Die Suche nach dem Sinn

Purpose Driven Marketing: Was Marketing und Werbung über Konsument:innen und deren Bedürfnisse wissen müssen.

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Es war im Jahr 1983: Als eines der ersten Unternehmen wurde American Express bei einem Thema aktiv, das heutzutage als "Purpose (driven) Marketing" tituliert werden würde: Ziel damals war es, sich für die Wiederherstellung der Freiheitsstatue einzusetzen. Für jeden Kartenumsatz spendete das Finanzunternehmen einen Cent für die Restaurierung. Die Folge: Positive Presseberichte, die Zahl der Karteninhaber wuchs um 45 Prozent, die Zahl der Nutzung der Karte um 28 Prozent.

66 Prozent ...
… entscheiden sich für eine Marke, weil diese für eine bestimmte Kultur steht und ihre Versprechen einhält. (Accenture)
Heute ist "Purpose Driven Marketing" auch das Ergebnis einer veränderten Schwerpunktsetzung im Marketing. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lag der Fokus des Marketings im Verkauf von Dienstleistungen oder von Produkten. Immer mehr entwickelte sich diese Disziplin dann aber auch hin zu stärkerer Konsumentenorientierung und emotionaler Markenbindung. Der Wandel hat auch damit zu tun, dass sich der Konsument zum Prosumenten emanzipiert hat. Der Prosument ist ein Abnehmer, der professionelle Ansprüche an die angebotene Leistung stellt und nicht nur einfach mehr konsumieren möchte.
Was ist Purpose Driven Marketing?

Unter dem „Purpose Driven Marketing“ versteht man die Marketing-Bemühungen eines Unternehmens, etwas Sinnstiftendes zu generieren. Unternehmen sind in diesem Zusammenhang bemüht, sich für etwas einzusetzen, was auch den eigenen Kunden etwas bedeutet. Durch Aktionen in diesem Bereich soll ein gegenseitiger Nutzen für Unternehmen und Shareholder mit Sozialwert geschaffen werden.



Zurückzuführen ist dieser Ansatz der Konsumenten darauf, dass der gesellschaftliche Wandel alle Bereiche des Lebens beeinflusst. Die Zeit soll sinnvoll verbracht werden, im Beruf, in der Freizeit aber auch, wenn konsumiert wird. Soziale oder ökologische Themen stehen dabei natürlich ganz oben auf der Liste: Tierschutz, Nachhaltigkeit, gesundes Leben oder Umweltschutz um nur ein paar Beispiele zu nennen – kurz gesagt: Es geht um Marketing mit Haltung.

Konsumentenwünsche bei Nachhaltigkeit

Nike, Trump & Kaepernick

Eines der bekanntesten Beispiele der vergangenen Jahre ist Nike "gelungen": Nachdem Football-Star Colin Kaepernick als Protest gegen die Polizeigewalt in den USA 2016 während der Nationalhymne auf die Knie ging und Präsident Donald Trump ihn daraufhin einen "Hurensohn" nannte, verpflichtete Nike den NFL-Quarterback für seine neueste "Just-do-it"-Kampagne. Die Folgen: Die Aktion polarisierte extrem, führte auch zu zahlreichen Boykottaufrufen – und einem Rekordhoch des Nike-Aktienkurses.

Nike-Kampagne

Dass Konsumenten immer häufiger ihre Kaufentscheidung nach gesellschaftlichen Werten ausrichten, ist mittlerweile auch durch Studien hinterlegt. So befragte Accenture Kunden, warum sie bestimmte Marken im Bereich der Bekleidung kaufen. Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache.
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Junge Personen sind „Purpose Aktivisten“

Auch in Deutschland wurden zum Thema Purpose Marketing bereits Daten erhoben, die den Trend bestätigen. Vor allem die junge Zielgruppe ist hierbei besonders interessant: Erwartungsgemäß verteidigen junge Konsumenten ihre Konsumentscheidungen am offensivsten und empfehlen "gute" Marken innerhalb ihrer Peergroup. 62 Prozent der 14- bis 29-Jährigen sind wahre "Purpose-Aktivisten".
52 Prozent ...
… entscheiden sich für eine Marke, weil deren Haltung mit den persönlichen Werten übereinstimmt. (Accenture)
Aber auch fast die Hälfte der über 30-Jährigen empfiehlt regelmäßig Produkte, die nicht nur gut für sie, sondern für die Welt sind, kommt eine Studie der Strategieberatung different zum Schluss.
62 Prozent ...
… entscheiden sich für eine Marke, weil diese Plastik reduzieren und die Umwelt schützen will. (Accenture)


