Am Puls der Zeit bleiben
 

Am Puls der Zeit bleiben

Das IFES Institut für empirische Sozialforschung, wird 50 Jahre jung – Gründer Karl Blecha und das Geschäftsführungs-Trio Hermann Wasserbacher, Eva Zeglovits, Reinhard Raml blicken zurück und nach vorn

Dieser Artikel erschien bereits am 3. Juli in der HORIZONT-Printausgabe 27/2015. Hier geht's zur Abo-Bestellung.

„Das waren die golden Zeiten“, erinnert sich Karl Blecha, emeritierter – damals so genannt – Zentralsekretär der SPÖ, Innenminister, seit 1999 Präsident des Pensionistenverbands (SPÖ). Und, vor allem: Mitbegründer des Markt- und Meinungsforschungsinstituts IFES, dem Blecha von der Gründung 1965 bis 1975 als Direktor vorstand. Die „goldenen Zeiten“, von denen Blecha da spricht, das waren die Jahre ab der Minderheits- und dann Alleinregierung von Bruno Kreisky ab 1970. „Wir haben erforscht, dass die Frauen mehr Eigen- und Selbstständigkeit wollen – also ein Recht auf ein eigenes Einkommen, ein eigenes Bankkonto fordern. Bis dahin mussten sie den Ehemann um Zustimmung fragen. Der Hannes Androsch“, erinnert sich Blecha, „hat das dann schnell gesetzlich umgesetzt“ – und für Kreisky eine wichtige Wählergruppe gewonnen, die ihn und die SPÖ „ein Stück des Weges“ begleiteten (so damals die blumige Einladung, SPÖ zu wählen). Das waren Blechas „goldene Zeiten“: Die Marktforschung ortete und analysierte Themen und Probleme, und die „Politik hat Reformprozesse eingeleitet“. Der Ansatz sei gewesen, erinnert Blecha, „durch die angewandten Sozialwissenschaften quantitative und qualitative Prozesse in der Gesellschaft zu erfassen, Strukturveränderungsprozesse zu erkennen und eine simple Frage zu beantworten: ,Was muss – auch politisch – geschehen, um solche Prozesse nicht versanden zu lassen.‘“ Kreisky, weiß Wegbegleiter Blecha, war zutiefst überzeugt, dass sich Reformprozesse planen lassen – aber eine kritische, meinungsforscherische Begleitung brauchen.“


Wer Blecha, Jahrgang 1933, bei der Jubiläums-Pressekonferenz und bei der Abendgala in der Mensa am Campus der WU Wien erleben und hören darf, kann sich gerade als deutlich Jüngerer einem Eindruck nicht entziehen: So fit möchte ich mit über 80 auch sein! Die erstaunliche Präsenz des Altmeisters wirkt da für das IFES-Geschäftsführer-Trio – Hermann Wasserbacher, Jahrgang 1966, seit 2001 in leitenden Funktionen im IFES, Reinhard Raml, Jahrgang 1978, seit 2002 im IFES und seit 2012 in der Geschäftsführung, und Eva Zeglovits, Jahrgang 1976, von Blecha himself vom SORA-Institut 2014 zu IFES geholt, als Ansporn: „Es wurde viel erreicht in den 50 Jahren IFES-Institut – und wir wollen weitere 50 Jahre am Puls der Zeit bleiben!“

Von Anfang an bei Media-Analyse

Der eigentliche Anstoß zur Gründung des IFES kam von der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft unter dem späteren Nationalbanker Heinz Kienzl, erinnert sich Blecha an die Anfänge und die Grundlagen des marktforscherischen Nukleus zur Gründung – Sozialforschung wird heute differenziert in Arbeitswelt­forschung, Mitarbeiterbefragungen, Kundenzufriedenheits- und Image­analysen bis zu Unternehmensberatung und Marktforschung für Unternehmen unterteilt.
Für das IFES legte die empirische Sozialforschung von Paul Lazarsfeld einen methodischen Grundstein. Lazarsfeld, der 1933 in die USA emigrierte und dort mit der Studie „The People’s Choice“ auch die Kommunikationsforschung revolutionierte, stand auch Pate für den zweiten ­Nukleus des IFES, die Politikforschung. Blecha: „Auf Grundlage der Lazarsfeld-Schule haben wir in den 1970er-Jahren den Opinion-Leader-Index entwickelt …“

Dritter Nukleus ist die Medienforschung. Bereits im Gründungsjahr 1965 war IFES als frischgebackenes Institut bei der ersten Erhebung von Daten zum Medienmarkt in Österreich, der Media-Anaylse, dabei – und ist das konsekutiv bis heute.


