Martin Roy über die Rolle von Messen als Marketinginstrument in Zeiten der Digitalisierung und über die Diversifizierung bei Reed Österreich
Martin Roy: Nein, absolut nicht. Ich bin sozusagen ein spät berufenes Messekind, war zuvor in ganz anderen Bereichen beruflich tätig, die nichts mit Messen zu tun haben.
Roy: Sie ist Herausforderung und auch die große Chance. Als ich 2002 zu Reed wechselte, meinten manche in meinem Umfeld, dass so etwas wie Messen angesichts der damaligen Internet-Begeisterung keine Zukunft haben, dass derartige Marktplätze bald überholt sein würden.
HORIZONT: Was muss man tun, damit das langfristig nicht passiert?Roy: Die Digitalisierung betrifft das Produkt Messe nicht wesentlich mehr oder weniger als fast jedes andere Produkt oder jede andere Branche. Der Geschäftserfolg basiert immer noch stark auf persönlichem Kontakt, analog sozusagen. Es ist natürlich nicht mehr so, dass der Messebesucher immer noch mit ein paar Sackerln nach Hause geht. Heute kann man, speziell bei Fachmessen, wo sich der Besucher vorab registriert, diesem lange vor, während und nach dem Messebesuch ein umfassendes Service anbieten.
HORIZONT: Wie sieht das im Idealfall aus Sicht des Veranstalters aus?Roy: Etwa, dass man ihn zu jenen Anbietern, die für ihn besonders interessant sind, vermitteln und auch einen Termin mit einem Aussteller vereinbaren, ihn beim Flanieren auf der Messe mit einem Routenplan unterstützen und ihm währenddessen digital Infos zukommen lassen oder auch nach dem Messebesuch mit Informationen zu seinen Interessen versorgen kann.
HORIZONT: Wie haben sich Publikumsmessen gewandelt, welche Rolle spielt die Digitalisierung da? Roy: Jeder kann sich, weil er sich ja nicht registrieren muss, im Vorhinein umfassend über die Messe schlau machen, einen Newsletter abonnieren oder ganzjährig Infos beziehen. Im Grunde geht es immer darum, Angebot und Nachfrage optimal zu verbinden, Matchmaker zu sein. Die Tools der digitalen Welt erleichtern das. Eine reine Messe im Netz würde nicht erfolgreich sein, denn da fehlt der unmittelbare Benefit, das Persönliche.
HORIZONT: Ist diese Sammlung von Daten und deren Nutzung nicht für manche Kunden auch problematisch?Roy: Wir haben in Österreich, und ich kann das durchaus sagen, denn der Reed-Konzern ist auf der ganzen Welt präsent, eines der strengsten Datenschutzgesetze überhaupt. Außerdem gibt der Kunde seine Zustimmung und ein Opt-out ist jederzeit möglich. Unternehmer stellen meist gerne ihre Daten zur Verfügung, denn sie verstehen den Benefit aus unseren Dienstleistungen sehr gut. Aber auch Private haben meist kein Problem damit. Wir betreiben ja erstens kein Geschäft mit der Information und zweitens geben viele Menschen im Privatleben etwa auf Social Media oder auf Amazon längst bewusst Informationen zu ihren Konsumgewohnheiten preis.
HORIZONT: Reed Exhibitions ist ein globales Unternehmen, Österreich ein kleiner Markt. Welche Entwicklungen oder Tools werden zu uns kommen, die anderswo Alltag sind?Roy: Österreich ist bei Reed viel wichtiger, als man glauben mag. Unter den 43 Ländern liegen wir vom Umsatz her auf Rang sechs, entsprechend ist auch das Standing im Konzern. Wir können daher mitbestimmen, wohin der Kurs geht. Ein weiterer Riesenvorteil, ein gewichtiger Teil dieses Konzerns zu sein, ist es, dass Investitionen für Forschung, die oft im zweistelligen Millionenbereich liegen, schnell nach Österreich durchschlagen, dass also dem Kunden Leistungen angeboten werden können, die andere kommunale Veranstalter rein vom Aufwand her nicht bieten können.
HORIZONT: Sie wollen kleine Unternehmer als Aussteller gewinnen. Angesichts vieler Events, wo sich etwa Start-ups präsentieren, wie gehen Sie das an? Roy: Wir können uns erfolgreich der Realität anpassen: Zum einen gibt es in Österreich derzeit gerade einen Wechsel in der Unternehmergeneration bei den KMU. Den Vätern muss man das Tool Messe nicht erklären – und die Jungen gewinnen wir mit neuen Formaten oder genauen Messungen von Kontakten und mit speziellen Starter-Paketen. Reed unterstützt die Unternehmer ja sehr umfassend, in Sachen PR, Marketing, Standbau und vielem mehr. Bei jüngeren Themen sprechen wir etwa mit der neuen Vienna Comic Con eine Community an, die mit ebenso viel Herzblut dabei ist wie die Modellbauer, für die wir schon lange eine Messe haben.
HORIZONT: Wie vermarktet man das Produkt Reed Exhibitions angesichts einer derartigen Vielfalt von Themen? Roy: Wir haben unsere eigene Marktforschung und eine New-Business-Abteilung im Haus, um neue Themen und Konzeptionen zu finden. Man muss ja der Zeit voraus sein, wenn man eine Messe veranstaltet, die Entwicklungen in der Bloggerszene und in Social Media beobachten, die klassischen Medien sowieso. Wir haben rund 250 Printmedien abonniert, großteils Fachmedien aus den rund 40 Branchen, wo wir tätig sind. Mit diesen Branchen, mit den Innungen, den Fachverbänden und den Journalisten sind wir in intensivem Kontakt. Unser größtes Asset ist dabei sicher die Firmendatenbank, die wohl eine der umfassendsten in Österreich ist. Reed als Marke selbst wird nicht primär vermarktet. Im Fokus stehen die jeweiligen Messe-Brands.
HORIZONT: Wie abhängig ist das Messegeschäft von der Konjunktur? Roy: Wir sind sicher ein Spiegelbild der Konjunktur, unsere Leistungen werden ja von den Marketingbudgets der Unternehmen bestritten. Andererseits ist in vielen Branchen Österreichs Wirtschaft von kleinen und mittleren Unternhemen dominiert, deren wichtigster und oft einziger Absatzkanal Messen sind. Daher ist unser Messegeschäft auch in turbulenteren Zeiten gut abgefedert. Ein weiterer Vorteil im Messegeschäft ist, dass wir standortgebunden agieren können, nicht nur in Wien oder Salzburg aktiv sind, Das Publikum selbst kommt meist aus einem Radius von 150 bis 200 Kilometern. In Salzburg, der Fachmessehauptstadt Österreichs, sind wir bis weit nach Bayern oder nach Südtirol relevant; in Wien in den Nachbarländern. Wir bieten über die Eigenveranstaltungen auch umfassende Dienstleistungen an und betreiben auch die Messe Wien selbst, servicieren dort Kongresse mit 20.000 und mehr Besuchern. Letzteres stabilisiert und ist auch eine große Wachstumschance.
HORIZONT: Wie geht das am Standort Österreich, der laut Rankings, etwa zu Wettbewerbsfähigkeit, eher verliert?Roy: Wir sind Unternehmer, daher mit neuen Steuern naturgemäß nicht glücklich. Aber ich war bei Reed lange für unser Schwesterunternehmen in Russland tätig, dort ist die Konjunktur wirklich massiv weggebrochen, ähnliches passierte in Spanien oder Brasilien. Da jammert man bei uns vergleichsweise auf hohem Niveau.