Seit 15 Jahren ist Thomas Schwabl als Geschäftsführer von Marketagent in der Online-Meinungsforschung tätig.
Die Marketagent-Studie ‚Österreich 2040‘ zeigt: Gedruckte Medien sollen weiterhin Bestand haben, aber auch Facebook behält seine Relevanz
HORIZONT: Kürzlich haben Sie die Ergebnisse der Studie „Österreich 2040“ präsentiert, die 1.500 Österreicher zu ihren Erwartungen an das Leben in 25 Jahren befragt hat. Was war für Sie dabei die grundlegendste Erkenntnis?
Thomas Schwabl: Vor allem, was die Erwartungen an die Lebensqualität betrifft, zeichnet sich ein pessimistisches, tiefschwarzes Bild ab, die Befragten glauben etwa, dass sich die Arbeitslosenquote verdoppeln wird und ganze 70 Prozent gehen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Situation bis 2040 deutlich verschlechtern wird. „Österreich 2040“ beschäftigt sich zwar mit den Prognosen der Österreicher, ist aber vielmehr ein Spiegel der Zeit, unter anderem bedingt durch die aktuelle Flüchtlingssituation und die Terroranschläge in Paris, denn die Erhebung wurde genau in diesem Zeitrahmen durchgeführt. Ich sage immer, „wenn du den lieben Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen“ – de facto weiß natürlich keiner, wie unser Leben in 25 Jahren tatsächlich aussehen wird, aber wir finden es dennoch interessant und relevant, ein Stimmungsbild zu zeichnen. Dazu ist auch zu sagen, dass Dinge, die zu abstrakt oder schwer vorstellbar sind, von den Befragten auch gar nicht prognostiziert werden können, genauso, wie vor 25 Jahren wohl kaum jemand die SMS oder das Smartphone prognostiziert hätte.
HORIZONT: Was erwarten sich die Befragten von der Kommunikations- und Medienlandschaft im Jahr 2040?
Schwabl: Im Zuge der Studie haben wir ein Ranking aufgestellt, das abgefragt hat, welche Dinge es in 25 Jahren noch geben wird, hier standen Dinge wie Erlagscheine, Bankfilialen, Reisebüros, Kinos oder gedruckte Medien zur Auswahl, um einige Beispiele zu nennen. Durchaus überraschend war dabei, dass das Kino an allererster Stelle steht, was die erwartete Zukunftsfitness betrifft und auch gedruckte Zeitungen werden laut den Prognosen der Befragten weiterhin ihre Relevanz haben. An eine gänzliche Verdrängung von Print durch digitale Medien glauben jedenfalls lediglich 36 Prozent.
HORIZONT: Auch Internet- beziehungsweise Mediensucht generell werden in der Studie thematisiert. Eine Gefahr im Jahr 2040?
Schwabl: Den Erwartungen der Befragten nach, ja. Laut ihnen wird es eine neue Generation an Süchten geben, mit Internetsucht an erster Stelle, gefolgt von Abhängigkeit von klassischen Medien wie etwa dem Fernsehen. Befürchtet werden an zweiter Stelle Süchte, die mit dem Körperbild zu tun haben, wie etwa Essstörungen, die ja oft auch durch verzerrte Darstellungen in den Medien befeuert werden. Die klassischen Süchte wie etwa Alkohol, Nikotin und Drogen wurden von den Probanden ebenso, aber deutlich weniger drastisch prognostiziert, als die oben genannten Beispiele.
HORIZONT: Gab es je nach Altersgruppe, Geschlecht oder Herkunft signifikante Unterschiede? Schwabl: Die Tatsache, dass junge Menschen die Zukunft grundsätzlich optimistischer sehen und neuen Entwicklungen offener gegenüberstehen, zieht sich als roter Faden durch die gesamte Studie. Außerdem hat sich gezeigt, dass Männer gegenüber technologischen Neuerungen zukunftsgläubiger sind, während Frauen tendenziell eher damit rechnen, dass eine gesunde, biologische, nachhaltige und vielleicht auch vegetarische oder vegane Ernährungsweise im Jahr 2040 deutlich an Relevanz gewonnen haben wird.
