HORIZONT bat drei Marketing-Praktiker aus denkbar unterschiedlichen Branchen um ihre Einschätzung zur Rolle des Marketings in der Zukunft
Große Veränderungen für Marketer. Digitalisierung, Fragmentierung oder Individualisierung sind nur drei der Schlagworte. HORIZONT befragte Wissenschafter, Dienstleister und ebenso Praktiker. „Wie ist ihre Einschätzung der Zukunft des Marketings?“, lautete eine Frage an die Marketingleiter namhafter Unternehmen.
Von der Digitalisierung zum Beispiel, namentlich durch den Onlinehandel, ist wohl kaum eine Branche so stark bewegt wie der Einzelhandel. Kerstin Neumayer, Mitglied des Vorstands von Merkur und verantwortlich unter anderem für Marketing, verweist auf die jüngst erfolgte Neudefinition des Markenkernwerts. Plakativstes Zeichen für diesen Paradigmenwechsel bei Merkur ist die Pensionierung des Mr. Ano Nym. Die Strenge des Kontrollors wurde von einem „emotionaleren, authentischeren und sympathischeren“ Markenauftritt abgelöst. Neumayer: „Ein Trend, der uns beim Prozess der Neuorientierung begegnete, ist die Sehnsucht der Endverbraucher nach Authentizität, Individualität und Selbstbestimmung.“ Der Konsument frage sich verstärkt, ob das Leitmotiv eines Unternehmens im Einklang mit seinen Überzeugungen stehe. „Wichtiger denn je ist es, im Unterbewusstsein der Kunden positiv und fest verankert zu sein.“
Diese Verbindung sieht auch Andreas Cieslar, Bereichsleiter Marketing & Branding der Casinos Austria AG, nach wie vor als wichtigste Funktion des Marketings. „Es ist eine Aufgabe ohne Ablaufdatum. In Zeiten zunehmender Transparenz stehen Marketingaussagen aber noch stärker auf dem Prüfstand.“ Und so verlange integriertes Marketing auch intensive Auseinandersetzung intern, mit jenen Mitarbeitern, die an der Leistungserstellung mitwirken. Cieslar: „Zum Know-how über die Kommunikation von One-to-many und One-to-one Richtung Markt, braucht es tiefes Verständnis für Produkte und damit verbundene Dienstleistungen.
Neues Marketing?Für Alf Netek, CMO bei Kapsch, klingt das Marketing der Zukunft vorderhand so: SoLoMo, ROPO, MeWe’s. Übersetzt: Social, Local, Mobile; Research Online, Purchase Offline. Und MeWe’s steht für die Generation Z, die Social Natives. „Die zunehmende Dynamik soziokultureller und technologischer Treiber – etwa Selbstoptimierung und Digitalisierung –, der Wechsel im Generation Lead, die sichtbaren Konsequenzen disruptiver Innovationen, Crowd und Cloud oder die Lust des Konsumenten nach ständig intensiveren Erlebnissen und Gefühlen fordern Veränderungen im Marketing-Selbstverständnis.“ Nun würden unter den Kunden letztlich „begeisterte Botschafter einer Marke“ gesucht.
Netek: „Damit wird Marketing zum Zeremonienmeister einer neuen Freizeitindustrie; bemerkenswert, unterhaltend und auf allen Kanälen. Quasi emergent übersummativ, omnipräsent.“ Doch auch für das „neue Marketing“ komme der Zero Moment of Truth. Angesichts digitaler Intermediäre (also etwa Plattformen wie TripAdvisor) kommt für Netek „der traditionellen Empfehlung und der guten alten Mundpropaganda wieder überragende Bedeutung zu. Also ist das ,neue‘ Marketing vielleicht doch nicht so neu, wie es manchen erscheinen mag.“