Mehr als Mozartkugeln und Lipizzaner
 

Mehr als Mozartkugeln und Lipizzaner

Die Regierung wünscht sich eine moderne Nation Brand Österreich – Brandingexperten äußern dazu ihre Ideen, während der unabhängige britische Regierungsberater Simon Anholt vor einer Vereinfachung der Thematik warnt.

„Eine Vision der Marke Österreich, die nach innen und außen wirkt und das Image stärken soll“, wünscht sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Im Ministerrat am 25. Oktober wurde der Umsetzungsplan für die neue "Marke Österreich", einer modernen "Nation Brand" beschlossen. Der Hintergrund? „Je positiver unser Außenbild ist, desto attraktiver sind wir für Investoren, Touristen, Geschäftsreisende und qualifizierte Zuwanderer. Dazu kommen Vorteile beim Vermarkten von Produkten, Dienstleistungen und Innovationen", so Mitterlehner. Im "Anholt-Roper-GfK Nation Brand Index 2011", an dessen Erhebung Österreich zur Positionsbestimmung für das "Nation Branding" teilgenommen hat und der die Wahrnehmung von 50 Ländern durch rund 20.000 Befragte misst, nimmt Österreich den 13. Rang ein, liegt jedoch hinter Ländern wie Deutschland, der Schweiz oder Schweden. Der nächste Schritt ist die europaweite Ausschreibung für die Projektbetreuung, die über die Bundesbeschaffungsagentur erfolgen wird. Und wer soll und darf hier mitreden? Alle Ressorts der Bundesregierung, Vertreter von Wirtschaft, Industrie, Tourismus und Kultur sowie die Ansiedlungsagentur ABA-Invest in Austria. Ziel: Die Präsentation der ersten Ergebnisse im Anfang 2013.

Aber zunächst die Frage: Ist ein Nation Branding wirklich notwendig? „Auf jeden Fall, denn auch wenn man auf Bestehendem, auf Österreichs Geschichte und Tradition aufbauen muss, wird ein allein historisches, vielleicht sogar von Mozartkugeln und Lipizzanern geprägtes Österreich-Bild kaum zukunfts- und hilfreich sein“, stellt Peter Deisenberger, Gründer und Geschäftsführer, Creative Management Brainds fest. Schließlich gehe es um Österreichs Identität: „Alte Identifikationsmöglichkeiten des souveränen Staates werden vermutlich mittel- und langfristig in einem Europa der Regionen, sprich ‚Vereinigte Staaten von Europa’, verloren gehen“. Zweitens zählt der Brandingexperte auf, gehe es um die Positionierung im globalen Wettbewerb, – unter dem Motto „Österreich ist attraktiv und im Konsumentenbewusstsein erste Wahl“. Deisenberger glaubt, dass eine Marke ein intelligentes Steuerungssystem ist, die effektive Kommunikation erlaubt.

Keine messbaren Verbesserungen

Etwas anders sieht dies der unabhängige britische Regierungsberater Simon Anholt, Präger des Begriffs „Nation Brand“ und Erfinder des oben erwähnten Brand Index: „Der Begriff Branding ist irreführend und impliziert, dass man das eigene nationale Image nicht schätzt, sondern manipulieren will, indem man Slogans, Logos, PR und Kampagnen gestaltet, als wäre eine Nation ein Soft Drinks oder Laufschuh. Eine Nation ist kein Produkt. Es gibt keinen Beweis, dass ein Land jemals Erfolg damit hatte, sein internationales Image messbar zu verändern.“

Metadesign Berlin-Geschäftsführerin Uli Mayer-Johanssen sieht eine Chance, sich klar zu positionieren: „Eine Land wie Österreich muss den Menschen Identifikation und Orientierung bieten – um Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit zu schaffen. Eine starke Marke kann dieses Vertrauen in einem attraktiven Vorstellungsbild bündeln und die Stärken, Leistungen und Potentiale des Landes gezielt hervorheben. Die Marke muss den Kopf und vor allem die Herzen der Menschen erreichen. Österreich ist ein tolles, facettenreiches Land mitten im Herzen Europas. Österreich müsste sich aber sicher auch mit seinen Kontrasten auseinandersetzen: Tradition und Moderne, Urbanität und Landleben, Natur- und Wirtschaftsraum.“

Das Brainds-Duo, Deisenberger und Thomas Hotko, Leiter „Brand Consulting“ bei Brainds, betont außerdem: „Die Politik sollte sich aus der inhaltlichen Diskussion weitgehend heraushalten, und selbst nur als eine vieler Stakeholdergruppen am Prozess teilnehmen. Die Gründung eines Think Tanks erscheint sinnvoll, der ein Prozessdesign entwickelt und schließlich auch große Teile der Bevölkerung, direkt oder durch starke Medienpartner, mit einbezieht.“ Als gelungene Beispiele für Nation Branding nennt Hotko Finnland, „mit bemerkenswert starken Ansagen“ oder Deutschland, mit „ergebnisorientierter und authentischer ‚Tüchtigkeit’ und einem beachtliches Corporate Design der Republik und ihrer Institutionen gestaltet“.

Mayer-Johanssen erzählt: „Wir hatten die Chance den Markenprozess für Südtirol begleiten zu dürfen. Südtirol hat als erste und einzige Region eine gemeinsame Dachmarke für Tourismus und landwirtschaftliche Produkte etabliert. Das übergreifende Dach, das aus einer gemeinsamen Vision gespeist wird, macht die Einheit in der Vielfalt sichtbar und bündelt die vorhandenen Kräfte.“ Der bekannte Markenspezialist und Saffron-Gründer Wally Olins, der neben VW auch die Marke London mitprägte (siehe Interview Seite 6), ergänzt, dass „eine Nationbrand niemals nur ‚extern’ – also nur für Touristen oder Investoren aus anderen Ländern funktionieren darf. Die Einwohner eines Landes oder einer Stadt müssen sich und ihre Heimat authentisch in der Marke finden.“ Deisenberger dazu: „Letztendlich kann auch die Politik bestimmte Werte vertreten, ohne auf die nächste Wahl zu schielen, weil ein gutes Nation Branding auch Klarheit erzeugt und die Frage, was die Nation ist, und was sie in Zukunft sein will, eindeutig zu beantworten weiß“. Anholt bleibt indessen kritisch: „Es ist passender zu sagen: Nation Branding ist das Problem, nicht die Lösung, denn anstatt ein Land auf das Level kindischer Stereotypen zu reduzieren sollte eine verantwortungsvolle Regierung genau das Gegenteil tun. Nämlich: Sicherstellen, dass so viele Menschen wie möglich und weltweit, tausende Dinge über das eigene Land wissen, anstelle das Land auf ein Logo oder einen Slogan zu reduzieren.“

Mehr zu "Nation Brand Österreich" folgt im Laufe der Woche.



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