Die Community als Chance für das Radio
 

Die Community als Chance für das Radio

2b AHEAD
Sven Gábor Jánszky ist der Gründer und Chairman des 2b AHEAD ThinkTanks.
Sven Gábor Jánszky ist der Gründer und Chairman des 2b AHEAD ThinkTanks.

Wie Medienkonsumenten als Zielgruppe angesprochen werden sollten und die Antwort auf Spotify und smarte Assistenten aussieht: Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky, Keynote-Speaker beim Radio Research Day, gibt Antworten.

Dieses Interview ist zuerst in Ausgabe Nr.21/2018 erschienen. Noch kein Abo? Hier klicken!

Horizont: Was ist derzeit der stärkste gesellschaftliche Trend?

Sven Gabor Janszky: Der Trend zu Künstlicher Intelligenz. Computer können prognostizieren, was der einzelne Mensch gerne haben könnte. In der Wirtschaft spricht man von Predictive Enterprise, in der Stadtverwaltung von Predictive City. Diese Prognosen auf Basis von Daten führen zu etwas, das wir Zukunftsforscher als granulare Gesellschaft bezeichnen. Die Angebote werden noch individueller und situativ gemacht. Das hat auch eine große Auswirkung auf die Frage, wie Menschen Medien konsumieren, im Fall von Radio also der Konsum von Musik und Information. Die Branche erlebt hier einen Trend, dass die Angebote granularer werden – und dass sie Konkurrenz durch Angebote wie Spotify bekommt.

Was können die Radiosender dagegen tun?

Das Kundensegment für Medien teilt sich derzeit in zwei größere Bereiche: Der erste Bereich besteht aus Menschen, die genau auf sie und ihren Emotionszustand abgestimmte Musik haben wollen. Das können Anbieter wie Spotify sehr gut bedienen, dort bekomme ich meinen idealen Musikstream und in Zukunft könnten dort auch individuell zugeschnittene Informationshäppchen hineinprogrammiert werden. Das zweite Segment bezeichnen wir als „Identitäts- Management-Segment“: In diesem Segment nutzen Menschen klassische Medien, weil sie Teil einer Community sein wollen. Bei Spotify bin ich nicht Teil einer Gemeinschaft. Wenn ich das will, muss ich einen Radiosender hören, den andere auch hören. Radiosender können sich daher als Identitäts-Community darstellen – etwa für heimatverbundene, intellektuelle oder kulturinteressierte Menschen. Radiosender sollten sich also überlegen, für welche Identität sie stehen und welche Community sie um sich versammeln wollen.

Spielen Out-of-Media-Ansätze dabei eine größere Rolle? Zum Beispiel Musikfestivals?

Ja. Denn je mehr die Radiosender zu Identitätsträgern werden und Communities um sich versammeln, umso mehr werden sie andere Dinge anbieten, die eben Community-Aktivitäten sind. Festivals sind das naheliegende, weil sie mit Musik zu tun haben. Andere Community-Aktivitäten könnten gemeinsame Reisen sein, oder Bio- Kochkurse für die Öko-Community. Es könnte sogar passieren, dass das Geschäftsmodell der Radiosender sich insofern ändert, dass sie künftig nicht mehr mit Werbung Geld verdienen, sondern dass das Radioprogramm eher ein Kundenbindungs- und Marketinginstrument ist, während die Refinanzierung über all die anderen Aktivitäten passiert. Diesen Wandel halten wir besonders bei den Privatsendern für äußerst wahrscheinlich.

In Österreich hat KroneHit eine App veröffentlicht, mit der Hörer ihr individualisiertes Radioprogramm gestalten können. Ist es eine gute Idee, eine Konkurrenz zu Spotify zu schaffen?

Ich glaube, dass es dann eine gute Idee ist, wenn man technologisch und in Sachen Kundennutzen tatsächlich mit Spotify mithalten kann. Außerdem kann ein Radiosender etwas hinzufügen, was Spotify bisher nicht bieten kann: die Personality von Moderatoren. Vor zehn Jahren habe ich Radiosendern geraten, sich die Rechte an den Stimmprofilen ihrer Moderatoren zu sichern, so dass ein Computer diese nicht nachahmen kann. Nun kann Google Assistant mit einer Stimme sprechen, die von einer menschlichen Stimme nicht unterschieden werden kann. Mit dieser Technologie könnte also jeder Moderator der Welt in einen Spotify-Stream hineinmodelliert werden. Ein Radiosender kann das besser machen, wenn er die Rechte an den Stimmen seiner Moderatoren hat.

Sind smarte Assistenten für Radiosender Freund oder Feind?

Das hängt davon ab, wie man damit umgeht. Wer sein bisheriges Geschäftsmodell möglichst lange verteidigen möchte, der macht sich die Technologien zum Feind. Diesen Kampf kann man als Radiosender aber schlecht gewinnen, denn die Werbewirtschaft wird dorthin abwandern, wo sie besser messbare Ergebnisse bekommt. Ich glaube, dass die Radiosender sich mit dieser Technologie verbinden müssen. Dafür muss man halt investieren.

Also die Programmierer-Ressourcen aufstocken?

Genau. Das bisherige Programm sollte man weiter machen, parallel dazu aber auch die neuen Dinge anbieten – damit man gerüstet ist, wenn Werbung in die neuen Kanäle abwandert.

Wird die DSGVO das Targeten bremsen?

Die Politik wollte den IT-Konzernen Einhalt gebieten. Nun haben selbige aber als Einzige die Chance, sich konform zu verhalten, weil sie die Mittel dazu haben, während heimische Anbieter gebremst werden. Dieses Missverständnis wird korrigiert werden. Auf lange Sicht wird das nichts daran ändern, dass Datenanalyse nützlich ist und von den Kunden gewünscht wird, weil sie dadurch auch ein besseres Angebot bekommen.

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