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'Den Grundstein für die Kurz-Kampagne haben wir 2013 gelegt'

Glaser
Philipp Maderthaner (rechts im Bild) betreut mit seinem Campaigning Bureau Konzerne, NGOs und Politiker. Seit 2013 zählt auch Sebastian Kurz zu seinen Kunden.
Philipp Maderthaner (rechts im Bild) betreut mit seinem Campaigning Bureau Konzerne, NGOs und Politiker. Seit 2013 zählt auch Sebastian Kurz zu seinen Kunden.

Philipp Maderthaner, Gründer des Campaigning Bureau, im HORIZONT-Interview über Mobilisierung im echten Leben und die Rolle von Daten in der Kampagne für Sebastian Kurz.

HORIZONT: Die ÖVP geht als Gewinner der Nationalratswahl 2017 hervor. Welchen Anteil am Erfolg trägt das Campaigning Bureau?

PHILIPP MADERTHANER: Es braucht für eine erfolgreiche Kampagne die drei Cs: Candidate, Cause (das Anliegen, Anm.) und Campaign. Ich hoffe, dass wir unseren Beitrag zur Kampagne geleistet haben. Sebastian Kurz hatte als Spitzenkandidat aber den größten Anteil.

Einige Umfragen schätzten das Wahlergebnis für die ÖVP auf 33 bis 34 Prozent statt der erreichten 31,5 Prozent. Wo hätte man hier noch mehr herausholen können?

Wahlkämpfe haben eine große Schwäche: Ist er gut ausgegangen, war alles super. Wenn nicht, war alles eine Katastrophe. Die Wahrheit liegt dazwischen. Auch wenn die Kampagne erfolgreich war, versuchen wir jetzt zu analysieren, was man nächstes Mal besser machen kann. Aber wir haben die Bestätigung bekommen, dass eine Kampagne mit einem „positiven Drive“ die richtige war. Wir waren uns nicht immer sicher, ob das so auch funktionieren wird.

Wann fiel der Startschuss für die Wahlkampagne 2017?

Wir arbeiten seit Jahren mit der ÖVP zusammen. Zündender Moment für die aktuelle Wahlkampagne war aber der 10. Mai 2017, als Reinhold Mitterlehner zurückgetreten ist. Von dem einen auf den anderen Tag ging es für uns los. Das waren zwei der härtesten Wochen meines Lebens, zehntausend Dinge waren gleichzeitig wichtig.

Seit wann genau läuft die Zusammenarbeit mit Sebastian Kurz?

Wir waren bereits bei der Nationalratswahl 2013 für seinen Vorzugsstimmenwahlkampf zuständig. Das war damals die Grundlagenbewegung, die wir mit ihm rund um ihn geschaffen haben. Der Kontakt zu den damals mobilisierten Menschen ist seitdem nie abgerissen. 2017 war es rasch möglich, bei diesen wieder anzusetzen.

Abgesehen von Social-Media-Interaktion und Flyer-Verteilen: Wie haben Sie diese Menschen mobilisiert?

Es braucht schon den Sprung von der Facebook-Bubble ins echte Leben. Wir haben Schritt für Schritt Fans zu aktiven Mitstreitern gemacht. Sie haben Flyer verteilt, Goodies an die Türen ihrer Nachbarn gehängt, Freunde überzeugt oder sind online aktiv geworden.

Darauf setzen ja auch andere Parteien …

Da gebe ich Ihnen recht, wir waren wahrscheinlich nicht die Einzigen. Ein Großteil der Mobilisierungsarbeit lag bei uns in der E-Mail-Direktkommunikation. Dieser Grassroots-Ansatz war für uns kein Beiwagerl einer Kampagne, sondern die Kampagne selbst, und damit Gold wert. Einen von sechs Wählern konnten wir direkt über unsere eigene Datenbank adressieren, wir mussten nicht jedes Mal Facebook-Euros in die Hand nehmen. Wir konnten diese Viertelmillion Menschen zu einer Hebelwirkung für die Kampagne machen.

Wie kamen Sie zu diesen Daten?

Mit unserer eigenen Software, dem CamBuildr, den wir über die Jahre auch mit dem Beitrag unserer Kunden entwickelt haben und der eine sehr wichtige Rolle im Wahlkampf spielte. Darüber hinaus haben wir zum Beispiel im Bereich Monitoring auf Dritt-Software zurückgegriffen. Auch das anonyme A-/B-Testing sowie das multivariante Testing von Kommunikationsmaßnahmen hat in unserer Kampagne eine große Rolle gespielt. Hier lassen wir in der Mail- oder Facebook-Kommunikation parallel Test-Kommunikationsmaßnahmen laufen, die sich in einer bis zehn Varianten unterscheiden. So konnten wir die Öffnungsraten bei E-Mails um 200 Prozent steigern, bei Spenden-E-Mails konnten wir die Spenden um das Dreifache erhöhen. Auf Facebook konnten wir die Kommunikation zum Teil um das Zwölffache anheben.

