20 Jahre RMS Austria: Geschäftsführer Joachim Feher über neue Dynamik am Markt, Ausbau der Infrastruktur, den Wandel vom reinen Reichweitenmedium zum Conversionbringer und sein gelassenes Verhältnis zur globalen Konkurrenz.
Dieser Artikel ist zuerst in Ausgabe Nr. 17/2018 des HORIZONT erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!
HORIZONT: 20 Jahre RMS – wie wichtig erachten Sie rückblickend die Installierung eines gemeinsamen Privatradio-Vermarkters?
Joachim Feher: Die Gründung der RMS vor 20 Jahren war das Beste, das die österreichischen Radiosender je gemeinsam gemacht haben. Um für nationale Werbetreibende attraktiv zu sein, braucht es eine Organisation, die Agenturen serviciert, Marketing macht und eine gemeinsame Reichweiten- Kombi bietet. Diese Einsicht war essenziell; ebenso wie jene, es nicht selbst zu machen, sondern über den erfahrenen Radiovermarkter aus Deutschland.
Aktuell sprechen viele über notwendige Allianzen, Privatradios leben das seit 20 Jahren vor. Wie beurteilen Sie die Rolle der RMS am Medienmarkt?
Die RMS wird in Österreichs Medienszene gerne als das Vorzeigemodell hergenommen: Eine übergeordnete Vermarktung, die ein ausgleichendes Interessensgefäß ist, die ein Stück weit unabhängig ist, in der nicht ein großer Partner andere dominiert. Das Asset der RMS ist es, einen gemeinsamen Nenner zu finden, unter dem sich alle wiederfinden. Das ist beispielsweise etwas, das die Bundesländer-Tageszeitungen nie geschafft haben.
Wie schwierig ist das Erzielen eines gemeinsamen Nenners?
Es ist heute wahrscheinlich eine leichtere Aufgabe als früher, auch weil wir im Radiomarkt große Stabilität vorfinden. Mit dem Start von DAB+ ergeben sich aber neue Optionen, dazu kommen Bestrebungen für weitere nationale Sender – das bringt neue Dynamik und Fragen zur etwaigen Integration neuer Player, veränderter Buchungslogik und neuen Vermarktungsprodukten. Die zweite große Herausforderung ist die Digitalisierung samt Data Driven Advertising im Audiosegment; auch dafür benötigen wir die Allianz aus allen Sendern.
Benötigt es hier eine sanfte Weiterentwicklung oder eine komplette Neuaufstellung, um diese Gegebenheiten am Markt abbilden zu können?
Natürlich müssen wir auf diese neuen digitalen Anforderungen reagieren und entsprechende Angebote bieten. Ich bin fast ein Jahr dabei und habe es aber immer auch als meine Aufgabe gesehen, das UKW-Geschäft, das noch sehr lange unser Rückgrat sein wird, zu hegen und zu pflegen. Insofern will ich weiterentwickeln, weil auch im klassischen UKW noch Potenzial steckt: Wir sind die Mediengattung mit der größten Reichweite und der längsten Nutzungsdauer, haben aber trotzdem nur sechs Prozent Marktanteil am gesamten Werbekuchen.
Müssen Sie sich als Privatradiovermarkter den Vorwurf gefallen lassen, nicht mehr Anteile an den Spendings zu generieren?
Ich bin weit davon entfernt, unzufrieden zu sein. Die RMS macht seit vielen Jahren hervorragendes Gattungsmarketing und zeigt, dass Radiowerbung auch anders eingesetzt werden kann als für reine Promotions. Radio kann „Fernsehen für die Ohren sein“. Das hat bisher in der Breite noch nicht so gefruchtet. Daher initiieren wir Texter-Workshops, die Kooperation mit dem CCA, die Aktion Werbewunder Radio – all das passiert mit der Intention, Radio bei allen Auftraggebern zu stärken. Ja, wir sind letztes Jahr gewachsen; aber ich bin davon überzeugt, dass Radio einen Platz in viel mehr Mediaplänen verdient hat.
Kommt das angesprochene Wachstum aus der UKW-Vermarktung oder über Streams?
Wir sind im UKW-Bereich sehr gut gewachsen, da unsere großen Kunden mit der guten Werbekonjunktur mitgewachsen sind. Dazu haben wir unseren Share im Radiobereich ausweiten können. Aber auch digital verzeichnen wir ein zufriedenstellendes Plus. Wir bewegen uns hier im einstelligen Prozentbereich am Gesamtumsatz.
