Rosinen-Befragung
 

Rosinen-Befragung

Editorial von Sebastian Loudon

Was haben Niko Pelinka und Kim Jong-il gemeinsam? Das erraten Sie nie: Sie waren beide Thema bei einer Pressekonferenz des VÖZ am Vortag des internationalen „Tages der Pressefreiheit“. In Vorbereitung dieses Anlasses gab der VÖZ bei market eine Studie in Auftrag (siehe Seite 1). Eine Studie, die ein bemerkenswert weites Spektrum an einzelnen Fragestellungen rund um die Medien und ihre Wahrnehmung in der Bevölkerung untersuchte: Pressefreiheit, Medienpädagogik, Medientransparenzgesetz, Gratis- und Kaufzeitungen, die politischen Postenbesetzungen des ORF und einiges mehr standen auf der Liste – und der einzig ersichtliche gemeinsame Nenner dieser Themen: Sie alle stehen auf der marktpolitischen Agenda des VÖZ.

Das soll nicht heißen, dass sich die VÖZ-Funktionäre über alle Ergebnisse auch freuen können. „Überrascht“ zeigte sich etwa der Verlegerpräsident Hans Gasser darob, dass nur ein Drittel der Befragten angibt, das Medientransparenzgesetz zu kennen. Und selbst dieses Drittel sei nur durch den Faktor „soziale Erwünschtheit“ zusammengekommen, ergänzte der hinzugezogene Marktforscher Werner Beutelmeyer. Gasser gilt als Initiator dieses Gesetzes, und seine Gefühlsregung ist nicht wirklich nachvollziehbar, zumal dieses Thema erstens weit weg von den Interessen und Bedürfnissen einer breiten Bevölkerung liegt, weil – zweitens – nur sporadisch und unvollständig darüber berichtet wurde und – drittens – dieses Gesetz gar nicht „Medientransparenzgesetz“ heißt, sondern, bitte festhalten: „Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums (BVG MedKF-T)“. Nachdem sich gesetzestreue Staatsbürger diesen Namen endlich gemerkt haben, wie soll es da bei „Medientransparenzgesetz“ klingeln? Mit ähnlich hochgezogenen Augenbrauen weist der VÖZ darauf hin, dass „drei Viertel der Österreicher im ORF parteipolitisch motivierte Personalentscheidungen vermuten“. Sapperlot, was für eine Erkenntnis! Bei dem medialen Wirbel um Niko Pelinka und in Anbetracht des Umstands, dass Zeitungen die nicht parteipolitisch motivierten Personalentscheidungen im ORF (ja, auch die gibt es!) mangels Skandalpotenzial unter den Tisch fallen lassen, ist es eine Sensation, dass es immer noch vier Prozent gibt, die meinen, die Postenbesetzung im ORF liefe „überhaupt nicht politisch motiviert“ ab. Hier holte sich der VÖZ die Bestätigung für ein Stimmungsbild, das seine Mitglieder – in Tatunion mit der Politik und dem ORF-Management – selbst mitgeprägt haben.

Die vorliegende Studie des VÖZ hat einen würdigen Anlass, denn Pressefreiheit ist nach wie vor ein Fremdwort für etwa 80 Prozent der Bevölkerung. Und auch in Österreich ist es kein „Selbstläufer“, wie Beutelmeyer nüchtern feststellte, angesichts von 18 Prozent, die meinen, es wäre besser, wenn der Staat „einen Blick auf Zeitungsinhalte wirft, bevor diese erscheinen.“ Metternich ist doch noch nicht so lange her, eine zarte Sympathie für die Zensur immer noch in den Köpfen vieler Menschen. Dagegen lohnt es sich aufzutreten, und es steht dem VÖZ gut zu Gesicht, einen entsprechenden Akzent zu setzen, wie es etwa mit der aktuellen Kampagne zum Tag der Pressefreiheit zweifelsfrei gelungen ist (siehe Seite 2). Dass dabei die Versuchung groß ist, sich Bestätigungen und Argumente für die Jahresagenda des Verbandes zu holen, ist nachvollziehbar, wird dem eigentlichen Anlass allerdings nicht gerecht.



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