Kommentar von Jakob Steinschaden
„The next big thing always starts out looking like a toy“, sagt man im Silicon Valley über revolutionäre Technologien, die zuerst belächelt werden, bevor sie voll einschlagen. Zu dieser Kategorie zählt wohl auch das selbstfahrende Google-Auto, das mit seinen runden Scheinwerfern, der Sensor-Stupsnase und der kugeligen Karosserie so putzig aussieht wie ein Zeichentrickwagen. Ohne Lenkrad und Bremse werden uns die kleinen Wagerl in zehn Jahren durch die Gegend kutschieren, so wie man es heute per Taxi oder car2go tut.
Die große Anschlussfrage ist nun: Wenn wir unsere Hände nicht mehr ans Lenkrad klammern und unsere Augen nicht mehr auf die Straße richten müssen – was tun wir dann mit der neu gewonnenen Freizeit? Millionen, nein Milliarden Stunden an Stunden werden diese selbstfahrenden Autos, an denen nicht nur Google, sondern auch die Automobilhersteller arbeiten, freischaufeln. Da wird plötzlich klar, warum Hightech-Riesen wie Apple ins Auto drängen und eigene Softwarelösungen dafür anbieten: Denn in der neu gewonnenen Freizeit können sich die Menschen (so, wie sie es heute in den Öffis tun) natürlich mit Medien beschäftigen – Pendlerzeit wird zur Mediennutzungszeit. Wer sich da schlau mit seinen Displays und digitalen Angeboten im Wagen positioniert, für den tut sich ein Milliardenmarkt auf.
So wie Medienunternehmen wird auch die Werbewelt darüber nachdenken müssen, wie sie es sich in diesen neu gewonnenen Stunden bequem machen kann. Ortsbezogene Werbung könnte im selbstfahrenden Auto endlich nützlich werden, wenn sie dem Fahrgast spannend erklärt, was sich da möglicherweise hinter der nächsten Abfahrt verbirgt. Wer Google kennt, der weiß: Die Firma macht nicht das große Geld mit dem Verkauf von Produkten, sondern mit digitalen Ads. Und wer weiß: Vielleicht wird die Aufmerksamkeit der Nutzer sogar so viel wert sein, dass man sich die Werbeberieselung gefallen lassen kann und dafür gratis durch die Gegend chauffiert wird.