Die privaten Online-Glücksspielanbieter fürchten, eine neue Regierung könnte ihnen das Leben schwer machen. Für diesen Fall kündigen sie an, ihre Marketing-Ausgaben drastisch herunterzufahren.
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Einmal fand das Match bereits statt – vor fast zwei Jahren, man trennte sich mit einem Unentschieden. Die türkis-blaue Regierung wollte damals das Glückspielmonopolgesetz novellieren und Online-Glücksspielanbietern in Österreich eine Austro-Lizenz vorschreiben. Problem: Lizenzen vergibt das Finanzministerium de facto nur an den staatlichen Lotterie-Monopolisten, an dem die Republik beteiligt ist. Ein novellierter Gesetzesentwurf lag damals zur Beschlussfassung durch den Ministerrat fertig vor. Dagegen liefen dann die privaten Wettanbieter Sturm, die sich in der Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG) zusammenschlossen und nun alle mit EU-Lizenzen arbeiten. Mit Erfolg – der damalige Finanzminister Hartwig Löger zog den Entwurf vor der entscheidenden Ministerratssitzung zurück, „aus technischen Gründen“, wie es hieß.
Doch jetzt könnte es zu einer Neuauflage des Duells Finanzministerium gegen Online-Glücksspielanbieter kommen – zumindest fürchten das Letztere. Die nächste Regierung könnte, so die Sorge der OVWG-Generalsekretärin Raffaela Zillner, eine verpflichtende Austro-Lizenzierung neuerlich verfolgen. Weil so eine Gesetzesnovellierung aber mehr oder weniger den Entzug ihrer heutigen Geschäftsgrundlage darstellen würde, verstärken die Privaten präventiv ihre Offensiv-Abteilung und stellen für diesen Fall eine Abwanderung und den Stopp aller Marketing-Ausgaben in den Raum. Das würde bedeuten, dass die Werbewirtschaft mit einem Schlag rund 50 Millionen Euro pro Jahr an Einnahmen verlieren könnte. So hoch sind die zusammengefassten Marketingbudgets der privaten Online-Glücksspielanbieter.
Aus für 50 Marketing-Millionen
Rund 25 Prozent ihrer Jahres-Bruttospielerträge – die Einsätze der Spieler abzüglich der Auszahlungen – von 200 Millionen Euro geben Online-Anbieter nach Angaben Zillners für Marketing aus, eben 50 Millionen. Das umfasst nicht nur klassische Werbung, sondern auch alle Sponsorings. Fallen die weg, könnten neben Medien daher auch Sportvereine, die von diversen Wettanbietern unterstützt werden, zu den Verlierern einer Novellierung des Glücksspielmonopolgesetzes zählen, so Zillner. Vor allem der Fußball wäre betroffen. „Wir wollen nicht drohen“, sagt sie, „aber die neue Regierung sollte sich überlegen, welche Lawine von Ereignissen eine Novellierung auslösen könnte“. Zillner reicht pompöse Zahlen nach: 100 Millionen Euro an Steuern würden die privaten Online-Glücksspielanbieter derzeit pro Jahr an das Finanzministerium abliefern – die dann ausfallen könnten. Außerdem stünden 1.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Allerdings: Bisher gibt es überhaupt keine Anzeichen, dass eine Gesetzesnovellierung tatsächlich wieder auf die Tagesordnung kommt. Der seinerzeitige Entwurf einer Novelle ist vom Tisch, im Finanzministerium heißt es dazu: „Es gibt keine wie auch immer gearteten Überlegungen, das Thema wieder aufzugreifen.“ Was passiert, wenn die neue Regierung dann einmal steht, kann ohnehin niemand sagen – momentan sind die Parteiengespräche zur Regierungsbildung von konkreten Vorhaben noch weit entfernt. Selbst Zillner gibt auf Nachfrage zu: Man habe weder aus der ÖVP noch von den Grünen Signale vorliegen, dass sich das rasch ändert. Warum sie dann glaubt, das Thema könnte wieder aufpoppen? „Es gibt halt so ein Hintergrundrauschen“, bleibt Zillner sehr vage.
Die OVWG wünscht sich seit Jahren zwar eine Neuregelung der Lizenzvergabe für Online-Glücksspiel in Österreich – allerdings nicht in Form einer Zementierung des Monopols, sondern nach dänischem Muster. Dort werden Lizenzen unter strengsten Spielerschutz-Auflagen auch an Private vergeben. In Österreich stand die Regierung bisher auf dem Standpunkt, das EU-Monopolverbot würde in diesem Bereich nicht gelten, daher keine Privat-Lizenzen. Auch, weil sich der Monopolist ohnehin an alle Spielerschutz-Vorgaben halte.
Genau diese Argumentation will die OVWG nun aber mit einer fertigen Studie des Beratungsunternehmens Kreutzer, Fischer & Partner aushebeln, die vorerst noch unter Verschluss gehalten wird. Zillner: „Wir warten, bis die neue Regierung gebildet wurde.“ Der jetzige Vorstoß könnte somit ein Aufwärmen für ein neuerliches Antreten gegen das Finanzministerium sein. Das Retour-Match könnte schon bald angepfiffen werden.
Prozesslawine steht im Raum
Derweil steht für die Online-Glücksspielanbieter noch ganz anderes Ungemach im Raum: Der Prozessfinanzierer AdvoFin betreibt derzeit ein Sammelverfahren unter Spielern, die bei Anbietern ohne Austro-Lizenz Geld verloren haben. 400 Fälle habe man klagsfertig, wie AdvoFin-Vorstand Stefan Bohar verrät, und weitere 300 seien bald so weit. Es geht um 28 Millionen Euro, die Summe könnte sich sogar noch drastisch erhöhen. Auch hier geben sich die Online-Anbieter recht kämpferisch: Sollten Gerichte die Spieleinsätze wegen fehlender Lizenzen für ungültig erklären und diese zurückgezahlt werden müssen, wolle man auch über eine Gewinn-Rückforderung nachdenken. „Und außerdem“, so Zillner, „zweifeln wir das Geschäftsmodell der AdvoFin an.“
(Klaus Puchleitner)