Ausweichroute um das Stoppschild
 

Ausweichroute um das Stoppschild

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A young man is using his tablet in a green nature background, with ad blocker on the screen
A young man is using his tablet in a green nature background, with ad blocker on the screen

Adblocker sind für Verlage und Werbetreibende immer noch ein sensibles Thema. Während in Österreich deren Verwendung zuletzt zurückging, droht nun automatisches Blockieren durch den Browser.

Modernes Raubrittertum“ würden sie bedeuten, meinte Digitalstratege Oliver von Wersch bei der diesjährigen VÖZ-Zeitungsmatinée über Adblocker. Sie seien „Türsteher vor Clubs, die ihnen nicht gehören“, charakterisierte er die Programme, die den Internetnutzer von Werbung fernhalten. Wie groß ist die Problematik um Adblocker zur Zeit wirklich? Es ist zumindest im letzten Jahr in Österreich nicht intensiver geworden: Der Reuters Institute Digital News Report für 2017 weist für Österreich 23 Prozent Adblocker-Nutzer aus, ein Rückgang um drei Prozent. Damit befindet man sich in Europa „im hinteren Mittelfeld“, meinte Josef Trappel zum HORIZONT. Der Leiter des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg, der Kooperationspartner für die österreichische Teilstudie ist, verweist auf die europäische Spitze dieser Kategorie, die Griechenland (36 Prozent), Polen (32) und Frankreich (31) bilden. Selbst Nachbarland Deutschland liegt mit 28 Prozent Adblocker-Verwendern deutlich vor Österreich.

"Dass die Situation in Österreich so ist wie sie ist, liegt meiner persönlichen Meinung nach vor allem am vernünftigeren Umgang österreichischer Site-Betreiber mit dem Thema Clutter. Der Konsument wird auf österreichischen Seiten mit weniger, weil großformatigeren Werbeformaten bombardiert als auf vergleichbaren Angeboten in Deutschland, Großbritannien oder USA. Ein Qualitätsansatz der sich zu rechnen scheint", meint Konrad Mayr-Pernek, Geschäftsführer der Mediaagentur MEC.

Deutlich unter dem Schnitt liegen dabei etwa die User von orf.at. Nur 12 Prozent der Nutzer würden einen Adblocker verwenden, meint Matthias Seiringer, Head of Sales bei der ORF-Enterprise. Man habe sich auch bewusst gegen einen „Adblocker-Blocker“ entschieden, um die Nutzer nicht zu verärgern. Auf dem Smartphone spielen Adblocker so gut wie keine Rolle. International haben nur sieben Prozent entsprechende Programme installiert, berichtet das Reuters Institute.

Wie hart ist Chrome?
Ein Browser, der automatisch Werbung blockt, könnte aber bald Google Chrome sein. Laut aktueller ÖWA-Basic-Auswertung vom September ist das immerhin mit 42,9 Prozent „Marktanteil“ mit großem Abstand Österreichs beliebtester Browser. Ab 2018 soll hier ein integrierter Adblocker alle Werbung blockieren, die nicht den Standards der „Coalition for Better Ads“ entspricht. Dabei stehen vor allem Pop-ups, Video-Ads mit automatisch startendem Sound und große, der Seite vorgeschaltete Werbungen mit Countdown auf der Abschussliste. Ein „Bericht zur Nutzerfreundlichkeit von Werbeanzeigen“ zeigt Webseitenbetreibern, ob Werbungen gegen die neuen Standards verstoßen. Die Aufregung in der Branche war entsprechend groß, bei orf.at bleibt Seiringer aber entspannt. Die entsprechenden Werbeformate biete man gar nicht an, zumal vor allem Formate betroffen seien, die sich über die Seite legen. Daher erwartet Seiringer keine großen Veränderungen, auch nicht beim beliebtesten Werbeformat der Plattform, der Sitebar, die einen Anteil von 80 Prozent habe.

