Hunderte Marken, Milliarden an Investments: Das Werbespektakel zur Fußball-WM ist voll angelaufen. Marketer setzten schon jetzt auf die aktivierende Kraft des Megaevents – von Sponsoring über POS bis Ambush Marketing.
Diese Coverstory ist zuerst in HORIZONT 19/2018 erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
Ankick zum Milliardenbusiness: In einem Monat werden bei der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland 32 Nationen dem begehrten WM-Titel hinterherjagen; schon jetzt tun dies Marken um die Gunst ihrer Konsumenten. Die Weltmeisterschaft bedeutet Emotionen pur und zeigt sich dabei als weltweiter Publikumsmagnet: Über drei Milliarden Fans verfolgten die letzte Ausgabe 2014 gesamt über alle Spiele, allein das Finale brachte knapp 700 Millionen Zuseher im eigenen Wohnzimmer – ergänzt mit Public Viewings waren es über eine Milliarde. Das ist ein willkommenes Tummelfeld für Marken: Die WM in Brasilien erzielte einen Bruttowerbewert in den österreichischen TV- und Printmedien von rund 73 Millionen Euro, wie die Experten von Focus auflisten. Die WM vereint damit fast zehn Prozent aller Sportarten – und wird auch in diesem Jahr eines der medial meisttransportierten Events des Landes sein.
Focus analysiert für die letzte WM im Rahmen des Events eine Präsenz von satten 354 unterschiedlichen Sponsorenmarken. „Am präsentesten bei diesem Event zeigen sich Marken aus den Wirtschaftsbereichen Sportartikel, alkoholfreie Getränke sowie PKW“, so Focus-Geschäftsführer Marcel Grell gegenüber HORIZONT. Sportartikelhändler vereinen naheliegenderweise fast ein Drittel der Bruttowerbewerte, aber auch alkoholfreie Getränke mit zehn Prozent Anteil, PKW-Hersteller, Mineralölprodukte und Kreditkartenanbieter, mit Werten knapp darunter, setzen auf die Strahlkraft von König Fußball. Adidas, einer der „üblichen Verdächtigen“ im Buhlen rund um Sportevents, erzielte einen Bruttowerbewert von knapp neun Millionen Euro – vor Castrol und Nike, Sony und Visa. Als beliebteste Platzierungsarten im Umfeld einer Fußball-WM gelten bei Werbetreibenden die LED-Banden mit hoher Sichtbarkeit bei TV-Live-Übertragungen, gefolgt von den nicht-elektronischen Bandenplatzierungen, Präsenzen auf den Trikots der Spieler, dem Interview-Corner sowie Logos auf der Kleidung der Trainer. Die Ziele der werbetreibenden Unternehmen im Sportssponsoring sind klar definiert, wie Marktforscher Nielsen auflistet: 84 Prozent wollen über solche Aktivitäten ihr Image steigern, 80 Prozent die Bekanntheit. Kundenbindung im B2C sowie B2B-Kontaktpflege geben im D-A-CH-Markt nur etwa die Hälfte der Unternehmen als Ziel aus.
Die diesjährige Fußball-WM ist aber auch von bisher Unbekanntem geprägt. Die Sublizenzierung der ORF-Rechte an oe24.TV gilt in diesem Ausmaß als Premiere. Neu sind für die Fifa die Probleme im Verkauf der offiziellen Sponsorenpackages. Allein 256 Millionen Euro generiert der Weltfußballverband mit den Hauptsponsoren; die Kommerzialisierung auf den Ebenen darunter mit neu eingeführten „Regional Supporter“-Packages hinkt jedoch gewaltig.
TV-Rechte: Völlig neue Vorzeichen
Zwar hat der ORF in den vergangenen Jahren einige wichtige Fußballrechte wie die Champions League oder auch die Österreichische Bundesliga abgeben müssen. Bei der Weltmeisterschaft 2018 wird der öffentlich-rechtliche Sender aber wohl wieder im Quotenhoch schweben. Denn wer das runde Leder aus Russland live sehen will, kommt am ORF nicht vorbei. Details zum Sendeschema während der WM sind noch nicht bekannt. Und dennoch gibt es eine kleine Sensation, denn Wolfgang Fellner konnte sich ein interessantes Paket sichern, das vom ORF sublizenziert wurde – und sich damit gegen mitbietende Privatsender durchsetzen. Oe24.TV wird während der gesamten Fifa Fußball- Weltmeisterschaft Russland 2018, jeden Tag beginnend um sechs Uhr früh, 24 Stunden lang alle Highlights senden. Nach der Live-Ausstrahlung im ORF werden alle WM-Spiele auf oe24.TV noch einmal zeitversetzt wiederholt, um sie auch für Zuseher, die nachmittags nicht zuhause waren, in voller Länge zu zeigen. Das Highlight: Ab 25. Juni werden schließlich fast eine Woche lang die Parallelspiele zur jeweiligen Gruppen-Entscheidung live und exklusiv auf oe24.TV laufen. Alle anderen Sender müssen sich in Österreich mit dem Recht auf Kurzberichterstattung im Rahmen von Nachrichtensendungen begnügen.
