bleibt auf der fünf, während kika (Rang drei) und Leiner (Rang vier) um je einen Platz verloren haben.



‚Kein Zweifel, wer Platzhirsch ist‘
Der österreichische Markt ist in fester Lutz-Hand (nämlich seit 2003, als man kika/Leiner ablöste), der internationale soll folgen. Nach dem Kauf der deutschen Poco-Kette 2018 streute selbige Hand erst Ende Mai noch einmal Salz in die Wunde, indem sie 22 kika-Filialen in Ungarn, Tschechien, Rumänien und der Slowakei kaufte. Den internationalen Überblick über alle Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen zu behalten, sei auch künftig „gar kein Problem“, winkt Saliger ab, da man sehr regional denke. Der Markenkern sei überall derselbe (nämlich „XXXL“), vor Ort stimme man die Positionierung und Kommunikation mit den Landesverantwortlichen ab. Zudem verweist Saliger auf die noch ausstehende Genehmigung durch die Kartellämter. Bis dahin feiern er und sein Team vielleicht noch das 20. Jubiläum des Lutz-Aushängeschilds, der Familie Putz. Diese ist nicht mehr nur hierzulande die Markenbotschafterin, sondern mittlerweile auch in Tschechien, zum Teil in der Schweiz und in Bulgarien. Eine weitere geographische Ausrollung sei grundsätzlich möglich, kündigt Saliger an, konkrete Gedanken gebe es aber noch nicht.

Konkret sei hingegen die künftige Präsenz hierzulande. „Wir haben den Werbedruck wieder deutlich erhöht“, zeigt sich Saliger einmal mehr kämpferisch: „Wir sind hier sehr flexibel mit unseren Budgets und reagieren sofort auf jede Initiative des Mitbewerbs. Wir werden keinerlei Zweifel aufkommen lassen, wer in Österreich Platzhirsch ist.“

Neuauftritt im ‚Bettenlager‘
Nicht nur ist Österreichs Möbelbranche in Lutz-Hand, sondern vor allem in der Hand heimischer Konzerne. Ikea mag der Weltmarktführer sein, landet werbetechnisch gemessen am Mitbewerb hierzulande jedoch nur auf Rang sechs. Unter den beliebtesten Einrichtungshäusern war es 2018 einer Gallup-Umfrage zufolge immerhin gleichauf mit XXXLutz auf Platz eins. Wie das heurige Werbejahr aussehen soll, wollte Ikea auf Nachfrage allerdings nicht kommentieren.

Zu den beliebtesten Möbelhäusern zählt auch das Dänische Bettenlager, das erst im Oktober seine Marketingagenden neu ausrichtete. Weniger Prospekte, mehr Digital, hieß es da. Kommunikationsmanager Michael Rotermund aus der Zentrale in Deutschland zieht gegenüber HORIZONT sein erstes Fazit: „Mehr digitale Angebote, mehr digitales Performance-Marketing, mehr local-based Activities zusätzlich zu unserer bewährten Print-Werbung.“ Man arbeite in allen Ländern, auch in Österreich, daran, alle Vertriebskanäle wie Fachmärkte, City-Stores und Onlineshops intensiv miteinander zu verzahnen. Insgesamt sei man „mit der Entwicklung sehr zufrieden“. Einschüchtern lassen will man sich im konzentrierten österreichischen Markt nicht. Man positioniere sich als Anbieter mit skandinavischen Wurzeln, mit einem klaren, attraktiven Profil. Im Bereich Schlafen/Bettwaren sei man zudem „Kompetenzführer unserer Branche. Daraus ergibt sich eine Alleinstellung, die wir gezielt kommunizieren und bewerben“, skizziert Rotermund. Bezüglich Werbung trete man daher gegen niemanden direkt an, „sondern wir haben ein eigenständiges Profil in der Kommunikation und in der Wahrnehmung unserer Kunden“.

Klassische Kanal-Zugpferde
Lässt man Social, Search und Co außer Acht, nimmt gemäß Focus Online mit 3,6 Prozent im hiesigen Möbelsektor eine vergleichsweise geringe Rolle ein. Ebenfalls eine kleinere Rolle spielt Außenwerbung, die mit 2,7 Prozent weit unter dem Gesamt-OOH-Wert von 6,6 Prozent liegt. Werbe-Zugpferd für die Möbelmarken ist das Direct Marketing, das ein Drittel des Media-Share einnimmt. Allerdings konnten auch die Möbelhändler den allgemeinen Spendigsverlust von Direct Marketing 2018 nicht aufhalten – der Werbeträger wies mit einem Minus von 6,6 Prozent die drittschwächste Werbeentwicklung auf. Print ist für die Möbelwerbung der zweitwichtigste Kanal, gefolgt von TV und schließlich Radio als klassischem Promotion-Lautsprecher. Ein Pferd, auf das weiters alle setzen sollten, ist die Verzahnung von On- und Offline, wie etwa auch der aktuelle Omnichannel-Readiness-Index, ermittelt durch den Handelsverband und Google Österreich, beweist (siehe Bericht auf Seite 14). In der Kategorie „Personalisierung, Loyalty und Sharing“ erweisen sich kika und Leiner 2019 mit 95 Prozent erneut als Spitzenreiter. Bei allem Konkurrenzkampf mit alten Bekannten gilt es aber eines nicht zu vergessen – auch die künftige (Online-)Konkurrenz schläft nicht.

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