HORIZONT: „Österreich 2040“ ist eine von Marketagent eigeninitiierte Studie. Warum ist es für Sie sinnvoll, gewisse Themen wie ebendieses selbst zu beleuchten? Schwabl: Wir führen immer wieder eigeninitiierte Studien durch, der Anteil ist allerdings eher klein – von insgesamt 1.000 Studien, die wir im Jahr durchführen, betreiben wir 500 im Full-Service im Auftrag von Kunden, eine beinahe gleich hohe Anzahl entfällt an Auftraggeber, für die wir lediglich die Interviews durchführen und zehn bis 20 weitere im Jahr führen wir eigenständig durch. Einerseits sind das Themen, die wir persönlich für relevant halten, andererseits wollen wir unseren Kunden damit spannende Inhalte bieten, abseits von den Leistungen, die wir sonst für sie erbringen.
HORIZONT: Marketagent feiert in diesem Jahr bereits sein 15. Jubiläum. Was haben Sie seither dazugelernt und welchen Herausforderungen der Onlinemarktforschung müssen Sie sich heute stellen? Schwabl: Was sich immer wieder bewiesen hat, ist, dass die Onlinemarktforschung lediglich ein jetzt nicht mehr ganz so neues Kommunikationsmedium ist, grundsätzlich funktioniert sie aber ganz genau so, wie ein Papierfragebogen vor 80 Jahren. Das Rüstzeug und die Richtlinien der schriftlichen Befragung sind de facto die gleichen. Aktuell müssen wir uns der Herausforderung stellen, dass die Bereiche Online und Mobile immer mehr verschmelzen – wir müssen die Fragebögen für unsere Probanden so gestalten, dass sie mit allen Endgeräten abrufbar und beantwortbar sind. Natürlich funktionieren mittlerweile alle Fragebögen responsive, das Ganze ist aber dennoch ein laufender Prozess und eine Baustelle, die uns weiterhin begleiten wird. Wir haben immer den Ansatz verfolgt, die Fragebögen relativ straight zu gestalten, damit sich alle Teilnehmer – auch jene, die vielleicht etwas älter und nicht so internetaffin sind – auch auskennen. Seit ein paar Jahren gibt es allerdings den Trend, mehr und mehr Gamification-Elemente miteinzubringen, um Antwortroutinen aufzubrechen. Auch damit setzen wir uns intensiv auseinander, denn im Endeffekt geht es sehr stark darum, die Umfrageteilnehmer bei Laune zu halten – denn der Abbruch der Teilnahme ist immer nur einen Mausklick entfernt.
15 Jahre Marketagent.com Im Jahr 2000 kam Thomas Schwabl im Zuge einer Mountainbike-Ausfahrt die Idee, sich mit Marketagent.com selbstständig zu machen. Im Nachhinein schmunzelt der Geschäftsführer darüber, wie er selbst sagt, so „blauäugig gewesen zu sein“, zu glauben, dass die SMS das Befragungsmedium der Zukunft wird und dass die Do-it-yourself-Methode bereits marktreif ist. „Wir haben damals an einer internationalen Marktforschungsplattform gearbeitet, über die man als Kunde eigenständig Umfragen programmieren und steuern konnte, und zwar ohne jegliches Zutun durch uns selbst.“
Ein Konzept, das kein einziges Mal eingesetzt wurde, „wir waren damals unserer Zeit voraus und der Markt war noch nicht bereit“, so Schwabl. Die Kunden blieben aus und das Platzen der Internetblase im Jahr 2001 tat ihr übriges, sodass man kurz davor war, zuzusperren. Schwabl war bereits dabei, sich einen neuen Job zu suchen, als die Telekom Austria (damals mit der Marke jet2web) an die Tür klopfte. „Ab 2003 ging es zügig bergauf und wir konnten uns in den Folgejahren fast immer verdoppeln.“
Heute realisiert Marketagent.com jährlich rund 1.000 Studien und ist neben Baden bei Wien auch in Zürich, München und Maribor vertreten. Schwabl dazu: „Die Expansion in die Schweiz war unser erstes Auslandsabenteuer, das bis heute gut funktioniert – dort sitzt ein Vertriebsteam von fünf Personen, die restliche Abwicklung erfolgt allerdings in Österreich. Deutschland hingegen ist ein eher schwieriger Markt, da der Mitbewerb sehr groß ist. Auch in Maribor, Slowenien war es am Anfang nicht unbedingt einfach, unser Standort dort hat sich aber mittlerweile zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt für den CEE-Raum etabliert, dort werden wir auch weiter expandieren.“