Editorial von Sebastian Loudon
Das Leben eines Fachzeitschriftenredakteurs ist – nicht jetzt lachen! – an Aufregung kaum zu überbieten. Seit Monaten befassen wir uns im Hintergrund mit dem mit Sicherheit spannendsten Projekt, das in der Kommunikationsbranche derzeit läuft. Eines, über das nicht gesprochen wird, zu dem sich die Verantwortlichen nicht einmal „off record“ äußern wollen und wo die beteiligten Dienstleister mit schreckgeweiteten Augen den Zeigefinger an die Lippen pressen und auf horrende Pönalzahlungen verweisen.
Solche Projekte sind in einer Branche, in der man nur zu gerne die Fachpresse an seiner Seite weiß, sehr selten und umso attraktiver für uns. So ergeht es uns auch bei der nahenden Geburt der neuen Megabrand, die aus der Fusion der Mobilfunk- und der Festnetzsparte der Telekom Austria Group hervorgehen wird. An der Marke wird bereits gearbeitet, der Branding-Prozess ist – lässt sich vermuten – in den besten Händen und man darf sich einiges erwarten. Nur leider: Es dauert noch.
Die Vorgeschichte ist bekannt – mobilkom austria und das Festnetzgeschäft der TA wurden verschmolzen, und man muss sich nur einmal die Kundenzahlen dieser beiden Entitäten vor Augen halten, um sich vorstellen zu können, wie komplex diese von Hannes Ametsreiter & Co geleitete Fusion tatsächlich sein muss. Von den unterschiedlichen Unternehmenskulturen ganz zu schweigen. Und ebenso komplex sind die Herausforderungen auf kommunikativer Ebene – eine Riesenchance und gleichzeitig gespickt mit tausend Möglichkeiten, Fehler zu machen.
Und so blickt die Agenturszene seit Monaten gespannt darauf, wie sich die Fusion auf Markenebene auf die beauftragten Agenturen auswirken wird. Das Festnetzgeschäft war bei der Euro RSCG angesiedelt, mit dem Etat der mobilkom austria hatte sich Ex-Saatchi-Chef Michael Nitsche in die Selbstständigkeit gewagt. Parallel dazu kam immer wieder die Wiener Kreativschmiede Schüller & Heise zum Einsatz für die Marke A1. Für einige Zeit war es mehr als absehbar, dass, sobald die neue Marke feststünde, die Top-Agenturen Europas um diesen Etat rittern würden. Ein neuer „Megapitch“ mit aller Aufregung und den bekannten Begleiterscheinungen. Für die drei Teil-Etathalter keine angenehme Perspektive, insbesondere nicht für Michael Nitsche, dessen Agentur-Income zum überwiegenden Teil von diesem Etat abhängt.
Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Hannes Ametsreiter und sein Chief Commercial Officer Alexander Sperl wollten andere Wege gehen; konkret war geplant, die bestehenden Agenturen zu einer engeren Zusammenarbeit und Abstimmung zu bringen. Doch auf den letzten Metern scheiterte dies, denn – und da sind wir plötzlich wieder im spannungsgeladenen Leben eines Fachzeitschriftenredakteurs – kurz vor Redaktionsschluss flattert aus heiterem Himmel eine OTS-Meldung der A1 Telekom Austria herein, in der es unter anderem heißt: „In Zukunft werden alle Produkte von A1 und Telekom Austria unter einer einheitlichen Brand vermarktet. Für den Werbe-Etat wurde die Wiener Werbeagentur Nitsche von A1 Telekom Austria beauftragt.“ Und weiter:„Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Agentur Euro RSCG wird damit beendet.“
Na bumm. Das war’s. Kurz und bündig, schnell und – vermutlich nicht ganz – schmerzlos. Für die EuroRSCG ein heftiger Verlust, für Michael Nitsche ein ungeahnter und urplötzlicher Triumph, der wieder einmal beweist, dass Lenny Kravitz recht hatte: It ain’t over till it’s over.