Reichweiten und Hördauer in UKW sind bei gleichzeitig zunehmender Digitalnutzung relativ stabil. Hören die Menschen plötzlich mehr?
Audio ist ein Nebenbeiprodukt. Unser Alltag ist mit immer mehr Tätigkeiten gefüllt, dafür ist Audio der ideale Begleiter – und das unabhängig von UKW-Geräten: Radio ist beispielsweise nicht mehr nur ein Individualverkehrsmedium, sondern durch die Empfangbarkeit über alle Devices auch ein Medium des öffentlichen Verkehrs. Das Hören über Earphones erklärt auch den Boom der Podcasts, unsere deutschen Kollegen haben 2018 bereits mit der Adserverbasierten Vermarktung von Podcasts begonnen – auch wir screenen den Markt sehr intensiv.
Ist das Angebot an Podcasts groß genug für eine Vermarktung?
Österreich wacht gerade auf; und es sind ja nicht nur die Sender selbst, die merken, dass sie den Usern mehr anbieten müssen als lineares Programm: Ich vernehme auch von Printverlegern und Influencern das verstärkte Interesse an eigenen Podcasts.
Was fordert denn der Markt in Sachen Digitalisierung von der RMS für die nächsten Jahre und wie stellen Sie sich dafür auf?
Die Zukunft ist datenbasierte Werbung. Wir arbeiten daher intensiv am Aufbau einer eigenen Data Management Platform. Radiosender sind unglaublich nah an ihrem Publikum und kennen es durch Events, Gewinnspiele oder Interaktion on air bestens. Künftig gilt es diese Daten nicht nur zu erheben und strukturiert zu sammeln, sondern über alle Sender hinweg programmatisch nutzbar zu machen. Durch die hohe Mobilität der Nutzung in Kombi mit zig Playern und Apps greifen im Audiobereich Cookies nur für einen ganz geringen Teil, daher haben wir eine eigene Listener_ID geschaffen. Auch das Thema Voice Control wird unsere Branche verändern und neue Möglichkeiten schaffen: voice activated spots über smarte Assistenten bieten interaktive Ansprache – damit bewegt sich Radiowerbung weg von reiner Awareness und Reichweite hin zum Performance-Medium.
Anbieter von Smart Assistants, die im Audiosegment mitmischen und damit neue Konkurrenz darstellen, sind gleichzeitig jene, die mit ihrer Technologie diese neuen Möglichkeiten erst eröffnen. Ist das nicht eine skurrile Konstellation?
Das ist eine wichtige und spannende Frage, die die Politik auch regulativ bedenken muss – Stichwort: Gatekeeper und Walled Gardens. Im Augenblick ist die Situation großartig, weil in jedem Haus mit einem Smartspeaker automatisch die Audionutzung steigt – und dabei zu drei Viertel Radio genutzt wird.
Sind Streamingdienste also weniger Konkurrenz als oft befürchtet?
Radio kann mehr als reine Musik, weil es kuratierte Inhalte bietet. Insofern müssen wir uns nicht fürchten. Bedrohlich würde es erst werden, wenn Streamingdienste versuchen richtiges Radio zu machen; Radio lebt aber stark vom lokalen Aspekt, das macht es für die globalen Giganten wiederum sehr schwer.
Stichwort neue Angebote: Wie sieht die RMS die Bemühungen von Wolfgang Fellner zu einem zweiten nationalen Privatradio?
Jeder Radiosender, der uns hilft gegenüber dem ORF zu wachsen, ist uns sehr herzlich willkommen.
Dann müsste aber auch die Verteilung der Erlöse neu definiert werden.
Ich verrate kein Geheimnis: Es wird seit Jahren ein Schlüssel zur Anwendung gebracht, der auf Reichweiten basiert. Dieser wird kontinuierlich gemäß der aktuellen Entwicklung angepasst.
Aber angenommen, Radio agiert künftig verstärkt in der Performance und bringt Conversion: Würde das Preise als auch Verteilungsschlüssel neu definieren?
In der Digitalwelt ist die Risikoteilung zwischen Auftraggeber und Inventarhalter über CPX-Modelle bereits Usus. Wenn ich nachverfolgen kann, dass der Lead über Radiowerbung generiert wurde, ergibt sowas auch durchaus Sinn. Im Augenblick verkaufen wir aber Fläche. Worüber wir diskutieren müssen, ist die Frage, ob jene Radiosender mit mehr und besseren Daten zukünftig größere Anteile erhalten sollen.