Mein Burgenland
 

Mein Burgenland

#

Gastkommentar von Georg Prenner

Nirgendwo auf der Welt fühle ich mich so informiert wie in der Küche meiner Eltern. Sobald ich mich auf die Eckbank zwänge und meine Mutter mir erzählt, wer sich hat scheiden oder begraben lassen, widme ich mich neugierig der üppigen Medienlandschaft des Landes. Die Reihenfolge variiert nach Auffindungsort der lokalen Blätter. Schon irgendwo im Vorzimmer findet sich eine Ausgabe der Bezirksblätter, die noch im Stehen nach Gesichtern von Schulkol­legen und Ex-Freundinnen durchsucht wird. Jedes Mal erfolgreich, füge ich gern hinzu. Manche haben zugenommen. 

Neben dem Suppenteller liegt die Burgenländische Volkszeitung (BVZ, kommt wöchentlich) auf dem Küchentisch. Oft auch das Organ der Pfarre Güssing. Die Lektüre von Letzterem bereitet mir sofort schlechtes Gewissen, weil ich 1984 zweimal die Schülermesse gespritzt und stattdessen in der Konditorei Schwesinger Schwedenbomben gegessen habe.

Zur Hauptspeise die Zeitschrift des Absolventenverbands des BORG Güssing. Ich staune über die akademischen Leistungen von Menschen, die in meinem Maturajahr geboren wurden und noch mehr über aktive Lehrer, von denen ich 1993 dachte, sie wären kurz vor der Pension.
Dann noch schnell ein Blick in die oststeirischen Blätter, die auch irgendwie hier landen. Gebrauchte Traktoren, Er (mit Landwirtschaft) sucht Sie (sinnlich & fleißig).

Nach Lektüre der Bundeslandbeilagen der großen Tageszeitungen – Ortswechsel: Wohnzimmer. Ein Ritual beginnt, das unserer Familie tatsächlich über Jahre Rhythmus gegeben hat. Zuerst der Nachmittag auf ORF 2. Bilder aus Österreich. Schauspielende, melkende, löschende, kochende Menschen auf dem Land und in der Stadt. Meine Mutter kommentiert viele Beiträge mit Nicken, während mein Vater uns alle daran erinnert, dass er im vorigen Jahrhundert Geografielehrer war. In der Zwischenzeit erzieht Wolfram Pirchner seine Zuseher mit launigen Sprüchen, bevor sich das Fernseh-Highlight eines jeden Tages mit seiner Signation bemerkbar macht: „Burgenland heute“.
Kinder zu Schulbeginn, die Schneeräumtrupps im Stress, die Menschen beim Sautanz oder beim Kitesurfen. Dazwischen Politik, Scharmützel, Wahlkampf, Alltag. Dann der Sport aus dem Pappelstadion in Mattersburg oder von der Grasski-WM.

Nein. Hier werden keine Leute vor laufender Kamera umgebracht, hier werden keine Allianzen gegen den Terror geschmiedet und dennoch wird hier über eine Zukunft der Welt berichtet. Über die Menschen, deren Wirklichkeit heil geblieben ist. Nicht idyllisch oder verschroben. Ja, es gibt Verkehrsunfälle, Familientragödien und Unglück, doch irgendwann auch das Wetter von der Apfelernte, die genauso wirklich ist. Danach kommt die „ZiB“ und all das Getöse, das hier leiser ist als sonstwo. Ich sollte öfter nach Hause kommen. ­



stats