Der Verfall vieler Marken
 

Der Verfall vieler Marken

AdobeStock/gustavofrazao
Seit 24 Jahren erhebt Young & Rubicam die Einstellung von mehr als 1,3 Millionen Menschen in über 50 Ländern zu mehr als 50.000 Marken.
Seit 24 Jahren erhebt Young & Rubicam die Einstellung von mehr als 1,3 Millionen Menschen in über 50 Ländern zu mehr als 50.000 Marken.

Zwei Drittel aller Marken haben laut einer aktuellen Erhebung von Young & Rubicam im letzten Jahr an Differenzierung zum Mitbewerb und Relevanz beim Kunden verloren. Das Problem entstehe bereits auf strategischer Ebene.

Millionen Konsumenten, um deren Gunst Tausende Marken buhlen – doch eine aktuelle Erhebung attestiert einem Großteil der Marken ein ernüchterndes Bild. Immer stärker werden diese dabei von gesamtgesellschaftlichen Trends getrieben.65 Prozent der Marken haben im letzten Jahr an Markenkraft abgebaut.

Zu diesem Urteil kommt der aktuelle Brand Asset Valuator BAV, der vor allem Mängel bei den Kerneigenschaften Differenzierung und Relevanz aufzeigt.

„Das deutet klar darauf hin, dass sie keine Story zu ihrem Produkt haben oder diese nicht ausreichend erzählen. Diese Marken verabsäumen es, ein klares Bild davon zu kommunizieren, warum sie überhaupt eine Daseinsberechtigung haben“, erläutert Young-&-Rubicam-Wien-CEO Sebastian Bayer.

Seit 24 Jahren erhebt das Werbeagenturnetzwerk die Einstellung von mehr als 1,3 Millionen Menschen in über 50 Ländern zu mehr als 50.000 Marken. In Österreich wurden repräsentativ über 3.400 Personen befragt. Die abnehmende Markenrelevanz bei vielen Unternehmen ist kein Novum, sondern eine Entwicklung, die sich über die letzten Jahre hinweg zeigt.

Die Problematik beginnt meist schon in der Strategie, nicht erst in der werblichen Umsetzung: Tendenziell würden sich viele Kunden zu wenig Zeit nehmen, um die Markenstory im Detail strategisch zu konzipieren und realisieren. „Die Daseinsberechtigung von Marken erfolgt nicht über die Lautstärke, da benötigt es schon mehr Substanz“, so Bayer.

„Wenn ich in meine Marke vorne keine Energie hineinfülle, säuft sie mir hinterher beim Konsumenten ab.“Zu verorten ist das Problem aber auch auf Chefebene: „Die Marke ist ein entscheidender Faktor, den viele CEOs noch immer unterschätzen.“

Das habe auch damit zu tun, dass diese in ihren Laufbahnen wenig Berührung mit der Markenführung hatten und ihr Unternehmen eher über Kostenoptimierung oder Veränderung der Prozesse steuern. „Dann herrscht eine gewisse Blindheit vor, weil das Verständnis nicht vorhanden ist“, so Bayer. Bei internationalen, erfolgreichen Marken sei das Markenverständnis viel stärker im Mindset verankert.

Digital- und Techmarken punkten

Das Gegenbeispiel stellt die BAV-Top­list dar: Die stärkste Marke in puncto Markenkraft ist der Tech-Gigant Google, gefolgt von der Ländermarke Österreich und dem Lebensmitteldiskonter Hofer. Vor allem Digital- und Technologiebrands gewinnen weiterhin an Stärke.

„Technologie und Digitalbrands haben den Vorteil, dass sie ständig präsent sind – sie gehören zum täglichen Leben, sie erzählen eine klare Story und bringen eine hohe Relevanz mit sich; es gibt beispielsweise keine Diskussion darüber, ob man eine Suchmaschine benötigt oder nicht.“ Dieses Bild untermauern auch Erhebungen wie der aktuell veröffentlichte Brand.

Swipe des Marktforschers Marketagent.com, der YouTube vor Google an der Spitze und Wikipedia auf Platz fünf als sympathischste Brands Österreichs listet – allesamt Marken, die den Konsumenten allgegenwärtig begleiten. Die Bedeutung eines stabilen Markenkerns zeigt das Beispiel Volkswagen: der VW-Abgasskandal ließ Imagewerte und Aktienkurs massiv einbrechen.

Heuer zählt der Automobilkonzern mit einem Sprung von Platz 80 zurück in die Top 25 der stärksten Marken zu den großen Gewinnern. „VW hat sich stark und intensiv der Kommunikation und den Faktoren Vertrautheit, Nähe und Wertschätzung gewidmet. Die Krise wurde dort als Chance für die Marke genutzt“, erläutert Bayer.

Gesellschaftlicher Einfluss

Die Entwicklung von Marken hängt aber auch von gesellschaftlichen Trends ab, attestiert die aktuelle Markenroadshow 2017 der Agentur Serviceplan mit dem Marktforscher GfK. Peter Haller, Serviceplan-Gründer, ortet einen starken Loyalitätsschwund gegenüber Marken, diese würden teils 30 Prozent ihrer Stammkunden pro Jahr verlieren.

21 Megatrends identifiziert Serviceplan als treibende Kräfte – eine Challenge in der Markenführung. Treiber der Trends ist der Mensch selbst: fragmentierte Lebenswelten, Nationalismus, Wertevielfalt, veränderte Geschlechterrollen, Neophobie oder Migrationszuwachs sind bestimmend. Nur vier Megatrends sind dabei technologisch getrieben.

„Es gilt Emotionen von Marken herauszufiltern und Trends zu identifizieren“, bestätigt auch Ulf Schätzel, Leiter des Shopper-Bereichs der GfK Österreich. Das bewusste Besetzen von Trends in der Markenführung sei essenziell. „Im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen sehen wir deutliche Zuspitzungen in der Markenwahrnehmung“, weiß auch BAV-Verantwortlicher Andreas Roitner.

„Ängste, Befürchtungen und Wünsche der Menschen haben natürlich Einfluss auf Marken, diese können sich nicht unabhängig vom kulturellen Umfeld etablieren und bewegen“, ergänzt Bayer. 

Markenkraft Top-15 laut BAV:
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