Schließlich: Grundlagenstudien zur sozialwissenschaftlichen Methodenforschung. „IFES anno 2015 ist ein Full-Service-Marktforschungs­institut“, unterstreicht Wasserbacher: „Wir bieten alle Leistungen vom Interview respektive der Datenerhebung bis zum Verstehen, Interpretieren und Auswerten aus einer Hand an.“ Rund 100.000 Telefoninterviews von 127 geschulten Telefonintervie­wern, rund 35.000 persönliche Interviews von 148 Interviewern und 45–50.000 Online-Interviews führt IFES jährlich durch; im wissenschaftlichen Bereich des Instituts, der Forschung, sind 36 Experten beschäftigt. Das lässt sich auch in Umsatzzahlen gießen: 1990 machte IFES einen Jahresumsatz von vier Millionen Euro, „derzeit“, sagt Wasserbacher, „werden sieben Millionen erreicht.“

Reinhard Raml und Eva Zeglovits

„Um für die künftigen Herausforderungen der Markt- und Meinungsforschung gerüstet zu sein, hat IFES mit Reinhard Raml und Eva Zeglovits zwei herausragende Experten in die Geschäftsführung aufgenommen – IFES blickt stolz auf 50 Jahre zurück und richtet den Blick nach vorn“, sagt Wasserbacher. Eine der Herausforderungen: „Den demografischen Wandel und die rasante Entwicklung der Arbeitswelt – Stichwort Industrie 4.0 – marktforscherisch begleiten.“
„Gesellschaftliche und methodische Umbrüche stellen immer neue Ansprüche an die Forschung“, weiß Raml, der sich insbesondere in der Medienforschung profiliert hat, die er als „Impulsgeber“ für die Marktforschung bezeichnet. Raml hat zuletzt im Dezember als Studienleiter für die CrossMediaReach-Studie von VÖZ-Tageszeitungen die methodische Leistungsfähigkeit des IFES auf der Höhe der Erfordernisse der Zeit unter Beweis gestellt. „Medien- und Marktforschung tragen mehr als 50 Prozent zum IFES-Umsatz bei“, erläutert Raml, „aber im Herzen tragen wir die Sozialforschung – die wir im Sinne von und der Aufklärung betreiben.“


„Das Phänomen Big Data ermöglicht uns Meinungs- und Marktforschern, Daten nicht mehr durch Erfragen, sondern durch Beobachten oder Aufzeichnen zu erfassen“, weiß Politikforscherin Zeglovits. „Wenn es allerdings um Meinungen, Einstellungen oder Gefühle geht – dann muss man nach wie vor die Menschen fragen.“ In der aktuellen „Sonntagsfrage“ liegt die FPÖ vor SPÖ und ÖVP … aber nur 66 Prozent der Respondenten deklarieren sich. „33 Prozent deklarieren sich nicht“, analysiert Zeglovits, „das sind vor allem Stimmen für SPÖ und ÖVP, die derzeit ins Nichtwähler-­Lager wandern.“

Heinz Fischer: ,Ein Kompass‘

Es ist beim Festabend dem Bundespräsidenten Heinz Fischer vorbehalten, Marktforschung zu definieren: „Das ist ein Kompass, der Orientierung und Information gibt, und wenn man ihn richtig benutzt, ist er von großem Wert.“ Fischer muss es wissen, bei seiner ersten Wahl zum Bundespräsidenten 2004 gegen Benita Ferrero-Waldner wurde er in der Ausrichtung seines Wahlkampfes um das höchste Amt im Staat von IFES begleitet und beraten.
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