In der letzten HORIZONT-Ausgabe meinten Sie, umfassende datengetriebene Direktkommunikation wäre der entscheidende Vorteil gewesen. Wie sah diese datenbasierte Kommunikation genau aus?

Mit einer E-Mail-Adresse konnten wir Kontaktpunkte rund um eine Person aggregieren. So konnten wir über den Kampagnenzeitraum 6,7 Millionen Datenpunkte ansammeln. Etwa darüber, wie stark engagiert jemand in der Kampagne ist. Den Grundstein dafür haben wir eben schon mit dem Vorzugstimmenwahlkampf von Sebastian Kurz 2013 gelegt. Damals haben sich Menschen für die Kampagne eingetragen, wir sind mit ihnen in Kontakt geblieben und haben versucht, sie erneut zu „aktivieren“. Diesmal war es eben eine größere Bühne, unter größerer Beobachtung und mit mehr Menschen im Boot.

Sie sammeln also seit 2013 kontinuierlich Daten?

Das klingt so böse. Aber es wäre ja unaufrichtig gegenüber den Wählern, wenn wir nach dem damaligen Vorzugsstimmenwahlkampf gesagt hätten: Danke für eure Stimme, jetzt stellen wir den Kontakt ein. Das ist genau das, was ein Politiker nicht tun sollte. Daher sind wir mit den 50.000 Menschen in Kontakt geblieben.

Wie sah das "Empowerment Tool" für Unterstützer aus? 

Die "Team Kurz"-App sollte unseren Unterstützern helfen, dranzubleiben, zum Beispiel mit personalisierten Nachrichten: "Lieber Philipp, gestern um diese Zeit hast du dein Ziel bereits erreicht und auf Facebook eine Nachricht gepostet. Heute noch nicht; wie schaut’s aus?"

Inwiefern wird die neue DSGVO und e-Privacy Regelung Ihre Datenarbeit betreffen?

Mit dem Thema sind wir seit unserem Beginn verbunden und setzen auch schon auf einen zertifizierten Datenschutzbeauftragten. Das Gegenüber muss sowieso immer zuerst seine Zustimmung zur Datenverarbeitung geben.  

Sie selbst waren vor der Gründung des Campaigning Bureau in den USA. Haben Sie sich dort etwas für die Kampagnenarbeit abgeschaut?

Der Kampagnenansatz, den wir entwickelt haben und seit fünf Jahren in Österreich, Deutschland und der Schweiz anwenden, ist stark von US-Methoden inspiriert. Eine US-Kopie wäre aber zum Scheitern verurteilt. Wir haben die US-Methoden somit nicht kopiert, sondern datenschutzrechtlich und kulturell modelliert. Der Schlüssel ist aber, eine Methode zu haben, die für Politik, Non-Profit und Unternehmen gleichermaßen funktioniert. Diese Methode haben wir auch bei Sebastian Kurz gewählt.

Was sagen Sie aus Ihrer Sicht zum Stichwort "Dirty Campaigning"? Eher in den USA daheim oder gab’s das eh schon immer in Österreich?

Das sind Methoden, die wir nicht brauchen. Laut einem erfahrenen Politikberater waren es früher eben, auch in Österreich, schmutzige Postwurfsendungen. Ich hoffe, dass unsere „positive Seite“ ein Vorbild für andere war.

Das Campaigning Bureau betreut Ihrer Website zufolge doch sehr unterschiedliche Kunden, von Austrian Airlines bis zum Roten Kreuz oder Ö3. Wo liegen die Unterschiede in der Betreuung zwischen diesen und politischen Parteien?

Die Projekte haben alle einen gemeinsamen Nenner: eine starke Vision hinter ihrem Produkt. Ob das Politik oder eine Blutspende ist. Natürlich stand aber keines unserer Projekte unter einem tagesmedial so großen Druck wie der Wahlkampf. Den Luxus der Selbstbestimmtheit, wie bei anderen Projekten, muss man sich in einem Wahlkampf jeden Tag erkämpfen. Der methodische Ansatz ist aber immer derselbe.

Sie haben das Campaiging Bureau 2012 gegründet. Was hat sich seitdem am österreichischen Campaigning-Agenturen-Markt getan?

Ich habe das Unternehmen ganz kitschig mit dem Laptop auf dem Sofa gegründet. Damals haben alle gefragt: Was macht der da mit dem „Campaigning“? Meine Mission war, Campaigning zu nutzen, egal ob für Unternehmen, Politik oder Soziales. Es geht um Kommunikation, Technologie, Change Management und Organisationsentwicklung. Mittlerweile schreiben sich viele „Campaigning“ an die Tür. Für viele ist es ein dekoratives Accessoire, für uns eine Mobilisierungshandwerk. 

Werden Sie die ÖVP weiterhin betreuen?

Die Zusammenarbeit im Rahmen einer Wahlkampagne ist natürlich immer eine intensive. Was ich natürlich hoffe; dass jetzt alles in "normale Bahnen" einbiegt. Und ich bin mir sicher, dass sich bei unterschiedlichen Projekten die Wege wieder kreuzen.

Das Interview erschien bereits im HORIZONT Nr. 43. Noch kein Abo? Hier klicken.
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