Jenseits des HORIZONT
Die Regierung scheint auf dem besten Weg, sich zur Absicherung ihres mediokren Status auch den ORF einzuverleiben. Er soll wohl ähnliches Mittelmaß werden wie die Repräsentanten der Großparteien. Kreativität brauchen wir nicht, Mut auch nicht und Kritik schon gar nicht. Das soll die Opposition erledigen. Leider: Zum ORF gibt es keine Opposition. Außer man würde ORF eins und ORF 2 gegeneinander ins Match schicken. So fördert die Regierung das langsame Sterben des aufrechten Öffentlich-Rechtlichen und ihres eigenen Daseins: das Verschwinden einer Gegenöffentlichkeit, die derzeit noch öffentliches Zutrauen und Vertrauen besitzt.
Trotz Schwächen im Programm, sinkender Quoten, einschleichenden Personenkults und Narzissmen sogenannter Anchormen und -women. Der ORF ist das einzig korrigierende, aufrechte Massenmedium im Lande. Mit einem aufklärerischen Ansatz. Die Regierung möge ihrem Auftrag nachkommen und den ORF in Ruhe lassen. Bekenntnis zum öffentlichen Rundfunk: Ja. Garantie der Finanzierung: Ja. Aber Einfluss: Nein, danke. Einfluss auf den ORF müssen die kritischen Bürger selbst ausüben. Die Medien, nicht im Sinne unreflektierter Feindbildautomatismen, reflexartiger Innovationsablehnung und medialer Metaexperimente, sondern durch hemmungslose Qualitätskritik. Durch Ernstnehmen, statt Abschießen. Durch echte Medienkritik und nicht durch scheininvestigative Personality-Storys oder Twitter-Selbstverliebtheiten. Der ORF gehört allen. Und damit in Ruhe gelassen. Die Zivilgesellschaft – wo sind die kritischen Eltern, die den ORF quälen? – ist sein Controller. Eine ORF-Volksbewegung müsste her. Gestützt und unterstützt von kommerziellen Medien, den Verlagshäusern. Nur ein ORF außerhalb geschützter Werkstätten kann ein guter ORF sein. Dass er Gebühren erhält, und zwar ausreichend, sollte nicht infrage gestellt sein. Auch nicht die Doppelfinanzierung durch Werbung. Nur ein starkes Werbemedium ORF sichert, dass Österreich als Werbemarkt überhaupt noch wahrgenommen wird. Davon profitieren auch die Printmedien. Und andere.
Ein starker ORF, weil unabhängig und zugleich gnadenlos kritisiert, ist Garant für lebendige öffentliche Debatte. Um Themen aufzugreifen, die jenseits des Mainstreams sind, braucht der ORF Gebühren und finanzielle Sicherheit. Die gibt ihm der Souverän, das Volk, die Zivilgesellschaft. Diese hat auch das Recht, zu kritisieren: zum Beispiel Polit-Talks, die ständig mit Vertretern der politischen Parteien besetzt werden und redundant sind, oder eine Einkaufspolitik bei Filmen, die mehr als konventionell ist. Die Politik und die Repräsentanten der Macht haben eine einzige Pflicht: die Unantastbarkeit und Unabhängigkeit des Senders zu bewahren. Durch sinnvolle Gesetzgebung und durch Kontrollorgane, die weisungsfrei sind. Öffentliches Eigentum muss respektiert werden. Wer den ORF inhaltlich kritisiert, stärkt ihn. Wer ihn lediglich ausspielen möchte, schwächt langfristig das System der kritischen Berichterstattung in Österreich und trägt zur weiteren Nivellierung bei. Das kann niemand wollen. Zumindest nicht die Bürgergesellschaft, die Anrecht auf Information, Fantasie und gute Unterhaltung hat. Dafür gibt es die öffentlich-rechtlichen Sender.