1,6 Millionen oder – je nach Definition – noch mehr Personen mit Migrationshintergrund leben in Österreich. Ihre Meinung zu erheben, erfordert andere Methoden und viel Gespür
Neben profunder Kenntnis der Heterogenität und der kulturellen Eigenheiten der Gruppen ist auch Improvisation gefragt. Christina Matzka, Projektleiterin der 2011 als Arbeitsgemeinschaft von The Skills Group, Meinungsraum.at und "Biber" gegründeten
EthnOpinion, hat schon manche Hürde bei der Befragung von Migranten überwunden: etwa, wenn die Befragten auf andere Incentives ansprechen als die Mehrheitsbevölkerung. „Für die Teilnahme an den Befragungen gibt es üblicherweise Bonuspunkte, die in Bargeld oder Gutscheine umgetauscht werden können, manchmal auch Gewinnspiele. Migranten sind aber oft sehr skeptisch, wenn es darum geht, Daten für die Übermittlung der Incentives oder Gewinne zur Verfügung zu stellen“, erzählt sie, „da müssen wir dann Wege zur anonymen Übermittlung finden.“
In diesen und anderen Fällen, wo es um auf den ersten Blick kaum erklärbares Verhalten geht, hilft ein Anruf beim "Biber". Die Zeitschrift und ihre Mitarbeiter sind für EthnOpinion Schnittstelle in die Communitys, wirken bei Themenausarbeitung und Fragestellung mit, ebenso bei der Rekrutierung. Das Migranten-Panel umfasst rund 5.000 Personen, jeweils etwa 500 bei den größten Gruppen (deutsch, türkisch, serbisch, bosnisch, kroatisch). „Je nach Sprachkenntnissen und Altersstruktur der Gruppe wird online und offline gefragt, ergänzt durch Fokusgruppen mit acht bis zehn Teilnehmern mit Moderatorin und Native Speaker“, damit das Panel repräsentativ ist. Abgesehen von der Skepsis bei Incentives mögen es die Migranten aber, zum Objekt der Marktforschung zu werden, „oft hören wir etwas wie: ‚Endlich werden wir auch einmal um unsere Meinung gefragt‘“, ortet Matzka viel Wertschätzung unter den Migranten. Auch störe es die Befragten kaum, spezifisch als Migranten „erforscht“ zu werden, und bevorzugt werden Sie auf Deutsch befragt, obwohl EthnOpinion Fragebögen und Interviewer in den meisten Migrantensprachen hat. Matzka: „Deutsch ist meist die Alltags- und Geschäftssprache.“
40 Prozent wahlberechtigt
Die Relevanz der Migranten ist nicht zu übersehen: Nach der Definition „beide Elternteile im Ausland geboren“ leben 1,625 Millionen Migranten in Österreich (19,4 Prozent der Bevölkerung) und haben eine Kaufkraft von 25 Milliarden Euro. 40 Prozent davon sind zudem österreichische Staatsbürger, also potenzielle Wähler. Doch es dürften deutlich mehr als die 1,6 Millionen Menschen zusätzliche kulturelle Prägungen besitzen (etwa jene, die nur einen Elternteil haben, der im Ausland geboren ist, oder Kinder hier geborener Eltern, die sich überwiegend in großen ethnischen Communitys bewegen) und damit für zielgerichtetes „Ethno-Marketing“ empfänglich sein. Über Bedürfnisse, Konsumverhalten oder politische Präferenz der „Zielgruppe Migranten“ gibt es also noch reichlich zu erforschen.