Ebenso wichtig für Unternehmen: 51 Prozent der Verbraucher sind laut der Studie bereit, höhere Preise für "guten Konsum" zu bezahlen. Bei der jungen Zielgruppe zwischen 14 und 29 Jahren liegt die Aufpreis-Bereitschaft sogar bei 64 Prozent. "Es ist nicht überraschend, dass Konsument:innen umso purpose-orientierter kauft, je jünger und gebildeter und einkommensstärker er oder sie ist. Unerwartet ist aber, dass die Ambition, purposegetrieben zu konsumieren, keine Frage des Einkommens ist“, urteilen die Studienautoren.

Die Reise durch die eigene Imperfektion

Purpose ist aus Sicht der Studienautoren jedenfalls keine Marketingmechanik und müsse vom gesamten Unternehmen getragen werden, um wirken zu können. Marketing könne daher nicht der Eigentümer des Purpose, sehr wohl aber seine schützende und stützende Kraft sein. Die Studienergebnisse zeigen, dass erfolgreiche Purpose-Kommunikation nicht erst bei der perfekt formulierten Erfolgsmessage startet und auch nicht mit der effizienten Kanalauswahl endet.
62 Prozent ...
… entscheiden sich für eine Marke, weil diese bestimmte ethische Werte vertritt. (Accenture)
Purpose sei daher eine Reise durch die eigene Imperfektion. Die muss man zwar für und mit dem Konsumenten, aber vor allem auch im Zusammenspiel mit Produktportfolio und Gesamtunternehmen antreten. Marketing muss zukünftig eine weitaus kritischere und proaktivere Rolle einnehmen.
"Purpose ist kein Schönwetter-Segeln"

Emke Hillrichs von der Strategieberatung different in Berlin im Gespräch.

Wie sehr ist das Thema "Purpose Driven Marketing" in der DACH-Region bereits angekommen?
Alle großen Marken sehen Purpose als essenziellen Teil des Marketings. Grund dafür ist, dass Purpose einen unmittelbaren Effekt auf den Unternehmenserfolg hat und dieser zeigt sich unabhängig von klassischen demographischen Clustern oder Lifestyle-Parametern. Purpose-driven zu handeln ist für Unternehmen also keine Spielerei, sondern dient der Existenzsicherung. Wer diesen Fakt außer Acht lässt, verhält sich (nicht nur ökonomisch) naiv.

Wie wichtig ist "Purpose Driven Marketing" im Kommunikationsmix von Unternehmen?
Wer als Unternehmen Nutzer:innen, Mitarbeiter:innen und die Talente von morgen binden und aktivieren möchte, darf sich heute schon nicht mehr nur auf die wirtschaftliche Zukunft fokussieren, sondern sollte vor allem einen Purpose haben – und alle Marketingaktivitäten damit abgleichen. Purpose Driven Marketing ist also für großen Marken zunehmend wichtig, weil ihnen sonst keiner mehr zuhört. Die Menschen erwarten von Unternehmen regelrecht, dass sie Stellung beziehen statt sich vor relevanten Fragen (die in ihrer Einflusssphäre liegen) wegducken. Und Mitarbeiter:innen brauchen diese Art der Kommunikation als einen Kompass, um die Fliehkräfte von Change und Transformation auszuhalten.

Welche Fehler werden häufig noch gemacht, wo sehen Sie daher das größte Verbesserungspotenzial?
Achtung ist geboten vor Purpose-Washing. Unternehmen sollten nur einen Purpose definieren, wenn sie es wirklich ernst meinen und das auch belegen können. Weiterhin gilt, dass Purpose ist kein Schönwetter-Segeln ist. Purpose ist keine Mode und kein Luxus, den man sich in wirtschaftlichen guten Zeiten mal leistet. Er sollte in allen Lagen einen Nordstern darstellen. Darum reicht es auch nicht, einen Purpose zu haben, sondern er muss auch fundamentaler Bestandteil der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens sein. Und zu guter Letzt muss Entscheider:innen klar sein, dass Gewinn und Gemeinwohl-Orientierung keinen Widerspruch darstellen. Dabei ist Gewinn jedoch keine direkte Folge einer klaren Haltung, sondern speist sich aus einer sinnstiftenden Gesellschaftsorientierung der gesamten Aktivitäten eines Unternehmens. 

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