Auch Experte Trappel sieht die Entwicklungen rund um den Chrome Adblocker nüchtern: manche User würden ihn gar nicht bemerken, „weil die geblockte Werbung in der Regel nicht erkennbar ist. Insgesamt wird der Effekt aber überschaubar bleiben, weil Chrome unter den Browsern keine Alleinstellung hat, und auch nicht so marktmächtig ist wie etwa die Google-Suchmaschine.“ Sollten dann allerdings auch andere Browser diesem Beispiel folgen, haben die kommerziellen Inhalteanbieter schlechte Karten“, meint er.

Mittlerweile kehrt vielerorts ohnehin die Überzeugung ein, dass dieser Schritt sogar hilfreich für Werbetreibende sein könnte. Schließlich seien gerade diese als besonders störend empfundenen Formate zumeist überhaupt erst der Grund, warum sich Nutzer einen Adblocker installieren.

Mayr-Pernek gibt aber zu bedenken: "In Österreich hat Google Chrome mittlerweile einen MA von 43% und marschiert auch hier recht unbeirrt in Richtung marktbeherrschender Stellung und ein integrierter Adblocker bei Chrome würde Österreich hier recht rasch auf ein internationales Niveau von Adblocker-User-Anteilen führen. Das Besetzen strategischer Knotenpunkte kombiniert mit durchwegs marktbeherrschenden Stellungen halte ich hier für enorm gefährlich. Ein integrierter Adblocker müsste meiner Meinung nach direkt in eine Klagsflut und Einschreiten der europäischen Behörden führen."

Erfolg vor Gericht?
In Deutschland, wo wie erwähnt das Adblocker-Thema eine größere Rolle spielt als hierzulande, gab es in den vergangenen Monaten Bestrebungen, den Adblockern rechtlich zu Leibe zu rücken. Besonders der beliebte „Adblock Plus“-Dienst und seine Herstellerfirma Eyeo standen im Fokus. Die Blockierung von Werbung funktioniert hier über eine „Blacklist“, „Akzeptable Werbung“ wird über eine „Whitelist“ definiert. Dass man sich in diese „Whitelist“ mittels Lizenzgebühr einkaufen kann, ist einer der größten Streitpunkte. Für die klagenden Parteien Süddeutsche Zeitung, ProSieben, Sat.1 und IP gab es zuletzt aber vor dem OLG München eine Abfuhr. Aufgeben wollen die Kläger jedoch nicht, nun soll der Bundesgerichtshof entscheiden. Für Österreich will Trappel den Verlagen keine allzu großen Hoffnungen auf eine rechtliche Handhabe für Adblocker machen: Rechtsstaatliches Vorgehen gegen Adblocker sei „eine rechtlich heikle Materie und der Ausgang ist ungewiss. Hinzu kommt, dass mit einem gerichtlich erkämpften Verbot von Adblockern die User in ihrer Handlungsfreiheit bei der Internetnutzung beschränkt werden, was wohl viele gar nicht schätzen. Ob Verlage auf diese verärgerten User verzichten können, muss im Einzelfall überlegt werden. Eine Ein-für-alle-Mal-Lösung ist vom Rechtsweg nicht zu erwarten“, meint er.

Mayr-Pernek warnt mit Hinblick auf Deutschland ebenfalls vor zu großen Hoffnungen auf eine rechtliche Lösung. "Wobei sich das Bild meiner Meinung nach dramatisch ändert sobald Browser diesen strategischen Knotenpunkt dafür nutzen, ein weiteres Ungleichgewicht zwischen Marktteilnehmern in anderen Geschäftsbereichen herzustellen", sagt der MEC-Geschäftsführer. "Dann wären die EU beziehungsweise die Politik gefordert, schnellstens zu handeln. Spätestens dann wäre es hoch an der Zeit, Firmenteile dieser Konzerne voneinander zu trennen."

Vielleicht reicht es aber auch aus, die Nutzer einfach zu bitten, ihren Adblocker abzuschalten? Immerhin 43 Prozent aller Nutzer haben für Nachrichtenseiten laut Reuters Institute Digital News Report einer entsprechenden Aufforderung zumindest temporär Folge geleistet.
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