Ambush Marketing: Viele surfen mit
Viele Marken ersparen sich die hohe Lizenzsumme als Sponsor und surfen trotzdem auf der Kommunikationswelle der Weltmeisterschaft, auch Ambush-Marketing genannt. Weltweit bekannt wurde dieses Phänomen im Jahr 1994 rund um die Fußball-WM in den USA. Bei brütender Hitze teilte Nike vor dem Finalspiel rund 70.000 Kappen mit dem Swoosh-Logo aus, die dann bei der LiveÜbertragung Dutzende Male bei Kameraeinstellungen zu sehen waren. Hauptsponsor und Konkurrent adidas war „not amused“. Mittlerweile haben sich die Rechteinhaber aber gewappnet, um den eigenen Sponsoren Schutz zu bieten – so weit es rechtlich möglich ist. Aktionen wie von Nike werden frühzeitig abgefangen. Eigens abgestellte Personen schauen auch bei dieser Fußball-WM bei jedem Match penibel darauf, ob Fans mit gebrandeter Kleidung von Nicht-Sponsoren ins Stadion wollen und verwehren gegebenenfalls den Eintritt. Zudem werden bei den großen Sportevents Zonen definiert, innerhalb derer nur offizielle Sponsoren agieren dürfen. Wer aber gewisse Regeln beachtet, kann bedenkenlos die Aufmerksamkeit nützen: Ein Fußball-Kuchen beim Bäcker ums Eck ist erlaubt, solange er nicht etwa WM-2018-Kuchen heißt. Oder: „20 Prozent auf alles während der WM“ – kein Problem. Derart eher wenig kreative Botschaften wird man im Juni und Juli zur Genüge sehen. Eine deutliche Abgrenzung wird nur den wirklich kreativen Ambushern gelingen – wie 2012, als der irische Wettanbieter dem dänischen Stürmer Nicklas Bendtner im Vorrundenspiel gegen Portugal eine gebrandete Unterhose spendierte, die er beim Torjubel in Szene setzte.
17 von 34: Unbefriedigende Sponsorensuche
Ein unübliches Zahlenspiel begleitet die Fifa bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland einen Monat vor Beginn des Turniers: Erst die Hälfte der 34 möglichen Sponsorenplätze sind vergeben. Das ist eine neue Situation, beim letzten globalen Turnier 2014 in Brasilien waren die damals begehrten Sponsoring-Tickets bereits Monate vor Beginn vergriffen. Die Sponsoren- Struktur der Fifa für die Weltmeisterschaft sieht acht Sponsoren auf der höchsten Ebene vor, die sogenannten Hauptsponsoren, offiziell Fifa- Partner genannt. Aktuell sind hier mit adidas, Coca-Cola, Hyundai-Kia, Visa, Gazprom, Qatar Airways und der chinesischen Infront-Muttergesellschaft Dalian Wanda Group sieben vergeben. Alle diese Sponsoren zahlen 32 Millionen Euro für ihr Sponsorship. Der zweiten Ebene – offiziell Fifa World Cup Sponsor genannt – fehlt auch noch ein Partner. Bisher dabei sind AB Inbev (Budweiser), Hisense, McDonalds’s, Mengniu Group und Vivo. Die Pakete dieser Ebene kosten zwischen acht und 20 Millionen Euro pro Jahr. Die meisten Probleme gibt es auf der dritten Ebene, der sogenannten „Regional Supporter“. Hierfür wurden bez i ehungswe i se werden erstmals für jeden Kontinent vier Sponsoren gesucht. Aktuell gibt es jedoch erst fünf (!) Abschlüsse für die insgesamt 20 Plätze. Die meisten Buchungen gibt es für Europa, getrieben durch Unternehmen aus Russland: Alrosa (Diamantenproduzent), die russische Alfa-Bank, das Telekommunikationsunternehmen Rostelecom sowie die russische Bahngesellschaft Russian Railways sind an Bord. Für Asien konnte der chinesische Rollerhersteller Yadea motiviert werden. Damit sind 15 Plätze wenige Wochen vor der WM nach wie vor nicht vergeben.
Aktivitäten: Von Herbert Prohaska bis Panini
Die ersten Werbeaktivitäten rund um die Weltmeisterschaft sind bereits in Österreich zu sehen. So hat etwa Handelsriese Hofer eine Kampagne „Bereit für den nächsten Fußball- Abend“ gestartet, die auf die „passenden Snacks und Getränke“ hinweist. Zum Knabbern anregen will auch Kelly’s: „Unübersehbar werden wir die Fußball-WM am POS inszenieren und bieten den Konsumenten mit unserem Facebook-Tippspiel die Möglichkeit, sich mit Herbert Prohaska zu messen und dabei attraktive Preise zu gewinnen“, so Maria Bauernfried, Marketingdirector Kelly im Gespräch mit dem HORIZONT. Als offizieller WM-Sponsor ist auch Coca-Cola mit dabei und hat, wie zuletzt 2016 zur Europameisterschaft auch, eine gemeinsame Aktion mit dem Pickerlgiganten Panini gestartet: Im Heft zur WM in Russland gibt es wieder eine Doppelseite von Coca-Cola. Ab Mai kann man die Sticker für diese Doppelseite exklusiv hinter dem Etikett von gekennzeichneten 0,5l-Coca-Cola- und Coca- Cola-Zero-Flaschen bekommen. Ebenfalls eine Panini- Aktion startet der WM-Partner McDonald’s: Ab 21.05. erhalten myMcDonald’s-Mitglieder ein Gratis-Päckchen Panini-Sticker zu jedem McMenü, McMenü mittel und Happy Meal oder für den Erlös von 12 Ms. Jedes Päckchen enthält eins von zwei Fußballlegenden-Stickern, welche exklusiv bei McDonald’s Österreich erhältlich sind.
[Jürgen Hofer][Michael Fiala]