Wie viel Mut trauen wir uns denn zu?
 

Wie viel Mut trauen wir uns denn zu?

Editorial von Dagmar Lang

"Mut“ ist das Thema der heurigen Medientage in der Wiener Stadthalle, und das Motto hat Hans-Jörgen Manstein nicht von ungefähr ausgesucht. Denn es mangelt überall an Mut. Zunächst wohl in der Politik, wo es gerade jetzt ganz mutiger Entscheidungen bedürfte, wenn man die aktuellen Probleme einigermaßen in den Griff bekommen möchte. Aber wenn der Ausgang einer Regionalwahl mehr Priorität genießt als die Rettung eines Mitgliedslandes vor dem Konkurs, dann wissen wir, wie es mit dem Mut von gewählten Volksvertretern steht. Nämlich schlecht. Aus Angst, die nächste Wahl zu verlieren, zögern und zaudern sie so lange, bis es wirklich zu spät ist. Diese Erkenntnis ist für den Staatsbürger nicht gerade ermutigend.

Doch auch in der Wirtschaft sterben die Mutigen langsam aus. Wie meine Recherchen zu der Bestseller-Geschichte über globale Kommunikationsstrategien ergeben haben, dürften mutige Manager in den Führungsetagen österreichischer Niederlassungen ausländischer Konzerne nichts mehr zu suchen haben. Gefragt sind demütige Gemüter, die als Erfüllungsgehilfen der Zentralen das eigene Hirn möglichst ausschalten, effizient umsetzen, was von ihnen verlangt wird, und ja keine Fehler machen. Österreich ist mit seinen lächerlichen acht Millionen Einwohnern ohnehin ein Micky-Maus-Markt, den es auf dem Weg nach oben möglichst schnell zu durchschreiten gilt. Wer hier als Geschäftsführer eingesetzt ist, sollte sich ruhig verhalten, 60 Stunden stumm vor sich hin arbeiten, Kosten sparen und ja nicht unangenehm auffallen. Dann lieber kein Interview, bevor man eines riskiert, das dem Vice President for Communications missfällt, der es vielleicht auch noch wutentbrannt dem direkten Matrix-Vorgesetzten auf den Schreibtisch knallt, was, weil der in der Hierarchie weiter unten angesiedelt ist, auch noch für diesen blöd ausgehen könnte.

Am besten, man schiebt eine international vernetzte PR-Agentur zwischen die Bedrohung Journalist und Konzern und hofft, dass die das irgendwie hinkriegt. Doch wie mutig sind Verleger gegenüber ihren Anzeigenkunden? Sagen wir offen, dass eine Grenze jetzt überschritten ist, halten wir der Redaktion den Rücken frei und riskieren, dass der Jahresauftrag in den Wind zu schreiben ist? Wie viel Mut können wir uns in diesen volatilen Zeiten überhaupt leisten? Bleiben als Hoffnungsträger die Werbeagenturen?

Welcher Agenturchef ist so mutig, seinem Kunden zu sagen, dass das Briefing eine Katastrophe ist und man auf Basis dessen nur mangelhafte Arbeit leisten wird können? Und umgekehrt, welcher Marketingchef hat den Mut, der Agentur gegenüber zuzugeben, dass er selbst weder Claim noch Copy versteht und daher berechtigte Bedenken hat, es könnte Millionen von Konsumenten ähnlich gehen? Wer will schon unkreativ und uncool sein?

Wer ist mutig genug, seinen Vorgesetzten damit zu konfrontieren, dass seine Entscheidung ganz schlecht für das Unternehmen ist, weil … Wie viele Mitarbeiter trauen sich zu sagen, dass ihnen die tägliche Mehrbelastung durch ständiges Einsparen an Personal jetzt echt zu viel wird und sie nicht mehr bereit sind, diese Leistung zu erbringen? Wer gibt zu, dass er unter der E-Mail- und SMS-Flut leidet und das verdammte Smartphone am liebsten abschalten würde? In der Tat, Mut braucht es schon für Kleinigkeiten, und am besten fangen wir morgen an zu üben, indem wir irgendjemandem etwas sagen, was wir schon seit Monaten auf der Zunge haben. Wenn wir es uns trauen …

Dagmar Lang



stats