Fortsetzung in Schwarz-Grün?
 

Fortsetzung in Schwarz-Grün?

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Wirtschaftsbund trotz Verlusten stimmenstärkste Fraktion, Unos zeigen auf. Votum für einen Neuanfang in der FG Werbung in Wien? Hier ein erstes Stimmungsbild

Die Wirtschaftskammerwahlen sind geschlagen. Auf Bundesebene sorgt das komplexe, reformbedürftige Kammerwahlrecht derzeit für Zufriedenheit oder Kopfweh: Der Wirtschaftsbund (ÖWB), allen voran Präsident Christoph Leitl, frohlockt, weil eine Zwei-Drittel-Mehrheit bewahrt wurde.

Die Grüne Wirtschaft spricht hingegen trotz der eigenen positiven Entwicklung „vom größten Wahlschwindel ­aller Zeiten“, da die Schwarzen mittels Stimmen von Einheitslisten und den Blauen (mit dem Einverständnis des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender = RfW) ihr Ergebnis aufgebessert hätten, so Bundessprecher Volker Plass.

Parallel dazu zeugt das starke erste Auftreten der Unos (Neos) unter dem Motto „Fesseln sprengen“ durchaus von Protestpotenzial.

Wahlbeteiligung ist gestiegen

Vom Großen ins Kleine. Von rund 22.800 wahlberechtigten Unternehmern, die Mitglieder der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation sind, hat etwas mehr als ein Drittel von seinem Stimmrecht Gebrauch ­gemacht.

Das Wahlergebnis auf Bundesebene: Der ÖWB verliert zwei Mandate und hält aktuell 18, der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) verliert ein Mandat und hat nun drei. Der blaue RfW verliert seine zwei Mandate und ist nicht mehr vertreten, die Grünen legen von sechs auf acht Mandate zu und die Unos sind ab sofort mit zwei Mandaten aktiv.

­„Einen großen Wunsch nach Veränderung“, erkennen angesichts des Wahlergebnisses auch alle Fraktionsführer, die in Zukunft mit ihren Mandataren in der Fachgruppe Wien vertreten sein werden.

Das Wiener Ergebnis: der ÖWB verfügt nun mit 31,8 Prozent der Stimmen über elf Mandate (zuletzt 15), die Grünen rangieren mit 25,5 Prozent der Stimmen und acht Mandataren auf Rang zwei (zuletzt acht), der SWV ist mit 23,5 Prozent der Stimmen und acht Mandaten (zuletzt neun) Dritter und die Unos sind mit fünf Mandaten neu dabei.

Die Interpretation des im Ergebnis enthaltenen Wählerwunsches nach einem Neuanfang sieht jedoch jede Fraktion etwas anders. „Ich denke, die Protestwähler, die sich vor allem bei den Unos finden, sind Ausdruck einer generellen Kritik an der Kammer, ihrer Struktur, ihrem Wahlrecht“, meint die derzeitige Fachgruppen-Obfrau Birgit Kraft-Kinz, die mit ihrer Mehrheit trotz des Verlusts von vier Mandaten zufrieden ist.

Mit den immer wieder aufflammenden Querelen zwischen ÖWB und SWV in der Wiener FG, die kurz vor der Wahl in ­einem Namensstreit um die Bezeichnung Team Werbung Wien gipfelten, habe das Wahlergebnis nichts zu tun, glaubt Kraft-Kinz.

Wenn sich zwei streiten …


Das sieht SWV-Fraktionsführer Karl ­Javurek etwas anders: „Es gibt das Sprichwort ‚Wenn sich zwei streiten freut sich der Dritte‘“. Er spricht hier vor allem das respektable Erstergebnis der Unos an, fügt aber hinzu: „Das Wahlergebnis des Teams Werbung Wien ist nicht schlecht. Relevant ist, dass für die Veränderung gestimmt wurde, und dafür stehen wir, der SWV, aber auch die Grüne Wirtschaft und die Unos“ – übrigens eine Koalition, die rechnerisch eine Mehrheit besäße.

SWV-Mitstreiter Marcus Arige fasst zusammen: „Wir hätten uns tatsächlich mehr erhofft. Das gute Wahlergebnis der Unos, die nun über fünf Mandate verfügen, ging auch auf unsere Kosten, doch der eindeutige Wahlverlierer ist der Wirtschaftsbund.“

Dass Streit nie von Vorteil sei, gibt er zu, hält aber fest, dass man „Streit nicht aus dem Weg gehen darf, insbesondere im Falle von Copyright- und Markenrechten“.  Stichwort Team Werbung Wien – ein Rekurs läuft.

Javurek erwartet sich im Hinblick auf die Koali­tionsgespräche keine Einladung von Birgit Kraft-Kinz, ist aber offen für ­alles. „Allerdings müssen wir inhaltlich harmonieren – und ohne Reformen sind wir nicht zu haben.“

Kraft-Kinz will alle Fraktionsführer treffen und zügig voranschreiten, um für die FG-Mitglieder bald wieder aktiv zu werden. Preferred Partner: die Grünen. Das findet bei Stephan Gustav Götz Resonanz: „Wir haben mit Birgit Kraft-Kinz immer sehr gut und korrekt zusammengearbeitet und viele Projekte umgesetzt. Eine Koalition hängt auf jeden Fall davon ab, ob die Veränderung weiter mitgetragen wird. Das werden wir jetzt gemeinsam herausfinden. Ich denke, dass es hier sicher große Bereitschaft gibt.“

Mit dem Stimmenzuwachs der ­Grünen, auch durch die höhere Wahl­beteiligung, von 345 auf 648 Stimmen, ist Götz sehr zufrieden. Er übt aber auch Kritik, denn dieser Zuwachs hat sich nicht in zusätzlichen Mandaten niedergeschlagen.

Intransparentes Wahlrecht


„Ein Zeichen für ein intransparentes Wahlrecht, wie es sich auch beim unsauberen Umgang mit den Stimmen der Namenslisten auf Landes- und Bundesebene ­widerspiegelt“, so Götz.

Er ist außerdem „sehr gespannt“, welche konkreten Vorschläge von den Unos eingebracht werden. Die Grünen stehen jedenfalls für „Innovation, Vereinfachung und spürbare Erleichterungen für EPU und KMU, vor allem in der Bildung und Zusammenarbeit“.

Unos-Sprecher Mathias Miller-Aichholz will mit „dem sensationellen Ergebnis“ ­einen neuen Geist in die Wirtschaftskammer bringen, „wie es auch die Neos im Nationalrat bewiesen haben“.

Als „konstruktiver Stachel im Fleisch der Etablierten“ setzt er gleich bei den großen Themen an: Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft, Veränderungen seitens der Gebietskrankenkasse, die „Unternehmer in den Ruin treibt“, Offenlegung aller WKO-Budgets, Kammerumbau, Teilprivatisierung des Wifi.

„Wir wollen eine Interessenpolitik für die Unternehmer. Die WKO hat mit Transparenz und Mitgestaltung ein Problem. Die gute Nachricht: Wir helfen ab jetzt dabei, das zu lösen.“

Wie es konkret in Wien weitergeht, werden wir interessiert verfolgen. Um einen Einblick in die Bundesländer zu erhalten, werfen Sie einen Blick auf die unten stehende detaillierte Tabelle zu den Wahlergebnissen in der Fachgruppe Werbung.

Dieser Artikel erschien bereits am 6. März 2015 in der HORIZONT-Printausgabe 10/2015. Hier geht's zur Abo-Bestellung.



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