Ein US-Regierungsausschuss lieferte vor einigen Tagen einen Bericht zum Thema „Virtuelle Währungen und deren Risiken/Chancen“. Schlussfolgerung des Vorsitzenden: „Wir sind alle verwirrt.“
Worum geht’s? Eine bislang unbekannte Gruppe von technikgläubigen Rechtsliberalen mit einer ausgeprägten Regierungsphobie hat ein extrem komplexes Programm geschaffen, das im Prinzip eine virtuelle Goldschürfanlage darstellt. Ein undurchschaubares Rechenverfahren produziert Nonsense-Code, der zwischendurch „Gold“ in geringen Mengen enthält (= sogenannte Bitcoins). Geschürft von Tausenden von Privatleuten auf ihren Heimcomputern, deren kollektive Rechenleistung jedes Knacken des Codes unmöglich macht. Allerdings ist die mögliche Summe auf zwölf Millionen Stück begrenzt, die bis 2040 langsam auf 21 Millionen erhöht werden soll.
Die entstehende Währung ist anonym und nicht verfolgbar. Sie existiert einzig und allein in den digitalen Brieftaschen der Besitzer. Bitcoin ist nicht vergleichbar mit Facebook-Credits, die im Grunde bloß Gutscheine sind. Jede „Münze“ besteht aus einer langen Wurst von Zahlen und Buchstaben und ist im Grunde völlig wertlos, da durch nichts untermauert (nationale Währungen sind durch den Reichtum eines Landes gestützt).
Wenn man harte Währung in Bitcoins umtauscht, muss man mit exzessiver Volatilität rechnen (ein Bitcoin wurde im Sommer um rund 100 Dollar gehandelt, explodierte kürzlich aber auf ein Verhältnis von eins zu 900, um dann wieder stark abzustürzen). Ein Interessent aus Norwegen hatte vor Jahren spaßhalber 22 Dollar in Bitcoins umgetauscht, die ganze Sache vergessen – und kürzlich entdeckt, dass er auf einem 850.000-Dollar-Schatz sitzt. So stark ist die Nachfrage. Oder die Manipulation (ist das Ganze vielleicht ein Pyramidenspiel?). Jedenfalls kommt das stärkste Interesse von Spekulanten, Spielern, Schwarzgeldwäschern und Drogen-/Waffenhändlern. Der wichtigste Umschlagplatz war eine halbseidene Website namens Silk Road, ein Schwarzmarkt, der vom FBI im Oktober geschlossen wurde.
Was ist der Sinn der ganzen Übung, sofern man weder unter Verfolgungswahn noch kriminellen Neigungen leidet? Die Befürworter betonen nicht unbedingt den Währungsaspekt, vielmehr dass in der Welt der Finanztransaktionen ein Mittelsmann (zum Beispiel Kreditkarten) zwischen Käufer und Verkäufer steht, der mitschneidet. Bitcoin dagegen ist ein Filesharing-Programm, das erlaubt, die virtuelle Währung provisionsfrei herumzuschieben. Die Sache hat aber einen schlimmen Haken: Wenn ich auf eBay eine Uhr bestelle und der Anbieter liefert nicht, kann ein Kreditkartenunternehmen die Transaktion rückgängig machen – bei Bitcoin ist das bezahlte Geld dagegen den Bach hinunter.
Fazit: Die dahinterstehende Technik ist innovativ und elegant und wird vielleicht eines Tages von Banken als Plattform eingesetzt werden. Der Wert der Bitcoins wird eher bei null enden …
[Walter Braun]